27. Kapitel (Albus): Fly, Phoenix, fly

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Sam war gegangen - ich hatte ihn fortgeschickt. Es war das Beste, wenn er noch seine Unterlagen zusammensuchte, bevor Starling sie in Flammen aufgehen ließ. Das hatte er eingesehen und war disappariert. "Gellert...", flüsterte ich, mir stiegen die Tränen in die Augen. "Bitte. Bitte. Komm zurück. Warum hast du nur auf mich gehört?", ich schluckte. Eine meiner Tränen tropfte auf seine Wange. Zitternd zog ich den Atem ein und schloss die Augen. "Es tut mir so leid. Ich hätte nicht...", meine Stimme brach, ein Schluchzen ließ mich erschaudern. Der eisige Wind fuhr mir durch die Haare, ich stieß die Luft aus. Warum? Warum, bei Merlins verschwundenem Mantel, hatte Gellert seine Realität für mich geopfert?
"Albus."
Erschrocken wandte ich den Kopf. Was ich dann sah, wollte ich nicht glauben. "Gellert!", stieß ich hervor. "Wie?!" Er richtete sich auf, strich sich seine aschblonde Haarsträhne zurück und antwortete: "Meine Verbindung zur Realität war noch nicht völlig gekappt - nehme ich an. Ich glaube, dass ein winziger Hauch dieser Verbindung noch da war. Und das hat gereicht." "Für was?", meine Worte bebten. Seine zweifarbigen Augen richteten sich auf Hogwarts' Zinnen. "Um zu spüren, dass ich zurückkommen musste. Weil du mich brauchst, weil wir einander brauchen." Jetzt wanderte sein Blick wieder zu mir. Abwartend sah er mich an, wartete darauf, dass ich ihm meine Erwiderung gab. Auf den ersten Moment hin wollte ich ihm widersprechen. Ich brauchte ihn nicht! Natürlich nicht! Doch da war wieder diese flüsternde, zweifelnde Stimme: Stimmt das wirklich? Nein. Ich brauchte ihn, wurde mir klar. "Ja.", sagte ich leise und verzog das Gesicht, um meine Tränen (ein weiteres Mal) zurückzuhalten. "Tu ich." Darauf lächelte er. Ganz leicht nur, nicht mehr, als ein Zucken seiner Mundwinkel. Dann erhob er sich, hielt mir die Hand hin und zog mich hoch. "Liebling, es ist alles gut. Ich bin wieder da, ja? Hörst du? Ich bin wieder da.", flüsterte er und strich mir vorsichtig über die Wange. Ich starrte ihn an, nach Atem ringend. Er war wieder da. Wirklich wieder da. Es wurde mir nur ganz langsam bewusst. Meine Beine wollten mich nicht länger tragen und so wäre ich wohl einfach zusammengebrochen. Aber Gellert spürte das, zog mich an sich heran und hauchte mir seinen warmen Atem ins Ohr, als er sprach: "Ich werde dich nie wieder verlassen, Liebster. Nie wieder." Diese Worte waren es, die meinen Wall endgültig niederrissen. Ich lehnte den Kopf an seine Schulter und weinte. Nicht aus Trauer. Sondern aus Erleichterung. Schließlich wich ich von ihm zurück und hielt seinen Blick fest. “Woher weiß ich, dass du es dieses Mal ernst meinst? Du hast mir schonmal versprochen, mich nie zu verlassen.” Er wandte blinzelnd den Kopf ab, sah nun über mich hinweg ins Nichts. “Du kannst es nie wissen.”, erwiderte er, so leise, dass der Wind ihm die Worte von den Lippen riss und ich ihn fast nicht hörte. “Allerdings kannst du es hoffen. Und es glauben. Und mir vertrauen. Denn es gibt nicht viele Dinge, die meine Entschlossenheit wss das größere Wohl betrifft, ins Wanken bringen können. Außer die Tatsache, dass du mich immer noch liebst und vermisst. Auch nach allem, was ich getan habe und es ist noch nicht zu Ende.” Als würde er mein Entsetzen spüren (was er auch tat, darauf gab ich jede Wette), sah er mich wieder an. “Es tut mir leid, Liebster. Aber ich kann und werde das größere Wohl nicht einfach aufgeben.”, setzte er noch sanfter hinzu. “Warum, Gellert? Warum kannst du diesen verfluchten Wahnsinn nicht einfach sein lassen?”, ich schüttelte den Kopf. Auf meine Frage hin gab er mir nicht sofort eine Antwort. “Weil ‘dieser verfluchte Wahnsinn’, wie du gerade so hübsch gesagt hast, alles ist, was ich noch habe.”, gab er leise zurück. Fast hätte ich vor lauter Verzweiflung gelacht. “Nein, das stimmt nicht! Was ist mit uns, Gellert? Was ist… Was ist… mit mir? ‘Hast’ du uns nicht auch?”, ich stellte die Frage mit verzweifelter Herausforderung. Darauf biss er sich auf die Unterlippe und flüsterte schließlich: “Lass es mich dir im übertragenen Sinne beantworten. Mit einer Metapher.” “Okay.”, murmelte ich. Jetzt war eh schon alles egal.
Gellert sah mir genau in die Augen und hauchte: “Fly, Phoenix, fly.” Ich blinzelte. “Das heißt was?” “Der Phönix wird fliegen. Der Phönix ist der Hoffnungsträger. Wir sind die Hoffnungsträger.” “Ich schätze, mit ‘wir’ meinst du deine Anhänger und dich.”, resümierte ich, äußerlich vollkommen gelassen. “Stimmt. Unsere Schwingen sind aus Feuer, wir verbrennen alles und jeden, der uns im Weg steht. Albus, ich habe nichts anderes mehr außer das! Schmerz ist alles, was mir geblieben ist.” Ein Zittern überlief mich, mit eisigen Krallen griff die bittere Enttäuschung nach mir. “Wie kannst du das sagen?”, fragte ich, meine Stimme vibrierte. “Ich muss es sagen.”, erwiderte er und wich vor mir zurück. Er zitterte. Nicht weniger, als ich. Seine verschiedenfarbigen Augen waren dunkel, sein Atem ging zittrig und stoßweise. “Du willst es nicht mehr als ich. Das größere Wohl.”, stellte ich leise fest. Einen Moment lang zögerte er, dann warf er trotzig das Kinn hoch. “Kann sein. Aber ich muss es wollen.” “Warum? Warum, Gellert? Warum ‘musst’ du etwas tun, wenn doch selbst nicht zu hundert Prozent dahinter stehst?” “Ich stehe zu einhundert Prozent dahinter. Nur… Nur wenn du da bist, kann ich es auf einmal nicht mehr. Außerdem muss ich es wollen und tun.”, sein Blick wurde härter, aber ich sah die versteckte Verzweiflung darin. “Warum? Du wiederholst dich, Gellert. Warum musst du es tun?” Mit einem tiefen Atemzug blickte er an mir vorbei. “Weil.”, sagte er. Daraufhin verdrehte ich die Augen. “Gellert, das ist keine Antwort!” “Hast Recht.”, stimmte er mir zu, seine Mundwinkel zuckten. “Lachst du mich etwa aus?”, hakte ich nach. “Nein.”, gab er zurück und senkte mit einem kleinen Lächeln den Kopf. Für einen Moment verlor ich den Faden. Merlin, was für lange, dichte Wimpern! Albus, lass das!, ermahnte ich mich und konzentrierte mich auf das aktuelle Thema. “Warum?”, ich wiederholte meine Frage mindestens zum dritten Mal. Nach kurzem Zögern blickte er mich wieder an.
“Weil ich es ihr schulde.”, antwortete er dann.

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