50. Kapitel (Gellert): Blutfluch

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"Es ist wegen Sam.", Melissas Stimme klang erstickt vor Trauer. "Er ist tot." Albus schnappte nach Luft, Schmerz blitzte in seinen blauen Augen auf. "Nein!", stieß er heiser hervor. "Nein!" Doch. Ich wusste, dass Melissa die Wahrheit gesagt hatte. Samson Abbott, der auch mir ein wertvoller Verbündeter geworden und ein sehr freundlicher Mensch gewesen war, war tot. Wegen... Joseph Greengrass und seinem Gefolge. Einige Sekunden lang schwiegen wir. "Und jetzt? Was jetzt?", fragte Melissa flüsternd. "Jetzt", antwortete ich und zog den Elderstab "gehen wir auf Aurorenjagd. Das heißt, ich gehe. Ob ihr mitkommt, ist eure Entscheidung." "Machst du Scherze?! Natürlich komme ich mit! Sie haben Sam umgebracht! Und er war... Er war mein bester Freund. Der erste, dem ich nach dir diesen Titel gegeben habe.", Albus' Blick war kalt wie Eis, er zückte ebenfalls den Zauberstab. "Ich komme auch mit!", Melissa warf trotzig das Kinn hoch und sah mich herausfordernd an. "Versuch nicht, mich dran zu hindern." "Werde ich nicht.", gab ich zurück. Damit disapparierten wir, folgten der Spur, die Melissa bei ihrer Flucht hinterlassen hatte.
Tatsache.
Fünfundzwanzig Auroren standen mit höchst triumphierenden Mienen um Sams Leiche herum. Das Blut, das den Boden um ihn befleckte und in der Sonne auf den sattgrünen Grashalmen glitzterte, bewies, dass er bis zum Letzten gekämpft hatte. "Angriff.", kommandierte ich leise. Sofort stürzten wir drei uns auf die fünfundzwanzig Auroren. Melissas grüne Augen waren nur Schlitze, als sie den Zauberstab hob und zischte: "Crucio!" "Nein. Kommt her. Alle beide.", ich schüttelte den Kopf und riss den Cruciatus-Fluch von dem Auror herunter, der im gleichen Moment wieder aufsprang. "Was?", der Hass in den Worten meines Geliebten richtete sich nicht gegen mich. Dennoch traf er mich eiskalt. “Nein, Al.”, erneut schüttelte ich den Kopf. “Warum?” fauchte er, ein grüner Blitz verbrannte knisternd die Luft. Ohhh. Blitzschnell schnippte ich den Elderstab, blau-weiße Flammen fuhren aus dem Boden, umkreisten die Auroren und streckten sich züngelnd den Wolken entgegen. Sein Zorn traf mein Gespür wie tausende von Messern, als Albus sich zu mir umwandte. “Gellert! Was soll das! Lass mich durch!” “Nein, Al.”, wiedeholte ich. Melissa musterte die Flammen, der blinde Hass verschwand aus ihren Augen. Sekundenlang starrte Albus mich ausdruckslos. “Verräter! Lügner!”, die hasserfüllte Trauer ließ seine Worte zittern. Ich zuckte zusammen, als hätte er mich geschlagen. Verräter. Lügner. Was?! Wie ein Besinnungsloser wollte er durch das Feuer stürmen, doch ich riss mich zusammen, trat vor und hielt ihn an den Schultern fest. “Lass. Mich. Los. Grindelwald.” Au. Für einen Moment musste ich mir ein schmerzerfülltes Keuchen verbeißen, biss mir auf die Lippe. “Nein. Werde ich nicht.”, sagte ich dann und schluckte meinen Schmerz hinunter. “Sieh mich an.”, fuhr ich fort. Darauf drehte er mir den Kopf zu. Der Hass, der Zorn in seinen Augen war fast unerträglich. “Al, sie werden dich umbringen. Ist dir das eigentlich klar? Sie werden dich töten, wie sie Sam getötet haben. Hör mir zu.”, ich blinzelte, wartete, ob er mir gestattete, weiterzusprechen. Nach kurzem Zögen nickte er, zum Zeichen, dass ich fortfahren sollte. “Sie werden ihre Strafe bekommen. Aber nicht so. Nicht so, Liebster. Ich weiß, was ich tun werde. Und ich werde es tun. Bring dich aber nicht in Gefahr. Du weißt, dass Sam das nicht gewollt hätte.” Reglos erwiderte er meinen Blick, blinzelte heftig. Eine einzelne Träne rann über seine Wange. Sanft wischte ich sie weg und küsste ihn auf die Lippen. “Ich liebe dich. Daran kannst du nichts ändern. Sooft du mich auch ‘Lügner’, ‘Verräter’ und ‘Grindelwald’ nennst.”, flüsterte ich, ließ mein Gespür nach Joseph Greengrass tasten. Da war er. Innerhalb von Sekundenbruchteilen ließ ich Albus los, schnippte den Elderstab, worauf Protego Diabolica erlosch und warf einen kurzen Blick zu Melissa, die geduldig wartete. Jetzt.
Dort war Joseph Greengrass und sah mir mit düsteren Augen entgegen.
Fyrtan eiras nymolvyr.
Die Sprache der Runen.
Sie würde ich brauchen, für einen der ältesten Flüche unserer Welt.
Den Blutfluch.
Gelassen richtete ich den Elderstab auf Joseph Greengrass, der mich so herablassend ansah, wie ich Albus zu meinen dunkelsten Zeiten. Leise formierten sich der Tarnumhang und der Stein der Auferstehung hinter mir, vereinten sich im Kern mit dem Elderstab, hauchten mir die Worte zu, die ich brauchte.
Entyram fyrjas amatjar.
Es war soweit. So leise, dass der Wind meine Worte fast verschluckte, sagte ich sie: “Entyram fyrjas amatjar.”
Kein Blitz war für den Blutfluch von Nöten.
Dafür wurde der Himmel dunkler, der Wind eisiger.
Kurz sah Joseph Greengrass leer an mir vorbei. Dann schrie er. Der gleiche Schmerzensschrei, wie ich ihn vor zweiundvierzig Jahren von Gina gehört hatte. Nach Luft schnappend brach der Anführer der abtrünnigen Auroren zusammen, wand sich vor Schmerzen. So. Jetzt zum Rest. Dämonfeuer. Nicht Protego Diabolica. Wispernd griff es nach den übrigen vierundzwanzig, ein Teil disapparierte voller Panik, ein anderer kam nicht mehr dazu. Das Dämonfeuer verbrannte sie innerhalb weniger Atemzüge zu Asche. Der Hauptgegner, Joseph Greengrass, lag tot da, die Gesichtszüge noch von der Qual seiner letzten Augenblicke verzerrt. Er hatte es verdient. Der Blutfluch würde noch die folgenden drei Generationen betreffen, dann würde er vergehen.
“Vanthyr lyrta symany amathyra lyrcan.”, setzte ich leise hinzu.
Zischend ging das Dämonfeuer, formte zuvor ein letztes Mal das Zeichen der Heiligtümer des Todes. Ich lächelte. “Inovyr.” - Danke. Dann stand ich da, rührte mich nicht, betrachtete nachdenklich den Himmel, der jetzt wieder blau war. Ohne, dass er etwas sagte, spürte ich, dass er hinter mich trat. “Gellert?”, fragte er leise, seine Stimme war heiser. “Ja?”, erwiderte ich, blieb aber stehen. “Verzeih mir.”, flüsterte er. “Du bist kein Lügner. Und auch kein Verräter.” “Doch. Bin ich, Albus. Vergiss nicht, wie oft ich dich angelogen habe. Vergiss nicht, dass ich dich verraten habe - immer wieder.”, ich strich mir meine helle Strähne aus der Stirn, während ich sprach. “Hör auf! Ja, du hast das getan, aber… Es steht mir nicht zu, dir das vorzuwerfen.”, protestierte er, die Verzweiflung in seinen Worten war unüberhörbar. “Du hast jedes Recht dazu.”, gab ich zurück und warf den Kopf hoch. “Nein. Das… bin ich nicht wert.” Als er das sagte, wandte ich mich zu ihm um. “Was hast du gerade gesagt?”, hakte ich nach. Albus seufzte. “Ich bin das nicht wert.”, wiederholte er. Kopfschüttelnd musterte ich ihn und hob dann behutsam seinen Kopf an, sodass er mir in die Augen sehen musste. “Du bist alles wert. Jeden Fluch. Jeden Mord. Alles. Mein Liebster.” Zitternd zog er den Atem ein. “Dafür wäre ein besserer Mensch als ich nötig.”, widersprach er mir. “Besser? Hör auf. Bitte.”, gespielt tadelnd sah ich ihn an. “Aber-”, begann er, doch ich unterbrach ihn. Mit einem Kuss.

Only once more || Grindeldore FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt