Die Dunkelheit zog an mir. Sie flüsterte.
Gerade standen Albus und ich wieder in Nurmengards Bibliothek. Warum? Weil wir beide Bücher liebten. Eigentlich hatte ich vorgehabt, ihn nur ein bisschen zu erschrecken, wie ich es eben gerne tat. Doch just in dem Moment, in dem ich mich ihm von hinten näherte, war da wieder die scharfe, zischende Stimme an meinem Ohr: Töte ihn!
Was?!
Abrupt blieb ich stehen.
Der Elderstab in meiner Hand zitterte.
Nein.
Nein, das würde ich nicht tun.
Lautlos rang ich nach Atem und biss die Zähne zusammen. Sei still. Niemals werde ich ihn töten! Niemals, begreifst du das? Nie-mals. Ich liebe ihn mehr als alles andere auf der Welt!
Halb erwartete ich einen neuen Angriff auf meine Gedanken, doch der blieb aus. Für einen Moment schloss ich vor Erleichterung die Augen. Ich schluckte, ließ meine Kontrolle sofort wieder nach meiner Seele greifen. Sekunden später setzte ich meinen Weg fort, blieb knapp hinter ihm stehen und flüsterte: "Aha. Die Geschichte der Magie? Soso, Darling." Albus zuckte zusammen. "Gellert!!", rief er. "Du tust es schon wieder!" "Dich erschrecken? Aber ja doch. Mit Vergnügen.", erwiderte ich, und grinste ihn von der Seite an. Er verdrehte die Augen und es hätte mich nicht gewundert, wenn er mir mit dem Buch eine verpassen würde. Tat er nicht. "Du bist unmöglich.", murmelte er stattdessen und seufzte abgrundtief. "Ich weiß. Du auch.", sagte ich und schenkte ihm ein treuherziges Lächeln. "Hör auf zu grinsen.", er bedachte mich mit einem finsteren Blick, aber ich sah das belustigte Funkeln in seinen Augen. "Ich? Aber Liebling, ich grinse doch nicht. Wie käme ich denn dazu?", protestierte ich, betont unschuldig. Ich liebte es, ihn zu necken - er wusste das und tat es auch nicht minder gerne bei mir. "Vergiss es einfach.", er seufzte erneut, schlug das Buch zu und blickte mich an.
Die Dunkelheit schlug wieder zu.
Töte ihn!, fauchte sie.
Vergieße sein Blut!
Nein!
Auf die Sekunde riss ich mich aus ihrem Griff und wandte den Kopf ab, sodass wir uns nicht mehr ansahen. "Mach das nie, nie, nie wieder.", ich schloss die Finger um den Elderstab und atmete zitternd aus. "Was?", Verwirrung schwang in seiner Stimme mit. Die nächsten Sätze würden schrecklich werden. Für ihn und für mich. "Du darfst es nicht tun, Liebster.", ich starrte vorsorglich an die Decke, während ich sprach. "Was darf ich nicht tun, Gellert?", ich sah ihn fast schon, wie er mehrmals blinzelte. "Sieh mich nicht an. Nicht heute. Nicht morgen. Niemals wieder.", es tat unglaublich weh, diese Worte auszusprechen. Sie waren mit scharfen Stacheln und Kanten versehen, die schmerzten wie Feuer. "Warum?", flüsterte er tonlos. Ich stieß den Atem aus. "Es macht alles nur noch schlimmer. Du darfst mir nicht mehr in die Augen sehen." "Es macht was schlimmer?", er dachte nach, das hörte ich. "Die Finsternis.", gab ich leise zurück und senkte den Blick auf den Elderstab. "Die... Finsternis?", wiederholte er und holte tief Luft. "Aber... was tut sie? Die Finsternis, mein ich." "Sie übernimmt die Kontrolle, Al-Liebling. Sie ist ein Flüstern in meinen Gedanken, ein roter Schleier vor meinen Augen. Sie lässt das Licht flackern."
"Die Finsternis kann sprechen?!"
"Nicht direkt die Finsternis.", sagte ich, musste mich zwingen, ihn nicht anzusehen. Ein Vorteil an meinem Gespür war, dass ich seine Emotionen aus der Luft lesen konnte, ohne ihn dafür anblicken zu müssen. "Die Finsternis als solches gibt es nicht. Sehr wohl aber die dunkle Magie. Sie ist es, die meine dunkle Seite aufpeitscht. Und meine dunkle Seite ist es, die flüstert, nach der Kontrolle über mich giert. Nicht eine allumfassende Finsternis, Liebster. Sondern einzig meine dunkle Seite.", ich strich mir meine helle Haarsträhne aus der Stirn. Seine Antwort verschwand in dem hasserfüllten Zischen meiner Dunkelheit: Überlass es mir. Töte ihn. Gib mir die Kontrolle. Töte ihn. Töte ihn!
Nein. Niemals!, dachte ich und warf trotzig den Kopf hoch. Gegen die Liebe hast du keine Chance! Du kannst das Licht in mir vergehen lassen wie du es schonmal getan hast. Aber meine Liebe zu ihm wirst du nie zerstören können! Niemals!
Stille.
Oh, bei den gewaltigen Heiligtümern. Endlich. Nur für wie lange? Mein Gespür meldete mir, dass Albus neben mir stand, den Blick aber abgewandt hielt. Ich seufzte und strich ihm sanft über die Wange, er schmiegte sich an meine Hand. "Ich liebe dich.", flüsterte er. "Ich liebe dich auch.", erwiderte ich leise. "Glaubst du, du kannst dich noch lange gegen sie wehren?", fragte er. "Gegen meine dunkle Seite?", gab ich zurück und sah nach wie vor an ihm vorbei. "Eine Weile, ja. Aber nicht für immer. Ich kann diesen Kampf nicht gewinnen." "Kannst du... nicht.", Albus klang, als halte er das für vollkommen unmöglich. "Nein. Dieses Mal nicht. Denke ich.", sagte ich nachdenklich. "Denkst du?", da war wieder eine Spur Hoffnung in seinen Worten. "Jeder von uns hat eine dunkle und eine helle Seite. Es kommt nur darauf an, wie wir uns entscheiden. Ich zog lange meine dunkle meiner hellen Seite vor.", antwortete ich, ließ meine Hand sinken und biss mir auf die Lippe. "Allerdings kann sich so etwas im Laufe des Lebens natürlich ändern. Und ich glaube, es gäbe einen Weg. Einen Weg, meiner dunklen Seite klar zu machen, dass ihre Zeit unwiderruflich vorbei ist." Als ich die Worte aussprach, war da sofort wieder das von Hass durchtränkte Flüstern: Meine Zeit? Vorbei? Niemals! Du bist ohne mich nichts! Ich bin dein Atem! Du brauchst mich! Töte ihn!! Das konnte sie vergessen. Vergiss es! Niemals! Hast du es immer noch nicht verstanden? Ich brauche dich nicht, habe dich eigentlich nie gebraucht! Ich war nur so verzweifelt, dass ich in dir das einzig Richtige gesehen habe! Aber diese Zeit ist vorbei! Du wirst es niemals schaffen, ihn und mich zu trennen, weil du es niemals schaffen wirst, unsere Liebe zu zerreißen!! Auf meine Antwort hin schwieg sie wieder. Sehr gut. Tatsächlich schien ihr die Argumentation mit 'Liebe' am meisten die Worte zu nehmen. Sehr gut. "Welcher wäre das?", für einen winzigen Moment war es mir ein Rätsel, von was er sprach. Ah, ja. "Ich müsste sie reizen, sie bekommen lassen, was sie will; die Kontrolle. Nun, und wenn ich es dann schaffen würde, sie wieder zu vertreiben und das Licht zurückzuholen... Dann wäre es ein dauerhafter Sieg. Weil sie dann weiß, dass ich stark genug bin, um ihr auf Dauer zu widerstehen, egal, was sie tut.", während ich sprach, rechnete ich mit einem neuen Angriff, doch es blieb still in meinem Kopf. Die Heiligtümer seien gelobt! "Das... klingt gefährlich.", murmelte er. "Ist es auch.", stellte ich klar. Die Dunkelheit knurrte, ein tiefes Knurren, ihr Hass loderte in mir auf wie eine eiskalte Flamme. Na super. Da war er, der Angriff. Ich holte tief und zitternd Luft, versuchte sie zurückzudrängen, aber meine dunkle Seite war zu stark. Sie ließ sämtliches Licht in meiner Seele in schwarzem Nebel verblassen, sämtliche Worte. Vier blieben übrig.
Für.
Das.
Größere.
Wohl.
Nein! Nicht nochmal! Weiterhin in einem erbitterten Kampf mit mir selbst, hob ich den Elderstab, von der Finsternis verführt. Nein! Jedes bisschen meiner mentalen Stärke, das ich geben konnte, baute ich wie einen Wall auf. Wie jenen, mit dem ich meine Visionen abgehalten hatte. Nur stabiler. Hoffentlich. Aber ha, hatte ich ernsthaft geglaubt, damit meine dunkle Seite, den mächtigsten Teil meiner Selbst, zurückhalten zu können? Nein. Natürlich nicht. Der Wall zersplitterte wie Glasscherben, das Licht in meiner Seele flackerte und erstarb.
Nein.
Doch. Ich sagte dir doch, dass ich stärker bin. Damit riss sie die Kontrolle an sich und ich wusste nichts mehr.
Ganz langsam, so unendlich langsam, zog meine dunkle Seite sich wieder zurück. Der schwarze Nebel wurde grau, das Licht flackerte erneut. Dieses Mal aber, weil es wieder brannte. Ich blinzelte heftig. Was, bei den Heiligtümern, mochte passiert sein? Vorsichtig wagte ich einen prüfenden Rundumblick.
Und konnte gerade so noch ein entsetztes Keuchen unterdrücken.
Albus lag, mit geschlossenen Augen, vor mir am Boden. Etliche, blutige Schrammen und Kratzer zogen sich über seine Wangen. "Nein!", stieß ich erstickt hervor, ließ mich neben ihm auf die Knie fallen und strich ihm behutsam die rot-braunen, blutigen Haare aus dem Gesicht. "Was habe ich nur getan?" Mühsam schluckte ich meine Tränen hinunter. "Wach auf.", flüsterte ich tonlos. "Bitte. Verlass mich nicht. Nicht du. Bitte, wach auf." Ein Zittern durchlief mich, ich lehnte meine Stirn gegen seine. Seine wunderschönen, blauen Augen blieben geschlossen. Meine Kontrolle schwankte, ich bemühte mich nicht, sie festzuhalten. Mit einem Seufzen richtete ich mich halb auf, legte seinen Kopf in meinen Schoß und küsste ihn zärtlich auf die Lippen, meine Tränen tropften auf sein Gesicht. Es war mir egal.
Denn das hier war der endgültige Beweis für etwas, das ich vermutete, seit ich das größere Wohl hinter mir gelassen hatte:
Ich war ein Monster.
Ein fehlgeschlagener Versuch, ein wertloser Mensch.
Meine Eltern hatten Recht gehabt.
Ich wünschte, du wärst tot! Dann würde es allen auf der Welt besser gehen!, gellte der Schrei meiner Mutter durch meine Gedanken. Jaja. Sie hatte mich gehasst - zurecht. Einmal hatte mein Vater mich ein 'verachtenswertes Monster' genannt. Jaaaah. Wie Recht er damit doch gehabt hatte. Wie Recht.
Ein Beschluss nahm in meinem Kopf Gestalt an: Ich würde an Albus' Seite warten, bis er wieder wach war. Dann würde ich gehen. Fort. Weit fort. Ganz weit.
Ich war zu gefährlich.
Für ihn.
Für Melissa.
Und, wie meine Eltern immer gesagt hatten:
Für alle.
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Only once more || Grindeldore FF
FanfictionDON'T LIKE IT, DON'T READ IT! GrindelwaldxDumbledore FanFiction | Deutsch | German NOCH NICHT ÜBERARBEITET... (Enthält Blut, Tod, Gewalt und eindeutig angedeutete sexuelle Handlungen.) ~"Ich habe vierzig verdammte Jahre auf dich gewartet! Nenn mir e...