14. Kapitel (Gellert): Schatten ohne Licht

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Albus blinzelte. Mehrmals. Ich seufzte, rief mit einem Schnippen des Elderstabs eine blau-weiße Flamme herbei und spielt ein bisschen mit ihr. “Ich glaube, ich habe dich schwer entwaffnet.”, stellte ich dann fest, den Blick nach wie vor unverwandt auf die Protego-Diabolica-Flamme gerichtet. “Hast du. Hast du, Gellert. Sag: Meinst du es ehrlich so, wie du es gerade gesagt hast?”, er legte fragend den Kopf schräg. Darauf lächelte ich, ließ die Flamme erlischen und heftete meine zweifarbigen Augen auf seine blauen.
Bei den Heiligtümern, dieses Blau…
Für einen Moment vergaß ich, was ich erwidern wollte. Doch nur einen Atemzug später hatte ich mich wieder gefangen. “Natürlich, Albus. Aber nun, das ist nicht das, worauf ich hinauswill. Sag es mir, Albus. Sag es mir. Wo ist die wahre Grenze zwischen Gut und Böse? Was ist der wahre Unterschied zwischen Licht und Schatten?”, die letzten beiden Sätze flüsterte ich nur, machte einen (zugegeben sehr gewagten) Schritt auf ihn zu, legte die Hand an seine Wange und neigte mich zu ihm, so dicht, dass er meinen Atem spürte und unsere Lippen nur noch Millimeter voneinander entfernt waren.
Er starrte mich an wie einen Verrückten, wich aber nicht zurück. Sanft strich ich ihm eine Haarsträhne zurück. “Die Grenze ist verschwimmend. Es kommt immer auf die persönliche Einstellung an, nicht wahr? Du erinnerst dich an meine hochgeschätzte Grauzone? Zauber, die von anderen ‘schwarzmagisch’ genannt werden, die ich allerdings völlig akzeptabel finde? Was würdest du sagen… Gehört ‘Crucio’ auch dazu?” “Nein. Tut es nicht!”, die Wut in seiner Stimme überraschte mich ehrlich gesagt ein klein wenig. “Nicht.”, wiederholte ich gedehnt. “Soso. Aber ich belasse es dabei. Vorerst. Aber ich werde darauf zurückkommen, verlass dich drauf.” Kurz sagte er nichts, dann fragte er: “Warum musstest du sie töten? Warum musstest du… Warum musstest du das tun?” “Warum musste ich was tun?”, fragte ich zurück und folgte seinem Blick.
Das Blut gerann in roten Seen auf dem weißen Marmorboden des britischen Ministeriums. “Das!”, erwiderte Albus, seine Worte zitterten. “Warum musstest du ihr Blut vergießen wie Wasser? Warum? Warum, Gellert? Warum?” Auf diese Frage hin ließ ich meinen Blick für einige Sekunden über die roten Seen, Flecken und Sprenkel schweifen, über die Leichen, die am Boden lagen.
Nichts rührte sich in meiner Seele, nicht der Hauch eines schlechten Gewissens.
“Weil ich es kann.”, antwortete ich dann und sah ihn wieder an. Kalt. So kalt. Kontrolle. Sie war das einzig Richtige.
Dunkelheit. Sie war das einzig Wahre.
“Weil du es kannst?! Ist das dein Ernst? Deine Begründung?”, er klang so entsetzt, dass es mir, in einer anderen Situation, das Herz zerrissen hätte. Aber so? Nein, es schmerzte nicht. Mit einem spöttischen Lächeln sah ich auf ihn hinab. “Ja. Das ist mein Ernst und meine Begründung.” “Du bist wahnsinnig.”, flüsterte er und schloss kurz die Augen. “Du bist wahnsinnig. Vollkommen wahnsinnig.” Darauf ließ ich ein weiteres Mal mein kaltes, wahnsinniges Lachen hören. “Ach ja? Bin ich das? Und wenn ich dem widerspreche? Was dann? Widersprichst du mir dann? Wirst du, Al-Liebster? Ich sage es dir: Natürlich. Die Frage ist aber nicht, ob du es tust, sondern inwiefern. Denn, Liebster, ich weiß, dass du immer noch an mir hängst. Nicht wahr?”
Seine Antwort fiel überraschend hart auch: “Du doch auch!”
Nun lachte ich ein weiteres Mal. Kalt. Klar. Wahnsinnig.
“Ach, Albus. Ich liebe es, wenn du mich meine Fragen wiederholen lässt. Also frage ich dich ein zweites Mal: Woher willst du eigentlich wissen, ob irgendwas von dem stimmt, was ich dir erzählt habe? Woher?” Ein schmerzliches Lächeln zuckte um seine Lippen. “Ich weiß es nicht. Ich…”, fast unhörbar beendete er den Satz: “Ich hoffe es.” Hoffen. Dieses Wort… Ehrlich gesagt hatte ich es schon aufgegeben. Hoffen, pah! Was brachte hoffen? Nichts. Das einzige, das etwas brachte, waren Taten.
Ich starrte Albus mit erhobenem Kopf an. Wie er da so stand, die blauen Augen trüb, aber weiterhin mit diesem Funken…
Hass.
Schwarz und kalt wallte er auf, meine Hand schloss sich um den Elderstab. “Crucio!”, zischte ich genüsslich, rollte voller Genugtuung das R. Mit einem schrecklichen Schmerzensschrei brach er am Boden zusammen. Ha! Gelassen schnippte ich den Elderstab, woraufhin sich die blauen Flammen aus dem Boden erhoben. Sie leckten über den (ehemals) weißen Marmor, verbrannten das Blut zischend zu schwarzer Asche. Es war ein Dämonfeuer. Nichts konnte es ersticken.
Ich liebte sie.
Diese Macht.
Diese Größe.
Und selbst der Tod würde sich eines Tages vor mir verneigen. Eines der Heiligtümer hatte ich schon. Fehlten nur noch zwei. Von meinem Charisma und meiner Kälte umwallt, nahm ich den Cruciatus-Fluch von Albus herunter und sah mit einem eisigen Lächeln auf ihn hinab.
Er richtete sich auf, schneller, als ich es ihm zugetraut hätte, zog den Zauberstab und erwiderte meinen Blick. Schwer atmend, am Ende seiner Kräfte, aber entschlossen. Und diese Entschlossenheit… Könnte sie-? Nein, Gellert. So darfst du nicht denken. Nichts und niemand auf dieser Welt war in der Lage, mich aufzuhalten.
“Ob mit dir oder ohne dich, ich brenne ihre Welt nieder. Es gibt nichts, was du tun kannst, um mich aufzuhlten, Albus.” ich flüsterte die Worte nur, gab meiner Stimme aber diesen ganz bestimmten Unterton. “Ich würde dir raten, zu gehen. Geh und genieße dein Leben. Solange du es noch kannst. Ich werde es dir zur Hölle machen. Und nun geh!” “Du wirst nicht gewinnen.”, antwortete er rau. “Du kannst nicht gewinnen. Wo Licht ist, ist auch Schatten. Aber Schatten existiert nicht ohne Licht. Und du solltest dir bewusst sein: Du kannst das Licht nicht zum Erlöschen bringen. Helligkeit siegt auf Dauer immer über die Finsternis.” Darauf lächelte ich, ließ die blauen Flammen erlischen und seufzte. “Das glaubst auch wirklich nur du. Was ist der Unterschied zwischen Schatten und Licht? Wer definiert das? Denk darüber nach. Bald werde ich eine Antwort von dir… verlangen.” Mit diesen Worten wandte ich mich von ihm ab und disapparierte.
Schatten und Licht. Wie konnte er sich anmaßen, zu wissen, was Finsternis und was Licht war? Das konnte er nicht. Ein Plan nahm Gestalt an.
Albus glaubte, er hätte mich bis zu einem gewissen Grad unter Kontrolle.
Aber das stimmte nicht.
Und genau das würde ich ihm zeigen. Denn niemand außer mir selbst hatte die Kontrolle.

Only once more || Grindeldore FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt