16. Kapitel (Gellert): Das größere Wohl

347 28 15
                                    

“Grindelwald! Grindelwald! Grindelwald! Grindelwald!”, meine eintausend Anhänger schrien meinen Namen wie eine Stimme. Ich lächelte, schloss kurz die Augen und zog den Atem ein, ließ mich von ihrer Euphorie umwallen. Es spielte keine Rolle mehr, was Albus von mir dachte oder auch nicht dachte. Hinter mir standen soviele mehr, als er sich vorstellen konnte.
“Meine Schwestern. Meine Brüder. Seht euch an, ihr seid so zahlreich erschienen. Mein Stolz ist euch sicher. Auch ihr könnt stolz auf euch sein. Die Macht ist unser. Fast. Denn jemand steht uns im Weg. Ihr wisst, wer.”, an dieser Stelle machte ich eine Pause.
Vinda sah mich fragend an, ich nickte leicht.
Da hob sie den Zauberstab, brannte mein Zeichen in den grauen Himmel über Nurmengard und rief: “Die Muggel!” Sofort wurde ihr Ruf aufgegriffen. “Abschaum! Nieder mit ihnen! Sie sollen sterben! Die Muggel! Tod den Muggeln! Wir werden herrschen!”, die aufgepeitschten Emotionen meiner Anhänger trafen mein Gespür wie Wellen, aber ich zuckte mit keiner Wimper.
Hass.
Zorn.
Größenwahn.
Arroganz.
Ehrgeiz.
Abscheu.
Mordlust.
Ein feines Lächeln legte sich auf meine Lippen. Ja, das waren die Emotionen, die völlig unterschätzt wurden und doch wichtig waren. “Hört her, meine Schwestern und Brüder”, fuhr ich gebieterisch fort “werdet ihr an meiner Seite sein, wenn wir den Kampf gegen diese arroganten Tiere aufnehmen? Ich frage euch, seid ihr bereit euer Blut für das größere Wohl aller Zauberer, der ganzen magischen Welt, zu vergießen?
Ich frage euch, seid ihr bereit, einen Krieg zu führen, wie es ihn noch nie zuvor in unserer Welt gab und geben wird? Seid ihr bereit, alles für das größere Wohl zu geben?
Ich frage euch, seid ihr bereit, eure Zauberstäbe zu erheben, euch im Sinne des Größeren zu opfern, wenn ihr müsst? Seid ihr bereit, das Blut Tausender zu vergießen?
Ich frage euch, wollt ihr Freiheit?
Ich frage euch, wollt ihr Frieden?
Ich frage euch, wollt ihr Macht?
Ich frage euch, wollt ihr Größe?
Ich frage euch, wollt ihr, dass die Zauberer sich über die Muggel erheben?
Ich frage euch, wollt ihr, dass wir die Freiheit haben, wir selbst zu sein?
Ich frage euch, wollt ihr, dass die Zauberer ihre Magie frei ausleben können?
Ich frage euch, ist es nicht so, dass wir, dass die ganze Welt der Zauberei, etwas Neues braucht?
Ich frage euch, ist es nicht so, dass die alten Sitten, die alten Bestimmungen, die alten Gesetze, die alten Regeln, ausgedient haben?
Ich frage euch, ist es nicht Zeit für eine Veränderung?
Ich frage euch, ist es nicht Zeit für eine Zeitenwende?
Ich frage euch… werdet ihr als meine Gefährten in den Kampf ziehen?”
Kurze Stille.
Dann brach der Jubel los. Mein Lächeln vertiefte sich, ich flüsterte fast lautlos: “Die Welt wird unsere Stimme hören. Und sie wird ohrenbetäubend sein.”
Im gleichen Moment zerriss eine Vision das Bild vor meinen Augen.
Oh komm schon. Ausgerechnet jetzt.
Gereizt schüttelte ich den Kopf und verdrängte sie in den abgelegensten und hintersten Winkel meiner Gedanken. Gleich. Nicht jetzt. Gleich. “Tragt die Botschaft in die Welt hinaus: Wir wollen keine Gewalt. Wir wollen Freiheit.”, ich blickte mit erhobenem Kopf auf meine Anhänger. Mit einigen letzten Jubelschreien und in die Luft gebrannten Zeichen disapparierten sie. Grimmson, Carrow und Vinda waren noch da. “Geht.”, während ich sprach, wandte ich den Kopf ab. “Geht. Jetzt.” Vinda blinzelte, setzte zu einer Erwiderung an, besann sich dann aber eines Besseren und disapparierte ebenfalls, Grimmson und Carrow taten es ihr nach.
Kurz sah ich ihnen nach, ließ mein Gespür prüfen, ob sie alle weg waren.
Ja.
Gut. “Dann komm.”, murmelte ich, strich mir die helle Haarsträhne aus der Stirn und seufzte. “Wenn du denn musst.” Theoretisch (und praktisch) machte es überhaupt keinen Sinn mit meinen Visionen zu reden, aber ich tat es trotzdem. Zwar hatte ich mich an meine Visionen in den vergangenen Jahren gewöhnt, dennoch kamen sie manchmal in den unpassendsten Momenten. Egal. Jetzt konnte es ja losgehen. Mit einem Seufzen schloss ich blinzelnd die Augen und wartete auf die Bilder der Vision.
Der Elderstab.
Blut.
Nacht.
Roran Starling.
Auroren.
Meine Anhänger.
Albus.
Muggel.
Zauber, die umherflogen.
Wie interessant. Bereits am Überlegen, was das alles bedeuten konnte, schlug ich die Augen wieder auf und betrachtete nachdenklich Nurmengards schwarze Dächer. Wie interessant. Roran Jake Starling war Travers’ Stellvertreter und Nachfolger. Leise lächelnd schüttelte ich den Kopf und richtete den Blick zärtlich auf den Elderstab. “Mein erstes Heiligtum.”, flüsterte ich. “Bald werden die anderen wieder bei dir sein.” Tatsächlich hegte ich nicht den geringsten Zweifel daran, in nicht allzu ferner Zeit alle drei Heiligtümer des Todes zu vereinen.
Nun wurde es aber Zeit.
Schließlich waren heute die Muggel-Wahlen.
Viele Muggel an einem Ort.
Perfekt für mich und meine Anhänger.
Ich disapparierte. Nach London.
Ah ja. Meine Anhänger waren brav gewesen und hatten sich unter die Muggel gemischt. “Vinda.”, murmelte ich und wandte mich um. Wunderbar, da war sie. “Ja?”, fragte sie.
“Denk an das Signal. Wenn wir hier loslegen, soll von diesem Ort”, ich deutete mit einem Schnippen des Elderstabs auf die umliegenden Gebäude der Muggel “nichts als Schutt und Asche übrig bleiben. Und von den Muggeln will ich nichts anderes mehr sehen als Blut.” “Natürlich.”, sie senkte respektvoll den Blick und verschmolz wieder mit den Schatten.
In aller Seelenruhe trat ich in die Mitte der Muggel. Dreihundert, vierhundert, fünfhundert, schätzte ich. Es würde der Beginn meines - unseres - Krieges gegen diese Tiere sein.
Jetzt.
Ich fing Vindas Blick aus der Finsternis heraus auf und nickte leicht. Das war das Signal. Sofort standen meine Anhänger neben mir. Es ging los. Schimmernde Zauber flogen, Blut floss über den Boden, Flammen knisterten. Dämonfeuer. Hervorragend. Mit einem einzigen Zucken des Elderstabs hatte ich zwanzig Muggel getötet, die nun zusammenbrachen, ihr Blut rann wie scharlachroter Regen über das Kopfsteinpflaster. Zauber um Zauber, Flamme um Flamme, Blutstropfen um Blutstropfen, arbeiteten wir uns vor. Ein kleiner Ringzauber meinerseits verhinderte, dass die Muggel fortliefen. “Crucio!”, der Muggel vor Carrow kreischte auf und ging tot zu Boden. “Gut gemacht.”, sagte ich leise und schenkte ihm ein eisiges Lächeln. Er blinzelte, nickte und wandte sich um, um mit dem Blutbad weiterzumachen. Fünf Minuten später war jeder einzelne Muggel tot und lag in einer Blutlache am Boden. Sehr schön. Ich sammelte meine Anhänger um mich und starrte dann betont nachdenklich auf eine der Leichen herab. “Mhm.”, verkündete ich. “Tot sehen sie schon entfernt menschlich aus, nicht wahr?” Lachen erscholl. “Aber nur entfernt!”, Vinda nickte und sah sich beifallheischend um. “Sehr entfernt.”, fuhr ich gedehnt fort. “Wirklich sehr entfernt.” Von meinen tausend Anhängern hagelte es Zustimmung. Kurz ließ ich sie gewähren, dann gebot ich ihnen mit erhobener Hand, zu schweigen. Sofort war es still. Langsam hob ich den Elderstab und brannte genüsslich mein Zeichen in den Himmel. “Meine Brüder und meine Schwestern. Der Krieg gegen die Muggel hat begonnen. Wir werden ihre Fesseln abschütteln!”
Eine weitere Welle der Begeisterung war die Antwort meiner Anhänger. Darauf lächelte ich leicht, verharrte dann aber.
Hass.
Auroren. Das Ministerium. Starling. Und… Albus?!
“Grindelwald! Zauberstab fallen lassen!”
Gelassen drehte ich mich um und sah Roran Starling kalt an. “Sonst was?”
“Sonst bringe ich dich um, Grindelwald.”
Es gab nur eine einzige Person, die es wagte, mich zu duzen.
Nur eine.
Albus Dumbledore.

Only once more || Grindeldore FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt