53. Kapitel (Albus): Kälte

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"Was jetzt?" Vor fünf Minuten war Melissa wieder nach Hogwarts disappariert und sagte nun zum ersten Mal etwas. Ihre Stimme war nur ein Flüstern. "Nun, hier bleiben können wir jedenfalls nicht.", erwiderte ich sachlich. Bei meinen Worten grinste Gellert leicht. "Und was willst du stattdessen tun, Darling? In die Wildnis ziehen? Oder etwa zu deinem Bruder?" Nein. Weder das eine noch das andere. "Nein.", antwortete ich und sah ihn an. "Aber soweit ich mich erinnere, ist das auch nicht von Nöten." "Selbstverständlich nicht. Wozu gibt es Nurmengard?", er grinste wieder. Melissa schien für einen Moment ihre Trauer zu vergessen. "Bist du verrückt?", fragte sie mich. Ich schüttelte den Kopf. "Wieso? Das Ministerium sucht uns eh schon. Und Nurmengard ist der einzige Ort, an dem sie uns nicht finden können." "Mhm.", nachdenklich strich sie sich durch die langen Wimpern. "Könntest Recht haben. Ihr verschanzt euch also in Nurmengard und ich tu einfach mal so, als hätte ich nichts damit zu tun, dass Gellert Grindelwald und Albus Dumbledore unauffindbar sind, nicht wahr?" Darauf schenkte Gellert ihr ein umwerfendes Lächeln. "Es wäre großartig, wenn du das tun würdest.", sagte er. Sie seufzte. "Vielleicht hätt ich doch einfach in der Muggelwelt bleiben sollen.", murmelte sie. "Echt jetzt?", ich blinzelte. Da grinste sie mich so frech an, wie es sonst nur Gellert tat. "Natürlich nicht. Ein bisschen Action ist immer gut. Ich mach's. Ich mache brav so, als wäre ich total harmlos und in Wahrheit überbringe ich euch jede Information, die ich kriege. Ja... Und dann?" Jetzt sahen sowohl Melissa als auch ich zu Gellert. Er verengte die verschiedenfarbigen Augen zu Schlitzen und gab zurück: "Coral Everdal ist die neue Leiterin der Abteilung für magische Strafverfolgung. Sie war Travers' größte Bewunderin und fand folglich auch Starlings Kurs gut. Sagen wir mal so, Al: Sie hasst dich. Weil Starling dich gehasst hat, weil Travers dich gehasst hat." Na super. Woher er das schon wieder wusste, wollte ich mir gar nicht vorstellen. "Toll. Hab ich schonmal erwähnt, dass ich es hasse, das Ministerium zum Feind zu haben?", ich biss die Zähne zusammen. "Nein. Aber jetzt weiß ich es. Mach dir keine Sorgen. Du hast ja mich.", stellte er klar. "Jetzt ja.", erwiderte ich leise und sah ihn an. "Aber du weißt genauso gut wie ich, dass das nicht immer so war." Für einen Moment verzog er schmerzlich die Lippen, schluckte und nickte kurz. "Ich weiß.", entgegnete er schlicht. Einige Sekunden lang sah er mich an, ich las das stumme Flehen um Vergebung aus seinem Blick. Immer., dachte ich und blinzelte mehrmals. Natürlich hatte er diese wortlose Erwiderung verstanden und fuhr fort, als wäre nichts geschehen. "Also, was sagt ihr? Machen wir es so?" "Das ist ja wohl hoffentlich ein schlechter Witz. Was soll die Frage?! Klar machen wir's so!", gab Melissa sofort zurück. "Bin auch einverstanden. Denn in meiner Situation wäre es lebensmüde, etwas anderes zu sagen.", pflichtete ich ihr bei. "Gut. Dann... Rückzug nach Nurmengard.", Gellert trat in unsere Mitte und zog den Elderstab. "Höchste Konzentration.", teilte er uns mit, senkte den Kopf und schloss die Augen. Dann spaltete sich der Raum. Lautlos. Aber mit der Energie von hunderten Dämonen. Und in diesem Moment wurde mir klar, warum Gellerts Patronus mächtig genug gewesen war um den Dämon zu verwirren. Weil Gellert es war. Weil seine Magie es war.
Weil er der Meister der Heiligtümer des Todes war. Nein. Weil er es war. Stark genug. Selbst ohne die Heiligtümer an seiner Seite.

Vier Tage später...

"Melissa! Lauf!", Sam wirbelte keuchend herum, Blut rann ihm über die Wange, er wehrte einen Todesfluch ab. Sie stand da und stieß Joseph Greengrass zurück. "Niemals!", fauchte sie und schrie auf, als einer der Auroren ihren Rücken aufschnitt. "Doch! Lissa, bitte!", zitternd rang er nach Atem, apparierte und stand nun Rücken an Rücken mit ihr. "Geh." "Nein!", rief sie trotzig, obwohl sie jedesmal vor Schmerz das Gesicht verzog, wenn sie ihren Zauberstab bewegte. Da wandte er sich zu ihr um, musterte sie und hauchte: "Ich liebe dich." Sie blinzelte, plötzlich standen Tränen in ihren Augen. "Ich liebe dich auch.", flüsterte sie. Sam lächelte und strich sich das platinblonde, blutverklebte Haar aus der Stirn. "Bitte. Geh. Jetzt. Sie würden uns beide töten.", während er sprach, schlitzte er einem Auror die Seite auf. "Das darf nicht sein. Geh, Lissa. Ich flehe dich an. Sag es Albus. Sie dürfen ihn und Gellert nicht kriegen." Sie schluckte, nickte und sagte: "Noch nicht. Bitte. Lass es uns versuchen." Er atmete tief durch. "Okay." Blitze flogen hin und her, Blut spritzte auf das grüne Gras. Nach wenigen Sekunden fiel Sam auf die Knie, nach Atem ringend, sein Blut floss stetig auf den Boden. Zitternd hob er den Zauberstab und ließ einen Auror zusammenbrechen, der im Begriff war, Melissa mit dem Todesfluch zu belegen. "Lissa.", stieß er kraftlos hervor, der Zauberstab entglitt seinen Fingern. "Geh. Bitte." Mit einer raschen Zauberstabbewegung erschuf Melissa ein Schutzschild und kniete sich vor ihn. "Ja. Ich gehe." Damit küsste sie ihn. Ganz kurz nur. Dann stand sie wieder auf und disapparierte. Sam holte tief und bebend Luft, hob seinen Zauberstab wieder auf und ließ das Schutzschild vergehen. Kurz standen alle fünfundzwanzig Auroren reglos da, bevor sie sich wie ein Sturm auf ihn stürzten. Es blitzte mehrmals. Rot, orange, dann... grün.
Ein hohes Kreischen.
Ein grelles Aufblitzen.
Die Auroren zogen sich zurück.
Sam lag am Boden, den Zauberstab noch immer in der Hand. Seine grauen Augen waren leer wie ein alter, blinder Spiegel. Blut rann von seiner Wange und tropfte hinab.

Only once more || Grindeldore FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt