26. Kapitel (Gellert): Vision, Erinnerung oder Realität?

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12.7.1899

Grinsend blickte ich Albus an, er erwiderte meinen Blick, die Augen vor Schreck geweitet. “Gellert! Musst du mich immer so erschrecken?” Weiterhin umspielte ein leichtes Grinsen meine Lippen, ich neigte den Kopf, sprang auf den Boden und antwortete: “Ja. Es ist meine Spezialität. Außerdem…”, ich ließ den Satz unvollendet und trat dichter zu ihm. “Außerdem was? Liebst du die Gefahr? Du weißt, dass mein Bruder dich achtkantig rauswirft, wenn er dich hier erwischt.”, er seufzte. “Jepp. Solange er dich nicht umbringt.”, gab ich zurück. Eine Mischung aus Entsetzen und Zuneigung flackerte in seinen blauen Augen auf. "Das ist wahnsinnig.", murmelte er. Daraufhin lächelte ich leicht. "Für dich immer.", flüsterte ich sanft und verringerte den Abstand zwischen uns um weitere fünf Zentimeter, worauf Albus vor mir an die Wand zurückwich. Ich kannte dieses Spielchen. Es war seine Art, mich zu testen. Ohne mich also weiter beeindrucken zu lassen, machte ich einen letzten Schritt auf ihn zu, zwischen uns hätte gerade noch ein Blatt Papier gepasst. Wenn überhaupt. Sein Blick irrte umher, verharrte für einen Moment an meinen Lippen, ehe er sich in meinen verfing. "Gellert.", seine Stimme war nicht mehr als ein heiseres Flüstern. "Albus.", erwiderte ich rau und legte die Hand an seine Wange. Als ich den Kopf schräg legte, die Arme um seine Schultern schlang und ihn näher zu mir zog, stieß er den Atem aus. Einen Moment lang wartete ich noch, gab ihm die Zeit, sich mir zu entziehen. Doch als er es nicht tat, legte ich meine Lippen auf seine. Er keuchte leise auf, seine Hände wanderten in meine Haare, er wickelte sich sanft eine meiner Strähnen um die Finger. Vorsichtig biss ich ihn auf die Unterlippe, er schnappte nach Luft, wich aber nicht zurück. Irgendwie landeten wir auf seinem Bett, küssten uns im Liegen weiter, bis er sich schließlich außer Atem hochstemmte. Einige Sekunden lang blickte ich nur zu ihm hoch, dann blinzelte er. "Oh.", sagte er. "Was?", fragte ich. Für einen Moment lang zögerte er. "Gellert... Ich... Ich liege auf dir." "Na und?", ich grinste schelmisch und zog ihn zu mir herab, sodass er meinen Atem spüren konnte. "Bin ich denn so schrecklich unbequem?" Ein Hauch Rot schlich sich auf seine Wangen. "Nein." "Wunderbar.", murmelte ich und küsste ihn erneut.

15.9.1934

Ich konnte den Hass, der in mir brannte, wie eine Flamme spüren. Der Elderstab in meiner rechten Hand zitterte vor unterdrückter Wut. “Sei. Still.”, knurrte ich und starrte Albus verächtlich an. “Du denkst ernsthaft, du hast mir irgendetwas entgegenzusetzen? Ha! Nach Jahren, nach Jahren traust du dich endlich aus deinem sicheren Häuschen und kommst mir gleich mit einem solchen Armutsbezeugnis? Nicht dein Ernst. Und ich dachte noch, du wärst wenigestens noch ansatzweise auf meinem Niveau. Aber naja. So ist das eben. Dein Niveau senkte sich, meines hob sich. Das ist Schicksal, Darling. Oder willst du mir jetzt etwa sagen, dass es so aussieht, als würdest du als Sieger aus dieser Begegnung hervorgehen?”, ich grinste herablassend. Darauf sah er mich sprachlos an. “Ich behaupte nicht, den Sieg davonzutragen, Gellert.”, antwortete er dann leise. “Aber du solltest wissen, dass es zu deinem eigenen Nachteil ist, wenn du mich umbringst.” “So?”, ich zog die rechte Augenbraue hoch. “Ist es das?” “Absolut. Denn weißt du, was Travers am liebsten mit dir machen würde?”, ein Funke Herausforderung glänzte nun in seinen blauen Augen. “Ob ich das weiß?”, wiederholte ich. “Ob ich das weiß? Natürlich weiß ich das!”, ich lachte. “Er will mich umbringen, mich foltern, mich ausbluten sehen. Er will sehen, wie das Licht in meinen Augen vergeht, er will sehen, wie mein Wille bricht. Aber… das wird er nie. Weil mein Wille nicht zu brechen ist.”, die letzten beiden Sätze flüsterte ich nur. “Das denkst auch nur du, oder?”, jetzt war Albus’ Stimme hart vor Verachtung. Ich verdrehte die Augen und schnippte den Elderstab, woraufhin sich einige blaue Flammen aus dem Boden hinter mir erhoben. Züngelnd umspielten sie mich, gaben mir ein gewisses übernatürliches Flair. “Nein. Ich denke es nicht. Ich weiß es. Im Gegensatz zu dir. Travers kam zu dir, vor ungefähr drei Wochen, nicht wahr? Und natürlich hat er deinen Willen gebrochen. Denn wie sonst könntest du mich so verraten?”, in meinen Worten lag nichts außer blanke Abscheu. “Verraten? Oh nein, Gellert. Nicht ich habe dich verraten. Sondern du mich. Das weißt du ganz genau.” Ach? Tat ich das? Nein. “Du vergisst etwas.”, murmelte ich und trat zu ihm. Und dann näherte ich meine Lippen seinem Ohr und flüsterte: “Greatness comes to cost, darling.”

12.5.1928

“Das Obscurial wurde auf meinen Befehl hin getötet, Mr Graves.”, Seraphina Piquerys Augen musterten mich aufmerksam. Ich verzog die Lippen zu einem Lächeln. “Ja. Und diese Entscheidung wird wahrlich in die Geschichte eingehen, Madam President.” Sie starrte mich an, ihre Gesichtszüge erstarrten zu Eis. “Was hier und jetzt getan wurde, ist nicht richtig.” “Er war verantwortlich für den Tod eines No-Majs! Er hat unsere ganze Gesellschaft in Gefahr gebracht! Er hat Gesetze gebrochen, die uns allen heilig sind!” Heilig? Ha! “Ein Gesetz, wegen dem wir wie Ratten in der Gosse leben! Ein Gesetz, das uns zwingt, unsere wahre Natur zu verbergen! Ein Gesetz, hinter dem wir uns verstecken, nur weil wir Angst haben, entdeckt werden zu müssen! Und ich frage Sie, Madam President, ich frage Sie alle: Wen beschützt dieses Gesetz wirklich? Uns? Oder”, ein bitteres Lächeln zuckte um meine Mundwinkel “sie? Ich werde mich dem nicht länger untewerfen.” Damit wandte ich ihr und den Auroren den Rücken zu. “Auroren, erleichtern Sie Mr Graves um seinen Zauberstab.”, ihre Stimme war ruhig und bestimmt. Ah ja. Hervorragend. Es konnte losgehen. Blitzschnell drehte ich mich wieder zu ihr um. Es war einfach. Zu einfach. Jeden einzelnen ihrer Zauber wehrte ich ab, sandte sie an die Auroren zurück. Doch plötzlich… Tja. Das hatte ich jetzt wirklich nicht kommen sehen. Ausnahmsweise. Aber gut. “Revelio.” Achso. Schon klar. Meine Tarnung war aufgeflogen. Egal. Ein Grinsen im Gesicht starrte ich Seraphina Piquery an. “Denken Sie, Sie können mich aufhalten?”, flüsterte ich. “Wir werden unser Bestes tun, Mr Grindelwald.”, erwiderte sie. Fast hätte ich gelacht. Was bildete die sich eigentlich ein? Zwei Auroren nahmen mich in ihre Mitte. Mein Blick irrte umher und schließlich fand ich seine blauen Augen. “Sterben wir nicht alle ein wenig?”, fragte ich leise. Er blinzelte. Ich lächelte spöttisch. Getan was getan werden sollte. Bald würde es weitergehen.

Only once more || Grindeldore FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt