"Das... klingt gefährlich.", murmelte ich. "Ist es auch.", stellte Gellert klar. Nur Sekunden, nachdem er diese Worte ausgesprochen hatte, verdunkelten sich seine Augen, er blinzelte mehrmals. Oh-oh. Aber bevor ich auch nur meinen Zauberstab zücken konnte, hob er den Elderstab und sah mich an. Für einen Moment flackerte etwas Warmes in seinem Blick auf. Doch dann kam die Kälte zurück, jede Andeutung von Wärme verschwand. Der Ausdruck in seinen zweifarbigen Augen war der Gleiche, wie ich ihn vor ungefähr vier Monaten das letzte Mal gesehen hatte. Und davor für neununddreißig Jahre. Kalt, arrogant, entschlossen und vor allem eins: Wahnsinnig. Oh-oh. Jedoch im gleichen Moment, in welchem ich mich meinen Zauberstab zückte, fuhr der Elderstab hernieder und schon zog sich ein tiefer Schnitt über meine linke Wange. Ich sog vor Schmerz scharf den Atem ein. Die Dunkelheit hatte gewonnen. Mir war klar, dass er sich vermutlich verzweifelt gewehrt hatte, sie aber die Kontrolle trotzdem übernommen hatte. Ein zweiter Schnitt ließ mich zusammenzucken. Blinzelnd wehrte ich den nächsten Zauber ab (es war Diffindo, nahm ich an), allerdings ohne zu kontern. Denn ich wollte ihm keinesfalls wehtun. Der dritte Schnitt. Allerdings dieses Mal an meiner Hand. Und zwar an der, mit der ich den Zauberstab hielt. Mir blieb keine andere Wahl, als ihn fallen zu lassen. Der Schnitt war zu tief, schmerzte zu sehr. Noch viel mehr schmerzte aber das triumphierende Funkeln in seinen Augen. Whoa. Im nächsten Moment zog ich den Kopf zur Seite, sonst hätte mir dieser Zauber nicht ein paar Haare abgesäbelt, sondern mir gleich die Kehle augeschlitzt. Naja, und lieber an einer Stelle die Haare einen halben Zentimeter kürzer als zu verbluten. Ein weiterer Schnitt auf meiner linken Wange ließ mich die Zähne zusammenbeißen vor Schmerz. Das war bisher definitiv einer der tiefsten. Plötzlich ging alles ganz schnell: Wie ein Schatten riss Gellert mich mit einem Schnippen des Elderstabes zu Boden, ein rotes Aufblitzen und alles wurde dunkel.
Etwas Nasses landete auf meinem Gesicht und rann zu Boden. Ich wagte es nicht, zu blinzeln, geschweige denn, normal zu atmen. Nein, ich tat weiterhin so, als wäre ich bewusstlos.
Noch etwas Nasses.
Am liebsten hätte ich die Augen geöffnet und nachgesehen, was eigentlich los war. Das tat ich aber nicht. Sicher war sicher. Vielleicht, überlegte ich, regnete es ja. In einem Zimmer, Albus?, widersprach mir sogleich meine innere Stimme, die ich in den letzten Wochen sooft verflucht hatte. Mhm. Vermutlich hatte sie Recht. In einem Zimmer regnete es nun wirklich nicht. Aber... möglicherweise war das Dach undicht. Es hatte einen Dachschaden, ha-ha. Nicht lustig. Albus, vor genau zwei Tagen hat es geregnet und nichts hat getropft. Das kann's also nicht sein., tadelte die Stimme mich. Würde ich nicht so tun, als wäre ich ohnmächtig, würde ich jetzt die Schultern zucken. Denn wahrscheinlich hatte sie Recht. Aber was war es dann?
Noch etwas Nasses.
So langsam wurde ich wirklich neugierig. Neeein, bremste ich mich, das durfte ich jetzt nicht tun. Ich musste schön brav weiter so tun, als wäre ich noch nicht wieder bei Sinnen. Also gut. Fast hätte ich geseufzt, verbot es mir aber in allerletzter Sekunde. Katastrophe um Millimeter abgewendet. "Bitte. Komm zurück. Sieh mich an, Al! Wobei nein... das wäre eine denkbar suboptimale Idee. Aber bitte, wach auf! Ich wollte dir nicht wehtun, weißt du?"
Gellert.
Ich erkannte seine Stimme.
Er klang ein bisschen seltsam. Fast so, als ob... als ob er weinte.
Noch etwas Nasses.
Da wurde es mir klar.
Es waren keine Regentropfen, nein.
Es waren Tränen.
Seine Tränen.
Die er weinte, weil die Dunkelheit sich wieder zurückgezogen hatte und ihm klar geworden war, was er da überhaupt getan hatte. Sollte ich... blinzeln? Schwierige Frage. Mir war klar, dass ich das Ganze abwägen musste. Wenn ich nicht blinzelte, bestand die Möglichkeit, dass er irgendwann entweder ging oder einen Nervenzusammenbruch bekam, wobei ich Letzteres ehrlich gesagt für wahrscheinlicher hielt.
Wenn ich blinzelte, bestand allerdings das Risiko, dass die Dunkelheit sofort ein Comeback hinlegte und ich innerhalb weniger Sekunden tot wäre, vermutlich schneller, als ich 'Hogwarts' sagen konnte. Nein, es war wirklich nicht einfach. Denk nicht lang drüber nach sondern beeil dich!, ließ sich die Stimme vernehmen. Innerlich verdrehte ich die Augen. Jaaaaha. Nach kurzem Zögern entschied ich mich für die zweite Option. Ich blinzelte einige Male, richtete mich zur gleichen Zeit auf und schloss blitzschnell die Finger um meinen Zauberstab, der praktischerweise neben mir lag. Anschließend wandte ich Gellert den Kopf zu, auch wenn ich an die Wand hinter ihm starrte. Er kniete vor mir am Boden, die Spuren der Tränen glitzerten auf seinen Wangen, seine Augen waren verschleiert. In der Sekunde, in der er mich schweigend musterte, stellte ich fest, dass jeder meiner Schnitte verheilt war.
Magie. Natürlich.
Als er nach zwanzig Sekunden immer noch nichts gesagt hatte, wurde es mir unheimlich. So unauffällig wie möglich veränderte ich meine Position so, dass meine Zauberstabhand genug Bewegungsfreiheit hatte, um jederzeit einen heranfliegenden Zauber abzuwehren. Mhm. Wobei es eigentlich fraglich war, ob ich das auf eine Entfernung von zehn Zentimetern hinbekam. Egal. Es ging ums Prinzip. Mittlerweile war es eine Minute her, dass ich geblinzelt hatte, und er sagte immer noch nichts. Jetzt wurde es mir wirklich unheimlich. "Was ist?", fragte ich schließlich langsam. "Hat's dir die Sprache verschlagen?" "Nein.", Gellert schüttelte sachte den Kopf und wischte sich die Tränenspuren von den Wangen, seine Augen ruhten auf meinem erhobenen Zauberstab. Ein schwer zu deutender Ausdruck huschte über sein Gesicht. Aber er sagte nichts. Es war wirklich unheimlich.
Zu gerne würde ich ihn durchschütteln, damit er wenigstens irgendwas sagte und wenn es nur 'Hör auf' wäre. Den Blick immer noch auf die Wand gerichtet musterte ich ihn, ohne ihn direkt anzusehen. Er hatte die Lippen so fest aufeinandergepresst, dass sie nur ein Strich waren, seine Augen blickten ins Leere, seine Schultern hoben und senkten sich bei jedem Atemzug, so heftig rang er nach Luft. "Ich werde gehen.", verkündete er plötzlich. "Was? Wohin?", wollte ich wissen. Für einen Moment zuckte ein seltsames Lächeln um seine Mundwinkel. "Weg.", antwortete er kurz. Als ich jedoch fragend die Augenbrauen hochzog, fuhr er, genauso ausdruckslos wie zuvor, fort: "Dorthin, wohin du mir nicht folgen wirst und kannst." "Bitte was wirst du tun?", ich war mir ganz sicher, dass er etwas anderes gesagt hatte, als ich verstanden hatte. "Ich gehe fort. Weit weg, Al. So weit, dass niemand mir folgen kann. Weil nur ich weiß, wohin ich gehe." Okay, ich hatte ihn doch richtig verstanden. Nicht gut. Gar nicht gut. Überhaupt nicht gut. "Aber... warum?", hakte ich nach. Darauf lachte Gellert auf. So bitter, wie ich noch nie jemanden hatte lachen hören. "Ist das dein Ernst?", fragte er dann. "Nachdem ich dir das angetan habe?", er deutete mit einem Kopfnicken auf das Blut, das in Flecken auf dem Boden gerann.
Mein Blut.
"Ich habe mir wochenlang eingeredet, ich hätte die Kontrolle. Habe ich aber nicht. Werde ich nie haben, Liebling. Es ist besser, wenn ich weg bin, glaube mir. Ich bin zu gefährlich für dich. Ich bringe dich nur in Gefahr." Damit stand er auf, zog den Elderstab. Oh nein. Blitzschnell tat ich es ihm nach und hielt ihn am Handgelenk fest. Er schien förmlich zu gefrieren. "Lass mich los, Al.", sagte er leise. "Lass mich gehen. Bitte." "Nein, werde ich nicht.", ich schluckte. "Doch, wirst du. Al, zwing mich nicht, Magie einzusetzen.", warnte er mich, den Kopf gesenkt, den Blick starr zu Boden gerichtet. Darauf zuckte ich zusammen, ließ ihn aber dennoch nicht los. "Du würdest mir wirklich wehtun?", flüsterte ich. Zitternd atmete er aus. "Ich will es nicht tun, das kannst du mir glauben. Aber ich werde es, wenn du mich nicht loslässt. Lass. Mich. Los. Albus." Ich schluckte erneut. "Geh.", presste ich hervor und zog meine Hand zurück. Zu meiner Irritation blieb er, disapparierte nicht, auch wenn er einen Schritt von mir wegtat. "Geh!", fauchte ich. "Verschwinde! Verschwinde, Gellert! Los, geh! Und... Und komm nie wieder zurück." Auf diese Worte hin schluchzte er erstickt auf. "Begreifst du es nicht?", seine Stimme war heiser. "Ich will nicht gehen. Aber ich muss." "Das sagen alle.", murmelte ich bitter.
Seine Tränen waren Antwort genug.
Merlin, war das absurd.
Wir standen da, eineinhalb Meter voneinander entfernt und weinten beide.
Es war absurd.
Ich wollte wirklich nichts lieber zu tun, als die Entfernung zwischen uns zu überwinden, ihn an mich zu ziehen, den Kopf an seiner Schulter zu vegraben und seinen Duft nach Lavendel und Pfefferminze einzuatmen, bis mir schwindelig davon wurde und ich nicht mehr wusste, wo oben und unten war.
Aber ich tat es nicht.
Warum auch immer.
"Jetzt hau schon ab!", knurrte ich und wischte mir halb wütend, halb traurig die Tränen weg. "Ich kann nicht.", flüsterte er. "Ach? Auf einmal? Wo du mir doch gerade noch gesagt hast, du würdest auch Magie einsetzen, nur damit ich dich loslasse!?", gab ich zurück. Vor Enttäuschung, Wut, Verzweiflung und Trauer (gefährliches Gefühlschaos, ich weiß) zitternd, wandte ich ihm den Rücken zu. Er blieb, wo er war. "Gellert, wenn du nicht auf der Stelle verschwindest, sorge ich dafür, dass du's tust!!", fuhr ich ihn an. "Versuch es doch.", antwortete Gellert müde. Halbherzig zog ich den Zauberstab und drehte mich wieder zu ihm um. Kaum, dass ich das getan hatte, begegnete ich seinen zweifarbigen Augen. Anders als ich erwartete, sah er nicht weg. Nein, er blickte mich an.
Schweigend und reglos erwiderte ich seinen Blick. Nur Sekunden waren nötig, um mich darin zu verlieren. Mühsam trennte ich meinen Blick wieder von seinem und blinzelte mehrmals.
Seine Augen flackerten.
Aber dieses Mal war es nicht die Dunkelheit, die sie flackern ließ. Sondern die unbändige Trauer, die ungezügelte Verzweiflung. Absolut zeitgleich schlossen wir die Lücke zwischen uns, er zog mich zu sich, ich tat es ihm nach.
"Gellert...", meine Stimme war nur ein tonloses Flüstern. "Es..."
"Nein, mon amour. Ist schon in Ordnung.", er schüttelte kaum merklich den Kopf. Dann brachte er wieder etwas Abstand zwischen uns und küsste mich. So sanft, so vorsichtig, als hätte er Angst, mir noch einmal wehzutun. Was ja auch vermutlich so war - er hatte Angst. Genauso vorsichtig erwiderte ich den Kuss.
Es war das letzte Mal, wurde mir klar.
Das letzte Mal.
Für immer?
Bitte nicht.
Mit einem Seufzen löste er sich von mir. "Geh.", hauchte ich. "Geh." "Tue ich.", sagte er und strich behutsam meine Tränen weg. Er wich von mir zurück, schenkte mir ein letztes Lächeln und disapparierte. Ich schluckte heftig und schloss die Augen, um das letzte Bild von ihm festzuhalten. "Geh. Aber komm zurück.", setzte ich fast lautlos hinzu. Warum überhaupt? Mich hören, geschweige denn mir antworten, konnte er sowieso nicht. Nachdenklich blinzelte ich, musterte einen einzelnen Sonnenstrahl, der durch das Fenster fiel. "Komm zurück. Irgendwann. Bitte.", meine Worte waren noch leiser als zuvor.
Immer.
Erschrocken riss ich die Augen auf.
Bei Merlins linkem Schuh!
Dann erinnerte ich mich.
'Ich werde immer bei dir sein. Im Flüstern des Windes, im Glänzen der Sonne.'
Und da konnte ich nicht anders, als zu lächeln.
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Only once more || Grindeldore FF
FanfictionDON'T LIKE IT, DON'T READ IT! GrindelwaldxDumbledore FanFiction | Deutsch | German NOCH NICHT ÜBERARBEITET... (Enthält Blut, Tod, Gewalt und eindeutig angedeutete sexuelle Handlungen.) ~"Ich habe vierzig verdammte Jahre auf dich gewartet! Nenn mir e...