74. Kapitel (Gellert): Zeit

132 8 32
                                    

Zeit. 
Wir brauchten Zeit. 
Wir brauchten das einzige, was wir nicht hatten. 
Den Kopf gesenkt stützte ich mich mit beiden Armen an der Fensterbank vor mir ab und schloss die Augen. 
Zeit. 
Wir brauchten sie. 
Aber wie, bei den gewaltigen Heiligtümern des Todes?! 
Wie? 
Vermutlich würden Coral Everdals Dämonen bald hier in Nurmengard aufkreuzen. Was für eine Ironie., dachte ich und lächelte bitter. Ja, was für eine Ironie. Denn ich hatte Nurmengard als mein Schloss erbaut, mit den stärksten Schutzzaubern gesichert, die es gab. Tha. Allerdings half nicht einer gegen Dämonen. Nicht einer. In meinem Zorn rief ich erneut die Schatten herbei. Dunkle Wesen, geboren aus der Mischung meiner dunklen Seite mit der Macht der Heiligtümer. Sie unterstanden bedingungslos meinem Befehl. Mein Wort war für sie Gesetz. "Geht.", sagte ich leise, ohne den Blick von dem Fenster abzuwenden. "Geht, bewacht Nurmengard. Gebt mir Meldung, wenn auch nur der Wirbel eines Dämons auftaucht." Zustimmendes Fauchen und Knurren, dann sprachen sie mit einer Stimme. So rau und tief wie die Täler der Alpen. "Natürlich, Eldarí." Zur Antwort nickte ich kurz und spürte, wie sie sich entfernten. Als sie fort waren, seufzte ich tief. Acht Dämonen hatte Coral Everdal letztes Mal geschickt, ich hatte sie überlebt. Jedoch nur um ein Haar. Von Albus und Melissa mal abgesehen, die nicht einmal die Konfrontation mit einem einzigen Dämon lebend überstehen würden. Egal. Entschlossen biss ich die Zähne zusammen. Verdammt nochmal, ich war immer noch Gellert Grindelwald! Der größte Schwarzmagier seit vierhundert Jahren! Ich war immer noch der Meister des Todes! Außerdem hatte ich bereits schon einmal einen Dämon getötet. Das konnte... würde... musste ich wiederholen. 
Ich würde es tun.
Jetzt finster entschlossen disapparierte ich in Nurmengards Innenhof, warf herausfordernd den Kopf hoch und flüsterte: "I'm ready for war." Für einige Sekunden ließ ich die Kälte durch meine Gedanken fließen, dann fuhr ich fort: "Symiri." Blau-weiße Flammen erhoben sich aus dem Boden. Ich hob den Elderstab, woraufhin sich das Dämonfeuer in einem Ring um Nurmengard verteilte. "Was bei Merlins Bart tust du da?!", rief Albus aus dem Irgendwo. "Sie will Krieg? Soll sie ihn haben! I'm ready for war!", gab ich zurück, schloss die Augen und genoss die Dunkelheit in meiner Seele. "Wieso Krieg?", seine Stimme klang nun schon sehr viel näher. Ich blinzelte und ohne mich zu ihm umzudrehen sagte ich: "Weil sie es will. Sie hat heute ihre Kriegserklärung abgeliefert." "Aber... wie?", nun stand er direkt hinter mir. "Sie hat Obliviate benutzt. Deshalb.", erwiderte ich leise, wandte mich nun doch zu Albus um. "Sieh mich an.", fuhr ich bedrohlich sanft fort. "Es ist Blut auf dem Boden, also mache dich bereit für mehr. Coral Everdal hat mir den Krieg erklärt und ich werde sie ausbluten lassen. Sie wird mich um Gnade anflehen, die ich ihr nicht geben werde." Darauf wandte er den Blick ab. "Das ist wahnsinnig.", murmelte er. "Kann sein. Aber nicht wahnsinniger, als das, was sie tut.", antwortete ich kalt, hob sein Kinn an und zwang ihn, mir in die Augen zu blicken. "Sieh. Mich. An. Ich habe dir gesagt, dass ich auf dunklen Pfaden wandeln werde, um Coral Everdal zu töten.", ich ließ jedes bisschen meiner Dunkelheit in meine Stimme fließen, so, wie ich es in den vergangen neununddreißig Jahren sooft getan hatte. "Ja, aber... Warum so?" Auf seine Frage hin verdrehte ich die Augen. "Al, so ist das nunmal. Ich weiß ja nicht, wie viel Erfahrung du mit deiner dunklen Seite hast, aber ich kenne meine lange und gut genug. Die Schatten patrouillieren um Nurmengard herum, zusätzlich zu 'Protego Diabolica', welches ebenfalls Wache hält. Zwar wird es die Dämonen nicht verbrennen, doch ich werde es spüren, sollten sie versuchen, mein Dämonfeuer zu durchqueren. Mal abgesehen davon spüre ich so oder so, wenn sich eines dieser... Wesen nähert.", ich ließ ihn los und brachte wieder etwas Abstand zwischen uns. "Dämonfeuer gegen Dämonen?", fragte er. "Der Name ist irreführend.", stellte ich, vollkommen gelassen, klar. "Das Dämonfeuer wurde nie von den Dämonen erschaffen. Es ist das Werk der dunklen Magie selbst, als sie begann sich zu sträuben und sich zu verselbstständigen. Es gibt zwei Arten von Dämonfeuer. Einmal das 'normale', mit orange-roten Flammen, das einfach alles verbrennt. Und einmal Protego Diabolica, mit blau-weißen Flammen, das nur jene beziehungsweise das verbrennt, was nicht zu seinem Herren steht." "Ach-so.", antwortete er langsam. "Und warum nennst du Protego Diabolica die ganze Zeit 'Symiri'?" "Das", ich musterte die Flammen und registrierte einen der Schatten in einigen Metern Entfernung "ist Runensprache. Übersetzt heißt es Lehrlinge oder Schüler." Albus' Gesicht war ein einziges Fragezeichen. "Du nennst ein Feuer Lehrlinge?", hakte er nach und sah mich an, als hätte ich nicht mehr alle Zauberstabkerne beisammen. "Warum nicht?", ich zuckte die Schultern. "Protego Diabolica ist... Es ist ein Zauber, wie ich keinen anderen kenne. Es ist ein Zauber, wie sich kein anderer anfühlt. Es ist ein Zauber, der wie kein anderer klingt." "Dein Lieblingszauber also.", fasste er zusammen und blickte mich kurz fragend an, ehe er rasch wieder wegsah.
"Lieblingszauber.", wiederholte ich langsam und schüttelte dann sachte den Kopf. Noch bevor ich ihm meine Antwort gab, legte ich sanft eine Hand an seine Wange und sah ihn an. Nach kurzem Zögern hielt er meinem Blick stand, auch wenn ich wusste, dass er bereit war, jederzeit wieder wegzusehen. "Protego Diabolica ist nicht mein Lieblingszauber, mon amour. Es ist mehr als das. Ich weiß nicht, wie ich es nennen soll. Seelenzauber? Also erstens klingt das ziemlich seltsam und zweitens reicht es immer noch nicht aus." Schweigend nickte er, doch schließlich fragte er plötzlich: "Glaubst du, du kannst's?" "Was denn?", ich zog eine Augenbraue hoch. Sekundenlang biss er sich auf die Lippe, schien zu überlegen, wie er mir das am besten sagte. "Dich nicht... verführen lassen. Von... Von deiner... dunklen Seite.", sagte er dann zögernd. Ich verstand. "Oh, Al.", murmelte ich zärtlich. "Natürlich. Ich mag meine dunkle Seite für den Moment zu mir gerufen haben, ich mag sie gerade benutzen, aber das heißt nicht, dass ich wieder zur Dunkelheit werde. Ja, ich werde sie benutzen und auch brauchen, um eine Chance gegen die Dämonen zu haben. Allerdings werde ich sie nicht an das Licht meiner Seele heranlassen. Keine Sorge, Liebling. Ich habe nicht vor, noch einmal ein Schwarzmagier zu werden und das größere Wohl zu verfolgen." "Auch nicht -?", er beendete seine Frage nicht. "Nein. Und erstrecht nicht, dich zu verraten. Wie kommst du denn darauf?", blinzelnd erwiderte ich seinen Blick. "Weiß nicht.", er zuckte die Schultern und sah weg. Liebevoll strich ich ihm eine verirrte Strähne zurück, lehnte meine Stirn an seine und fuhr flüsternd fort: "Coral Everdal wird versuchen uns zu töten. Dich, Melissa und mich. Aber das wird ihr nicht gelingen, sofern wir es verhindern." "Sie schickt Dämonen.", Albus seufzte. "Wie sollen wir da irgendwas verhindern? Du kannst da noch was ausrichten, aber Lissa und ich? Nie im Leben." "Du sagst es richtig. Ich kann noch etwas ausrichten. Weil ich der Meister des Todes bin. Aber ihr genauso. Nichts ist verloren." "Aber wir werden sterben!", rief er. "Und das nur weil... weil es... es ist... wegen mir. Sam ist wegen mir gestorben und wenn das nicht passiert wäre, dann... Dann wäre Coral Everdal niemals Leiterin der Abteilung für magische Strafverfolgung geworden. Wenn sie es nicht geworden wäre, dann wären jetzt auch keine Dämonen da. Es ist wegen mir. Das hier. Das alles. Meinetwegen." "Deinetwegen.", wiederholte ich fast lautlos, ließ aber an meiner Stimme nicht erkennen, ob ich ihm zustimmen oder widersprechen würde. Mit vor Angst großen Augen sah er mich an, wartete ab, wie ich reagieren würde. Nach endlosen Sekunden sagte ich: "Du vergisst etwas." "Was denn?", er blinzelte mehrmals und schluckte. "Sam ist nicht wegen dir gestorben. Er ist für uns beide gestorben. Er ist gestorben, weil er Melissa die Möglichkeit zu fliehen gegeben hat, damit sie uns sagen konnte, wo die Auroren waren.", ich sprach gerade laut genug, damit er mich hörte, ließ zeitgleich mein Gespür an den Rändern meines Bewusstseins verharren, damit mir nicht einmal die Andeutung eines Dämons entging. "Stimmt.", gab er zu. "Aber die Auroren waren nur wegen Starling so auf das Töten gedrillt gewesen.", hielt er gegen. "Sie wollten Rache dafür, dass sie ihn einem Dämon opfern 'mussten'. Starling hat dazu bestimmt den Befehl gegeben." "Korrekt. Starling. Nicht du.", stellte ich fest. Daraufhin seufzte er noch einmal. "Gellert, hör auf. Es ist wegen mir. Ja, du hast quasi damit angefangen, in dem du getan hast, was du getan hast. Aber das heißt nicht, dass ich mich vom Ministerium so leicht hätte durchschauen lassen müssen! Hab ich aber weil... Weil ich nicht glauben konnte, dass allen Ernstes das Ministerium mir ans Leben will und das nur, weil ich dich liebe! Weil..."
"-weil du mich dazu gebracht hast, mit dem größeren Wohl aufzuhören. Theoretisch war zu erwarten, dass sie dir auf Knien danken.", beendete ich seine Aussage. "Dem ersten Satz stimm ich noch zu. Der zweite... naja.", murmelte er und betrachtete die blau-weißen Flammen. "Stimmt doch.", antwortete ich ehrlich, legte den Kopf schräg und sah ihn an. Wortlos zuckte er die Schultern. "Wenn du meinst.", sagte er. Nach kurzem Zögern fuhr er fort: "Nur... Trotzdem. Es war nicht zu erwarten, ja. Dennoch hätte ich besser aufpassen müssen. Dann wäre Sam nie gestorben." "Al.", ich schüttelte energisch den Kopf und hielt seinen Blick mit meinem fest. "Wenn du nicht sofort still bist, kann ich für nichts garantieren!" "Aber es stimmt!", protestierte er. "Sei einfach still!", knurrte ich, zog ihn abrupt zu mir, sodass er meinen Atem spürte, und küsste ihn. "So.", setzte ich hinzu, als ich mich von ihm löste. "Bist du jetzt ruhig?" Albus' blaue Augen flackerten leicht. "Vielleicht. Wenn du mich nochmal küsst, könnte ich drüber nachdenken." 
"Das ist Erpressung.", warf ich ihm vor. Er grinste ein ganz kleines bisschen. "Natürlich." "Kein. Kommentar.", sagte ich kurz. Unsere Lippen trafen sich noch ein weiteres Mal. Und bei den Heiligtümern! Es war... Ohne Worte. "Ha!", erscholl plötzlich Melissas Stimme aus Nurmengard. Widerstrebend machte Albus sich von mir los und lehnte den Kopf an meine Brust. "Was ist?", fragte ich, als sie herangestürmt kam. Ihre dunkelgrünen Augen blitzten, sie sah aus, als wollte sie einen Mord begehen. Aber so sah sie, seit Sam tot war, sowieso dauerhaft aus. "Coral Everdal ist eine abscheuliche, verachtenswerte, kleine Schl-... Lügnerin. Und ich bin dahintergekommen!", zufrieden mit sich und der Welt grinste sie und lehnte sich an die Mauer. "Wieso?", Albus wandte ihr den Blick zu. Sie grinste immer noch. "Ihr erinnert euch, dass ich euch mal erzählt habe, dass meine einzige Freundin in Hogwarts von meinem Bruder geradezu besessen war. Zumindest später. Am Anfang natürlich nicht. Meine Freundin hieß Irena Flary. Braune Haare, gewellt, hellblaue Augen. So. Und jetzt Coral Everdal. Kupferrote Haare, gewellt, eisblaue Augen. Sie war in Ravenclaw, genau wie meine damalige Freundin. Außerdem ist sie genauso alt wie ich, genau wie meine damalige Freundin." "Weiter?", ich blinzelte sie an. "Nachdem ich auf Hogwarts fertig war, ging ich in die Muggelwelt und meine Freundschaft mit Irena war sowieso schon ein halbes Jahr vorbei. Weil sie meinen Bruder vergöttert hat. Nun habe ich folgendes rausgefunden: Irena Flary ist Coral Irina Everdal!" "Was?!", Albus riss den Kopf hoch und starrte sie an. Ich legte einen Arm um seine Schultern und zog ihn in seine vorige Position zurück. 
"Wie?", hakte ich nach. 
Melissa begann: "Das Ministerium ist ziemlich dumm. Bevor sie mich diesen drei Dämon-Monstern da opferten, bestellte Coral Everdal mich zum Verhör in ihr Büro. Währenddessen hat sie plötzlich ein Auror rausgerufen. Ich hab die Gelegenheit genutzt und mir ein paar der Papiere von auf und in ihrem Schreibtisch eingesteckt. Die waren so dumm, dass sie mich vor der Opferung nicht durchsucht haben. Deppen. Egal. Gut für mich. Gerade hab ich mir also diese Unterlagen genauer angesehen. Und auf drei von diesen Blättern steht, zusammengefasst, folgendes: Coral Everdals Geburtsname ist Irena Flary, sie hat ihn umgeändert und außerdem einige Zauber vorgenommen, die ihre Augen- und Haarfarbe verändert haben. Das alles hat sie bestimmt getan, damit sie meinem Bruder auffällt. Pech für sie, dass Roran nie Interesse am Verlieben hatte. Dem waren Macht und Karriere viel zu wichtig für irgendwelches Geflirte oder sowas in der Art." 
"Und inzwischen hasst Irena Flary beziehungsweise Coral Everdal dich?", ich zog eine Augenbraue hoch und strich Albus zärtlich durch die Haare. "Jepp.", Melissa nickte und zuckte gleichgültig die Schultern. "Abgesehen davon hat sie noch ihr Gesicht verändern lassen. Eitles Flittchen.", sie schnaubte voller Verachtung. "Gut gemacht.", ich sah zu den Schatten. "Hervorragende Arbeit, Melissa." "Danke. Ich bin, ehrlich gesagt, auch ziemlich stolz auf mich.", gab sie zu und grinste noch mehr. Ja, das Gefühl kannte ich nur zu gut.
Eldarí!, fauchte plötzlich das Dämonfeuer. Velir santis myrem! - Meister, sie sind da! Zeitgleich meldeten die Schatten: "Meister! Die Dämonen sind da!" Und in der absolut selben Sekunde ließ die pure Schwarzmagie mein Gespür in Flammen stehen vor Schmerz. Mit einem scharfen Atemzug ließ ich Albus los und zog mich von ihm zurück. "Was ist?", er sah mich erschrocken an, Melissa genauso. Zitternd atmete ich aus und zog den Elderstab, riss mein Gespür zu mir. "Sie sind da. Die Dämonen sind da!", flüsterte ich. "Was?!", blitzschnell schloss Melissa die Finger um ihren Zauberstab. "Und jetzt?" Auch Albus, der seinen Zauberstab nun ebenfalls erhoben hatte, blickte mich an. Ich warf den Kopf hoch. "Jetzt fließt Blut. Silber-blaues. Rotes nur, wenn es nicht zu vermeiden ist." 
"Gellert!", Albus' blaue Augen bohrten sich in meine. "Weißt du, wie viele es sind?" "Ja.", ich biss mir so fest auf die Lippe, dass ich mein Blut schmeckte. "Weiß ich." "Wie viele?", fragte er heiser. Bevor ich antwortete, schloss ich die Augen. "Zwölf. Zwölf Dämonen." "Was? Zwölf? Aber...", Melissa versagte die Stimme. "Wie sollen wir das überleben?", setzte sie erstickt hinzu. "Wie?", wiederholte ich mit einem leeren Lächeln. "Indem wir kämpfen!" "Kämpfen?", Albus lachte, als wäre das ein sehr lustiges Wort. "Ja, Liebster. Kämpfen!", entschlossen verengte ich die Augen. Die Schatten und Protego Diabolica wichen zurück. "Bleibt bei mir.", flüsterte ich. "Alle." Die Heiligtümer verließen ihren Platz neben Nurmengards Turm und schwebten an meine Seite. Die Luft um sie herum zitterte leicht. Ja. Sie waren... aufgeregt. Denn sie spürten die Dämonen. Sie spürten, dass nun jene Wesen kamen, für deren Bekämpfung sie erschaffen worden waren. Aus der Magie des Todes. "Symiri. Valir ellechem hantćham.", ließ ich das Dämonfeuer wissen. - Lehrlinge. Seid bereit zu kämpfen. Fynvryr, eldarí., zischten die Flammen und griffen wispernd nach den Dämonen, obwohl diese Nurmengards Schutzzauber noch gar nicht durchbrochen hatten. - Immer, Meister. Es waren zwölf Dämonen, die nun zu erkennen waren. Genau, wie mein Gespür es mir gesagt hatte. Groß, schwarz, mit roten Augen. Fast wie die Schatten, die sich gerade hinter mir versammelten. Aber mit dem Unterschied, dass die Schatten dunkelgrau waren, die Dämonen dagegen tiefschwarz. 
Zwölf Dämonen. 
Wie riesenhafte Hunde kamen sie, die Zähne gebleckt, ihre Klauen schabten mit einem Kratzen, das ich bis hierher hörte, über die Felsen. Ansonsten war es still. Nur der Wind fuhr mit einem Seufzen durch die Schluchten. "Wenn ich's nicht von dir besser wüsste", flüsterte Albus "würd ich sagen, dass sich so der Tod anhört." Ich schenkte ihm ein schiefes Grinsen. "Dafür ist das hier zu laut. Der Tod ist viel leiser." In dem Moment, da der erste Dämon an Nurmengards Schutzzaubern ankam, glühten diese golden auf, weiße Schlieren trieben darüber. Sie hielten. Noch. Sie hielten die Dämonen zurück, solange sie konnten. 
Es knackte, ein winziger, dunkler Riss erschien in der goldenen Schicht. 
"Na super. So wollte ich schon immer sterben.", murmelte Melissa und seufzte. "Nein, eigentlich nicht.", fügte sie dann hinzu. "Wieso? Wie wolltest du denn eigentlich sterben?", fragte ich, ohne meinen Blick von den Dämonen abzuwenden. "Ach ja", sie seufzte noch einmal "eigentlich hab ich mir vorgestellt irgendwann als 90-Jährige in einem hübschen Haus mit Veranda zu wohnen, wo ein Schaukelstuhl draufsteht. In dem wär ich dann gern friedlich eingeschlafen. Allerdings... wenn ich mir diese Kollegen hier so ansehe", sie deutete mit einem Kopfnicken auf die Dämonen, die sich ungeduldig zusammendrängten "wird das wohl nichts." "Sehen wir mal. Vielleicht müssen wir heute noch nicht sterben. Ich bin optimistisch.", sagte ich. "Deinen Optimismus hätt ich gern. Wo hast du den denn immer her?", Albus starrte die Dämonen an, als wollte er sie mit seinen Blicken töten. Nachvollziehbar. Würde ich auch gerne. "Da fragst du mich was. Keine Ahnung", gab ich zu.
Ein weiteres Knacken ließ uns alle zusammenzucken. 
Ein Zittern lief durch die Luft.
Dann zerfielen die Schutzzauber in goldene Fetzen.
Ich seufzte abgrundtief und ignorierte die Dämonen, die sich, die roten Augen auf uns fixiert, weiter vor wagten. "Schade.", stellte ich fest. "Was 'schade'?!", Melissa klang ein bisschen durch den Wind. "Die Schutzzauber.", erklärte ich. "Das waren zweiunddreißig Jahre Arbeit! Sie so stark und widerstandsfähig zu bekommen. Naja. Wird schon wieder.", damit richtete ich den Elderstab auf den Dämon der mir am nächsten war und verpasste ihm einen Schnitt an der Flanke. Offenbar irritiert, das sein Opfer sich wehrte, blieb der stehen, sah mich an und bleckte mit einem Knurren die Zähne. "Wir sollten eventuell unsere Patroni rufen.", schlug Albus vor. "Kannst du Gedankenlesen? Das wollte ich auch gerade sagen", antwortete ich. "Expecto patronum!" Blau-silberne Funken spritzten, Silberfäden schwebten durch die Luft. Sie kamen.
Drei Patroni.
Zwei Phönixe, ein Fuchs.
Mein Phönix (er hatte längere Schwungfedern als Albus') stieß mit einem Schrei auf einen der Dämonen herab und ließ es silberne Fäden regnen. Fauchend riss der Dämon den Kopf hoch und schnappte nach meinem Patronus. Angespannt wartete ich, bis der Dämon sich noch ein bisschen mehr auf meinen Phönix konzentrierte. Da! Er wandte mir die Seite zu und schlug mit einer Pranke nach der silberhell leuchtenden Gestalt meines Patronus. "Avada Kedavra!", zischte ich. In dem Moment drehte der Dämon sich um. Doch... er kam nicht mehr zum Ausweichen. "Ha!", triumphierte Melissa als der Dämon tot zu Boden ging und sich in Rauch auflöste, der rasch verflog. "Nur noch elf!" "Nur noch ist gut!", knurrte ich und benutzte ein weiteres Mal 'Diffindo', um einen Dämon abzulenken, der andernfalls von hinten hätte kommen können. "Ihr müsst warten, bis eure Patroni die Dämonen abgelenkt haben. Dann könnt ihr sie erst umbringen. Ich denke, es ist egal ob mit Avada Kedavra oder etwas anderem. Hauptsache tot.", informierte ich Albus und Melissa und verfolgte, wie der Dämon, den ich mir gerade vorgenommen hatte, in meine Richtung rückte. "Was glaubst du, wie lange wirkt die Taktik mit den Patroni?", fragte Albus, ohne seinen Patronus, der gleich zwei Dämonen singend um die Köpfe kreiste, aus den Augen zu lassen. "Ein paar Minuten noch. Dann werden die Dämonen begreifen, dass - Diffindo!", ich schlitzte dem Dämon vor mir die Kehle auf. "Dass wir uns wehren. Wenn sie das erstmal merken, werden sie anfangen, unsere Patroni zu ignorieren.", beendete ich meinen Satz. Silber-blaues Blut lief über den Boden, zwischen die Pflastersteine. "Ich werde sehr viele Ratzeputz-Zauber brauchen.", ich zog die linke Augenbraue hoch. "Absolut!", pflichtete Melissa mir bei und zerfetzte einen Dämon (ebenfalls mit 'Diffindo') in viele kleine... Stückchen. "Alle Achtung!", ich warf einem weiteren Dämon (der wievielte war das jetzt?) einen Todesfluch über, der sein Ziel natürlich traf. "Seit wann bist du so grausam?" Sie lachte kalt. "Seit Sam tot ist, Gellert!", gab sie zurück. Zufrieden dass mein Gegner tot war, wandte ich mich um und rief meinen Patronus zu einem Dämon, der gerade im Begriff gewesen war, einem anderen zu helfen. Der zweite Dämon wurde gerade von Albus in hunderte von Seilen verpackt bis er aussah wie eine Raupe in einem sehr engen Kokon. Während mein Patronus dem Dämon um den Kopf flog und ihn rasend machte, beseitigte ich das schwarzmagische Wesen mit dem Todesfluch. "Sehr hübsch.", sagte ich zu Albus. "Der?", er deutete mit einem Schnippen des Zauberstabs auf den Dämon im Weihnachtsgeschenke-Stil. "Absolut, nicht?" "Definitiv. Fehlt nur noch...", ich zog ihm den Diffindo-Zauber einmal quer über den Hals. "So. Jetzt." 
"Sehr sorgfältig.", kommentierte Albus. 
"Immer doch.", ich grinste, als würden wir nicht gerade Gefahr laufen, alle zu sterben. Für einen kurzen Moment verhakte ich meinen Blick mit seinem, sagte ihm ohne Worte alles, worüber ich bisher geschwiegen hatte. Dann wandte ich mich zu dem nächsten Dämon um, der sofort begann vor mir auf- und abzutigern. "Wer bist du?", knurrte er. Das gab mir ein Flashback.

14.7.1901 
Wie ein Schatten war ich in das Zaubereiministerium eingebrochen. Hatte leise sämtliche Schutzzauber aus dem Gefecht gesetzt und stand nun, von mir gewollt natürlich, dem damaligen bulgarischen Zaubereiminister gegenüber. Einem Verwandten meiner Mutter. Sekundenlang starrte er mich an wie eine Erscheinung. Ich konnte das Entsetzen, die Verwirrung, die Panik aus seinen braunen Augen lesen. Der Elderstab war mein, ruhig und ohne Zittern lag er in meiner Hand, als ich ihn hob und direkt auf das Herz meines Gegenübers richtete. Mit vor Angst aufgerissenen Augen blickte er mich an. "Das hat noch nie jemand geschafft. Wie bist du durch unsere Schutzzauber gekommen?", flüsterte er rau, natürlich auf Bulgarisch. Ich lächelte. Ein kaltes, arrogantes Lächeln. Achtzehn Jahre war ich nun alt und hatte geschafft, was noch nie jemand in der gesamten Geschichte des bulgarischen Zaubereiministeriums geschafft hatte; ich war eingebrochen. Gelassen strich ich mir meine blonden Strähnen aus dem Gesicht bevor ich, ebenfalls in meiner Muttersprache, antwortete: "Indem ich sie zerbrach." Erschrocken sog Ivan Vacanović den Atem ein. "Aber... das ist... unmöglich!", stieß er heiser hervor. "Nein. Ist es nicht, wie Sie sehen.", gab ich zurück, senkte den Blick und spielte gelangweilt mit dem Elderstab.  
Verwirrt musterte der Zaubereiminister mich. "Wer bist du?", hauchte er. Da hob ich den Kopf wieder und sah ihn direkt an, meine zweifarbigen Augen trafen seine braunen, und lächelte mein eisigstes Lächeln. "Gellert Grindelwald." Dann ließ ich den Elderstab durch die Luft peitschen, es blitzte grün auf. Ein grelles Kreischen und Ivan Vacanović war tot.

Blinzelnd sah ich wieder den Dämon. "Wer ich bin?", wiederholte ich langsam. Knurrend funkelte der Dämon mich an. "Gellert Grindelwald." Wie auch in der Erinnerung zog ich den Elderstab durch die Luft. Der Dämon verging in schwarzem Rauch. Als ich mich anschließend umdrehte, gefror mir das Blut in den Adern. Jeweils vier Dämonen hatten sich Albus und Melissa vorgenommen und sie einekreist. Außerdem waren es auf einmal fünfzehn, nicht zwölf. Wo kamen die her? Die Patroni, die verzweifelt versuchten, die Dämonen abzulenken, scheiterten. Ich zögerte, spielte mit dem Elderstab. Mir war bewusst, dass mehrere Dämonen sich näherten, um mich ebenfalls zu umzingeln. Mit einem scharfen Atemzug rief ich die Heiligtümer an meine Seite. Dann senkte ich den Blick und starrte den Boden an.
Blau-silbernes Blut.
Kein rotes.
Natürlich.
Das war es. Entschlossen schob ich meinen rechten Ärmel hoch und zog mir den Elderstab über den Unterarm. Der Schnitt war lang und tief. Blut floss hervor, tropfte zu Boden. Witternd hoben die Dämonen die Köpfe und sahen mich an. Einer leckte sich die Lefzen. Ja, genau, Blut! Menschenblut!, dachte ich bitter. Der erste Dämon trat vor, blieb vor mir stehen und leckte die Blutstropfen vom Boden auf. Dann blickte er mich an, seine roten Augen trafen auf meine zweifarbigen. 'Ich werde sie ausbluten lassen.' Sie. Coral Everdal. Aber vielleicht musste auch gar nicht sie bluten. Ungeduldiges Knurren wurde unter den Dämonen laut. Mehr Blut. Sie wollten noch mehr. Also gut.
Ein weiterer Schnitt, fast hätte ich mir eine Arterie aufgeschlitzt. Noch während die Dämonen sich über mein Blut hermachten, schlitzte ich mehreren die Kehle auf. Die noch lebenden beachteten die toten nicht weiter. Ich zog mir einen dritten Schnitt, dieses Mal über die rechte Handfläche. Fünf weitere Dämonen mussten dran glauben. Aber es reichte nicht. Es war zu wenig Blut, um sie lange genug abzulenken. Nachdenklich musterte ich mein rechtes Handgelenk. Blut rann daran hinab, tropfte auf den Boden. Zu wenig, denn es kam aus meinen Venen. Es gab eine Chance, auch wenn es mich möglicherweise umbringen würde. "Diffindo!", zischte ich und setzte den Schnitt genau über meine Arterie. Schmerz. Doch ich biss nur die Zähne zusammen. Denn ha, der Zauber hatte getan, was er tun sollte. Er hatte meine Arterie aufgeschlitzt. In heißen Strömen floss das Blut zu Boden. Die noch übrigen sieben Dämonen fauchten vor Gier. Mit einem Schnippen des Elderstabes tötete ich vier. Die letzten drei hoben die Köpfe und sahen mich an. Reglos, jeden Muskel angespannt, erwiderte ich ihre Blicke. Dann blinzelten sie und wandten sich wieder meinem Blut zu.
Ja, ich merkte, dass ich viel davon verlor. Aber es war mir egal. Wenn ich verbluten müsste, um die Dämonen töten zu können, würde ich es tun. Für Melissa, aber insbesondere für Albus. Drei gezischte Todesflüche und es war vorbei. Den Blick ausdruckslos ins Leere ins Leere gerichtet stand ich da, bevor ich den Elderstab schnippte und meine Schnitte heilte. "Was hast du getan?", Albus fand offenbar seine Sprache wieder. Weiterhin ohne ihn anzusehen antwortete ich: "Das Nötige."
"Das ist Wahnsinn!", rief Melissa. Ich lächelte schwach. Zu mehr reichte meine Kraft nicht mehr aus.
Zuviel Blut hatte ich verloren.
"Egal. Jeder Wahnsinn ist gerecht, solange er Leben rettet. Eure Leben.", sagte ich. Dann schwand der letzte Rest meiner Kraft, ich brach zusammen, konnte nur noch drei Worte flüstern: "Eldarí therrem vynthyr." - Meister des Todes.

Only once more || Grindeldore FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt