27.5.1898
Gina lachte. Sie blieb stehen, drehte sich um und strahlte mich mit ihren hellblauen Augen an. "Fang mich doch!", kicherte sie. "Na warte!", drohte ich, war innerhalb von Sekunden hinter ihr, schlang die Arme um ihre Taille und zog sie hoch, sodass wir auf Augenhöhe waren. "Hab dich!", ich grinste. Sie kreischte vergnügt. "Oh nein! Der böse Drache hat mich! Gellert! Hilfe!" Darauf ließ ich sie los und tat, als käme ich gerade erst an. "Wo ist er? Wir werden ihn besiegen!", verkündete ich. Meine Schwester schenkte mir ein strahlendes Lächeln. "Er ist abgehauen, als er dich gesehen hat." "Feiges Biest!", knurrte ich. "Total. Aber ich hab ja auch den besten Bruder der Welt!", Gina lachte ein glockenhelles Kinderlachen. "Oh. Welche Ehre, vielen Dank!", entgegnete ich, halb belustigt, halb ernst. Gina musterte mich, das Lächeln verschwand von ihren zarten Gesichtszügen. "Was ist?", fragte ich und kniete mich vor sie, damit wir uns ohne Mühe in die Augen sehen konnten. "Daddy hat dir wehgemacht.", sagte sie leise und strich mir vorsichtig eine blutverklebte, blonde Strähne zurück. Ich schüttelte den Kopf. "Nur ein Kratzer, Gin." "Er hat dir trotzdem wehgemacht! Das ist nicht nett. Und Mum ist auch nicht nett. Sie schreit oft.", protestierte Gina. Zur Antwort zuckte ich nur die Schultern. "Sie mögen mich nicht.", antwortete ich schlicht. "Warum?", fragte Gina, ihre sonst hellen Augen waren plötzlich ungewohnt dunkel. Sie liebte mich genauso sehr, wie ich sie. "Vielleicht, weil ich nicht du bin.", erwiderte ich sanft. Die Wahrheit konnte ich ihr nicht sagen. Dazu war sie noch zu jung. Aber eines Tages, das versprach ich mir, eines Tages, wenn sie alt genug war, würde ich es ihr erzählen. "Das ist unfair.", murmelte meine Schwester und verzog unglücklich das Gesicht. "Weil zu mir sind sie doch auch lieb." "Du", ich schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln "bist ja auch was ganz Besonderes, Gin. Hab dich lieb." Da lächelte sie, das Strahlen kehrte in ihre Augen zurück. "Ich dich auch.", sie drückte mir einen Kuss auf die Wange. "Lass uns spielen!", quietschte sie übermütig. "Was denn?", ich sah sie erwartungsvoll an. "Mhmm.", Gina blinzelte und knabberte nachdenklich an einer blonden Locke. "Fliegen! Ich will fliegen! Bitte, Gellert!", sie riss die Augen auf und zeigte mir ihren besten Dackelblick, mit dem sie sogar schon unsere Eltern erweicht hatte - was eine meisterhafte Leistung war. "Gut. Komm her.", ich streckte die Arme aus, Gina kam zu mir und ich hielt sie fest. "Welcher Besen?", fragte ich und erhob mich. Sie quietschte vor Vergnügen und klammerte sich an mich. "Ein Silberpfeil 235.", sie lachte erneut ihr klares, helles Lachen. "Alles klar, liebste Schwester."
Und dann wirbelte ich sie im Kreis herum.
Mehrmals.
Es war eines ihrer Lieblingsspiele.
Danach saßen wir am Boden und Gina kicherte, weil mir schwindelig war, ihr aber nicht. "Du bist bestimmt immun dagegen.", behauptete ich und schüttelte heftig den Kopf, damit die Welt endlich aufhörte, sich zu drehen. "Warst du das nicht?", Gina kletterte neben mich und kuschelte sich an mich, ich legte einen Arm um sie. "Weiß nicht. Mum und Daddy haben nie mit mir 'Fliegen' gespielt.", antwortete ich ehrlich. "Komisch.", meine Schwester kaute wieder auf einer Strähne ihrer goldblonden Locken. "Muss ich das verstehen?", fragte sie dann. "Nein.", ich schüttelte den Kopf und ergänzte stumm: 'Nicht jetzt, Gina. Eines Tages wirst du es verstehen.' "Komm. Lass uns einen Walnussbaum suchen. Dort ist bestimmt ein Eichhörnchen nicht weit.", ich stand auf und zog sie hoch. "Oh ja!", Freude blitzte in ihrem hellblauen Blick auf. "Eichhörnchen sind so süß!" Da waren wir allerdings einer Meinung.
Gerade war der Walnussbaum in Sichtweite, da knackte es im Gebüsch. Ich zuckte zusammen, Gina blieb wie erstarrt stehen und wandte mir langsam den Kopf zu. Ihre Augen waren groß vor Angst. "Gellert?", flüsterte sie tonlos. "Was war das?" "Weiß nicht.", flüsterte ich zurück. Kurz lauschten wir noch, dann gingen wir weiter. Doch nach drei Metern knackte es erneut, dieses Mal lauter. Bei den Heiligtümern! Vorsichtig sandte ich mein Gespür aus.
Menschen. Muggel. Fünf Stück. Was taten sie hier? Kopfschüttelnd warf ich Gina einen beruhigenden Blick zu. Sie erwiderte ihn kurz, dann trat sie zu mir und griff nach meiner Hand. Im selben Moment krachte und knirschte es und die fünf Muggel, alle älter als ich, stürmten wie besinnungslose Greife aus dem Gebüsch. Schneller als ich schauen konnte hatten zwei von ihnen Gina gepackt, die anderen drei hielten mich im Schach. Meine Schwester wehrte sich, so gut sie das mit ihren fünf Jahren vermochte. Als einer der Fünf sie an den Haaren nahm und ihren Kopf nach hinten zog, schrie sie auf. "Gellert! Hilf mir!", keuchte sie. "Ich komme, Gin! Lasst meine Schwester in Ruhe!" Ach, wenn ich doch nur meinen Zauberstab hätte! Mit zauberstabloser Magie kam ich hier zu gar nichts, das war mir klar. Ich kämpfte wie ein Löwe. Doch gegen drei Ältere hatte ich nicht den Hauch einer Chance. Und Gina erstrecht nicht. Innerhalb von zwei Minuten hatten die zwei Muggel sie ins Gebüsch gezerrt. "Gellert! Bitte!", ich hörte ihre Verzweiflung. Da gelang es mir: Mit aller Macht riss ich mich los und stürmte vor. Aber mein Erfolg war nur von kurzer Dauer, denn einer der Muggel verpasste mir so heftig eine, dass ich nur noch Sterne sah. Als ich wieder klar sehen konnte, waren die Muggel fort. Alle. Gina auch. Keuchend strich ich mir durch die Haare. "Gina! Gina!!", meine Stimme hallte durch den Wald. Stille. Dann ein Schrei. Ginas Schrei. "Gellert! Gellert! Bitte! Hilf mir! Gellert! Hilf mir! Gellert! Ich-", ihr Ruf brach ab, als würde ihr jemand den Mund zu halten. Sekundenlang war es erneut still. Jedoch dann erscholl ein grauenhafter Schmerzensschrei. Gina. "Gina! Gina!! GINA!!!"
Sie antwortete nicht.
Zitternd zog ich den Atem ein, ein Schluchzen schüttelte meine Schultern. "Gina.", flüsterte ich erstickt. "Gina! Gina. Komm zurück. Gina. Wo bist du?! Sag was!! Gina!!!"
Nichts.
Das war genug.
Ich fiel auf Knie und ließ den Tränen freien Lauf. Darum, dass ich das meinen Eltern noch beibringen musste, machte ich mir gerade überhaupt keine Sorgen.
Gina.
Gina.
Gina.
Meine Schwester.
War sie tot?
Nein.
Nein, das konnte nicht sein.
Oder?
Ich würde sie finden. Lebend. Oder tot.
Aber ich würde sie finden.
War sie tot?
Nein.
Nein, das konnte nicht sein.
Nicht.
Nicht meine Schwester.
Gina Grindelwald.
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Only once more || Grindeldore FF
FanficDON'T LIKE IT, DON'T READ IT! GrindelwaldxDumbledore FanFiction | Deutsch | German NOCH NICHT ÜBERARBEITET... (Enthält Blut, Tod, Gewalt und eindeutig angedeutete sexuelle Handlungen.) ~"Ich habe vierzig verdammte Jahre auf dich gewartet! Nenn mir e...