32. Kapitel (Gellert): Dementoren

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Der Frost kroch knisternd über das Gras, Schneeflocken begannen zu fallen, der Himmel wurde stahlgrau. Mich schüttelte es. “Wie viele Dementoren hat Starling bitte dabei?”, fragte Albus, seine Stimme zitterte leicht. Abschätzend musterte ich den Raureif, die Flocken und den Himmel. “Schätze mal, mindestens vierhundert.”, antwortete ich dann. So ruhig wie möglich. Ohne Wanken. “Mindestens vierhundert?! Dann müsste er ja alle Dementoren von Askaban abgezogen haben!”, rief er aus. Darauf nickte ich langsam. “Sieht ganz so aus.” Die Kälte der Dementoren war eine andere als gewöhnliche. Zwar besaß auch normale Kälte auf Dauer die unschöne Fähigkeit, die mentale Stärke zu schwächen, aber die Kälte der Dementoren tat dies sofort. Weil sie alles positive, alles warme, abzog. Und mentale Stärke war nunmal glühende Energie. Ich schloss die Augen, zog die eisige Luft ein und fuhr mit einem Finger über jeden einzelnen der sieben Buckel des Elderstabs. “Starling wird’s aber nicht schaffen… Oder?”, bei seiner Frage wandte ich ihm wieder den Kopf zu. “Soll ich ehrlich sein?”, fragte ich zurück. Er schluckte. “Ja.” Blinzelnd senkte ich den Kopf, sodass er mich ansah. “Gut. Dann hör zu: Starling wird vermutlich in wenigen Minuten mit mindestens vierhundert Dementoren hier ankommen. Und das Einzige, was bekanntlich gegen diese Wesen ‘hilft’ ist der Patronuszauber. Du kannst ihn, ich kenne ihn, keine Frage. Die Frage ist nur, Liebling, ob ich ihm noch würdig bin.” Auf meine Antwort hin starrte er mich an, als hätte ich den Verstand verloren. “Was soll das heißen? ‘Ob du ihm noch würdig bist’?” Ein bitteres Lächeln zuckte um meine Lippen. “Nur eine reine Seele kann einen Patronus rufen. Was glaubst du, warum es keine Aufzeichnungen über die Patroni mir vorangegangener Schwarzmagier gibt? Weil sie es nicht mehr konnten.” “Aber… du… du konntest es doch!”, protestierte er, seine Verwirrung, seine Angst umgab ihn wie ein Strahlenkranz. “Korrekt. Ich konnte es. Jetzt vermutlich nicht mehr.” Stille. “Ich weiß aber nicht ob ich… noch die… die… Kraft dazu habe, Gellert.”, erwiderte Albus nach einem Moment zögernd. Entsetzt sah ich ihn an. “Al! Du musst. Wenn nicht du, wer dann? Ich bin des Patronus nicht länger würdig.” “Hast du’s schon versucht?”, wollte er wissen, seine blauen Augen hafteten am Horizont hinter Hogwarts, der sich stetig verdunkelte.
Dementoren.
So viele.
So viele mehr, als ich geglaubt hatte.
“Wie viele sind das bitte?”, zischte ich. “Keine Ahnung. Eher sechshundert was. Möchte mal wissen, wo er die alle her hat!”, er lachte zittrig, doch ich spürte seine Angst bei jedem Atemzug. “Gute Frage. Für später. Jetzt müssen wir die erstmal loswerden. Zu deiner Frage: Natürlich habe ich es versucht. Aber es ist nichts passiert.” Auf meine Antwort hin wandte er mir den Blick zu, musterte mich schweigend, biss sich auf die Lippe und nickte. “Schon klar. Also… Ich kann es… versuchen.” Gerade als ich zu einer Antwort ansetzte, meldete mir mein Gespür etwas neues. Und das gefiel mir so ganz und gar überhaupt nicht. “Liebster, ich fürchte, es wird noch schlimmer.”, sagte ich leise. Schreck flackerte in seinen Augen auf. “Warum?”
“Starling hat nicht nur ungefähr sechshundert Dementoren mit sich sondern auch noch zwanzig Auroren. Wobei sich auch hier die Frage stellt, wo er die her hat.”, antwortete ich, die Stimme kalt und gelassen.
Ein einzelnes Bild blitzte vor meinem inneren Auge auf.
Gina starrte mich verzweifelt an. “Gellert!”, sie versuchte, sich aus dem Griff zweier Muggel zu winden. “Hilf mir!”
Nein.
Ich stieß den Atem aus und blinzelte langsam.
Nein.
Nicht noch einmal.
Energisch schüttelte ich den Kopf. “Ich hasse Dementoren.”, knurrte ich. Sein blauer Blick war finster wie die Nacht, wir starrten die Dementoren wie gebannt an. “Ich auch. Niemand kann sie leiden.” Von Starling und seinen zwanzig Auroren war noch nichts zu sehen.
Besser so.
Die Dementoren reichten grad schon.
Und in der nächsten Sekunde, bevor ich mich versah, hatten die Dementoren uns beide eingekreist. Blitzschnell warf ich einen Seitenblick auf Albus. “Patronus?”, fragte ich flüsternd und drängte mit aller Macht die schrecklichen Bilder in meinem Kopf zurück. Eine Sekunde lang erwiderte er meinen Blick, wir sahen uns an. “Expecto patronum!”, seine Stimme brach zum Ende des Zaubers. Ein schwaches, silber-blaues Licht flackerte auf, eine einzelne Spur Silber schwebte durch die Luft. Doch ansonsten geschah nichts. Das war doch jetzt hoffentlich nicht sein Ernst. Die Dementoren zogen den tödlichen Ring enger. Ihr rasselnder Atem war ein absolut schreckliches Geräusch. “Das ist doch jetzt nicht dein Ernst, oder?”, fragte ich gepresst und funkelte ihn an. Zögernd sah er mich an, ich konnte den Schmerz in seinem Blick lesen. “Ich kann nicht.”, flüsterte er tonlos. “Ich kann nicht, Gellert. Es…”, er beendete den Satz nicht. Zorn loderte in mir hoch. Aber nicht auf ihn, sondern auf Starling. Ein winziges Schnippen mit dem Elderstab genügte, und eine blau-weiße Flamme züngelte aus dem Boden. “Suche ihn!”, zischte ich. Flüsternd und wispernd tat die Flamme wie ihr befohlen, zog eine Spur aus schwach funkelnden blau-weißen Funken hinter sich her. “Es sind zu viele.”, jetzt beendete er seinen Satz doch. Ich wandte ihm den Blick zu. Die Kälte der Dementoren riss unaufhörlich an meiner mentalen Stärke, wie es früher der Fluch an meinen Visionen getan hatte. “Ich kann nicht. Ich kann nicht. Nicht… Nicht.”, fuhr er fort, seine Worte waren nur ein Hauch. Im nächsten Moment machte er einen Schritt auf mich zu, umschloss mein Gesicht, zog mich an sich heran und presste seine Lippen auf meine. “Versprich mir, dass du es… tust. Deinen Patronus rufen. Du kannst es.”, setzte er noch hinzu, ehe er zusammenbrach. Nein. Nein. Nein… Keine. Emotionen. Gellert. Keine Emotionen.
Keine.
Emotionen.
Zitternd starrte ich auf ihn hinab, blickte dann zu den Dementoren. Ginas Schreie hallten unaufhörlich in meinen Gedanken wider, aber noch schaffte ich es, sie auszublenden. Aber lange würde ich das nicht mehr schaffen. Dann tu was!, fuhr ich mich selbst an. Ja, bei den Heiligtümern des Todes, was denn? Ich konnte keinen Patronus mehr rufen! Dessen war ich nicht mehr würdig… oder? Was, wenn doch? Unwahrscheinlich. Allerdings… nicht unmöglich.
Versprich mir, dass du es tust. Deinen Patronus rufen. Du kannst es.
Er hatte an mich geglaubt. Daran, dass ich noch Licht genug war, weiße Magie zu benutzen. Daran, dass meine Seele noch rein genug war. Daran, dass ich nicht das Böse war, dessen die Welt mich zu sein suchte. Also gut. Ich war es ihm schuldig. Entschlossen hob ich den Elderstab.
“Expecto patronum!”
Zuerst geschah nichts.
Dann erschien ein silberner Schatten, silbrige Funken flackerten.
Es passierte.
Der Phönix, der aus der Spitze meines geliebten und begehrten Elderstabs brach, war nicht der Patronus, den ich kannte. Aber es war meiner.
Meiner.
Die Dementoren schwebten davon, Starling und seine Auroren disapparierten, das spürte ich.
Mein Patronus.
Meiner.

Only once more || Grindeldore FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt