90. Kapitel (Gellert): Gebrochen

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Drei Monate später...

Die Augen halb geschlossen hatte ich meinen Kopf an die Wand hinter mir gelehnt. Drei Monate waren seit dem 'legendären Duell' vergangen. Der Spott meiner Wächter war verebbt. Es war mir egal, was sie zu mir sagten, was sie von mir hielten. Niemals würden sie die Wahrheit kennen. Niemals würden sie verstehen, warum ich nun hier und nicht in Freiheit war. Niemals und niemand würde das jemals verstehen. Warum ich meine Freiheit geopfert hatte, damit Sean endlich den Pakt mit den Dämonen brechen, der Verdacht gegen Lissa fallen gelassen und Hogwarts wieder aufgebaut werden konnte. Niemand würde es jemals verstehen. Außer Albus. Er wusste es, ich wusste es. Das war alles, was zählte. Mir war klar, warum er sich bisher noch nicht hatte blicken lassen. Wie ich das Ministerium kannte, hatten sie sich noch allerhand Dinge einfallen lassen, die jetzt noch geregelt werden mussten. Befragungen und wussten die Heiligtümer was noch. Das, dachte ich und lächelte müde ist eindeutig der Vorteil, wenn man Schwarzmagier ist. Man braucht keine Bürokratie, keine Erlaubnis. Wenn man etwas will, nimmt man es sich einfach und fertig. Ich seufzte. Das beste war es, nicht an die Heiligtümer zu denken. Nicht die Heiligtümer. Nicht das größere Wohl. Nicht Gina. Nicht Durmstrang. Nicht meine Eltern. Nicht Albus. Am allerbesten war es, gar nicht zu denken, hatte ich festgestellt. Sondern den ganzen Tag, sieben Tage in der Woche, ausdruckslos ins Leere zu starren und an nichts zu denken.
Nichts.
Die Gedanken wie ein Fluss, der rauscht. Gerade laut genug, um das Wispern der Worte zu hören, zu leise, um sich auf eines zu konzentrieren. Meine Reue war wie scharfe Krallen, tausende von Krallen, die beständig an meiner Seele rissen, sie noch mehr zerreißen wollten, zersplittern, als sie es ohne hin schon war. Doch nichts denken half und so war das zu meiner Haupttaktik geworden, um nicht zu 'brechen'. Mit einem weiteren Seufzen fuhr ich mir mit allen zehn Fingern durch die Haare. Nurmengard, diese Gefangenschaft, sie würde mich schlussendlich wahnsinnig machen. Das wusste ich so sicher wie die Tatsache, dass meine Augen zwei verschiedene Farben hatten. Die Reue würde mich innerlich zerreißen, weil ich nicht getan hatte, was ich hätte tun müssen, um meine Schuld zu vergelten. Ich hatte mich nicht umgebracht. Denn hätte ich das getan und zusätzlich derweil noch mein Blut fließen lassen, wie ich es einst tat um die Dämonen abzulenken, so hätte ich meine Schuld beglichen gehabt. Tja. Hatte ich aber nicht. Und nun war ich hier, in Nurmengard. Ohne die Möglichkeit, zu tun, was ich tun musste. Ohne Zauberstab kein Todesfluch. Ansonsten gab es natürlich noch kommerzielle Methoden, doch die würden hier allesamt auch nicht funktionieren. Ein Seil fehlte mir und scharfe Kanten oder Spitzen um mir die Arterien aufzuschlitzen gab es auch nicht. Natürlich könnte ich mich aushungern, aber... Das würde das Ministerium nicht zulassen. Von wegen Märtyrertod und Märtyrium und so weiter. Nein. Sie würden nicht zulassen, dass ich mir das Leben nahm. Bei den Heiligtümern nochmal! Wenn ich es doch wollte! Sterben. Ich fürchtete den Tod nicht. Gina wartete. Schon einmal hatte ich das Schweigen gehört, die Stille des Todes. Es war... fast schon schön gewesen. Und es gab nichts, was ich gerade lieber tun wollte, als wieder diese unendliche Stille in meinem Kopf. Fort von den flüsternden Stimmen, die nichts anderes zischten als 'Stirb!' oder 'Es ist alles deine Schuld!' oder noch schlimmere Dingen. Ich erinnerte mich an den Moment, als ich die Verlorene Seele meiner Mutter vernichtet hatte. Danach hatte ich zu Albus gesagt, dass es jetzt nur noch die Monster in meinem Kopf gab.
Nur noch.
Ja. Nur noch.
Und doch waren diese namenlosen Schatten stark genug gewesen, um meinen Lebenswillen zu brechen. Meine Seele mochte nicht 'gebrochen' sein, aber reichte es nicht zum Sterben, wenn der Wille gebrochen war? Natürlich reichte das. Trotzdem war ich noch nicht tot. Weil ein Teil meines Unterbewusstseins sich verzweifelt an das Leben klammerte. Aber an was im Leben? An ihn natürlich. Ich schnaubte. An was, beziehungsweise wen, sonst? Mit einem weiteren, abgrundtiefen Seufzen schloss ich die Augen. Dunkelheit. Die gleiche Dunkelheit, die dem strahlenden Weiß des Todes vorausging.
'... und ebenbürtig verließen sie dieses Leben.'
Das war der letzte Satz aus dem Märchen der Heiligtümer des Todes. Ebenbürtig war ich dem Tod bestimmt nicht. Ich war sein Meister gewesen, hatte mich einmal bewusst gegen ihn entschieden, war ihm mehrmals entkommen. Jedoch ebenbürtig... Das waren wir uns sicher nicht. Der Tod war der Tod, ich war ich. Das war ein Unterschied. Ein ziemlich großer.
Als ein Flüstern mein Gespür streifte, das selbst nach drei Monaten nicht abgestumpft war, blinzelte ich.
Er.
Er war es, der kam.
Drei Monate lang hatte ich mich nach ihm gesehnt, doch jetzt, da er kam, wollte ich nur noch eins: Dass er wieder ging. Sofort und auf der Stelle. Bitte, meine geliebten Heiligtümer des Todes, macht, dass meine Wächter ihn nicht durchlassen! Es war zwecklos, das war mir sowas von klar. Denn natürlich würden sie ihn durchlassen. Warum auch nicht? Als der Zauberer, der mich besiegt hatte, hatte er quasi ein Vorrecht darauf, mich zu sehen. Offiziell natürlich nur, um mir zu sagen, wie viel besser als ich er doch war. Wie ich ihn kannte würde er das natürlich nicht tun. Aber... Ein kurzes, bitteres Lächeln zuckte um meine Lippen. Sagte ja auch niemand, dass ich es ihm einfach machen würde. Lautlos zog ich die Beine an und kauerte mich in die Schatten. Sie waren seit jeher meine Freunde gewesen. Verbündete.
Albus' Schritte stoppten vor den Gittern, ich hörte seine Atemzüge. Dann flüsterte er meinen Namen. Leise, zögernd.
"Gellert?"
Für einen Moment schloss ich die Augen. Wie sehr ich seine Stimme vermisst hatte. Das klare, britische Englisch. "Ja?", meine Antwort war so dunkel wie die Schatten, die mich vor ihm verbargen. "Ich weiß nicht. Es ist nur...", er stieß ein kurzes, verzweifeltes Auflachen aus. "Ich bin da." "Das höre und spüre ich.", gab ich zurück und achtete darauf, mich nicht außer Reichweite des Schattens zu begeben. "Warum erst jetzt?", fragte ich dann, obwohl ich die Antwort kannte. "Andrew Wildblade. Merlin, diese Person ist zäher als Leder. Nicht im positiven Sinne.", er schnaufte. "X Formulare wegen Hogwarts, wegen Lissa und dann bin ich auch noch zum stellvertretenden Schulleiter ernannt worden. Merlin, sind das verrückte Monate gewesen." "Verrückt.", wiederholte ich gedehnt. "Wie schön. Ich denke, mit welchem Wort sich meine drei Monate beschreiben lassen, dürfte dir klar sein." 
"Jaaaah."
"Sehr gut. Hätten wir das schon mal.", ich blinzelte und strich mir durch meine aschblonde Strähne. Albus zögerte. "Gellert?", hakte er schließlich nach. "Ja. Was ist?", ich legte den Kopf schräg, auch wenn er das nicht sehen konnte. "Bist du...", erneut zögerte er und ich sah vor mir, wie er sich auf die Lippe biss "böse mit mir?" "Nein. Warum sollte ich?", ich lachte ein hartes, kaltes Lachen. "Nein, Albus. Bin ich nicht. Ich sehe nur den Grund nicht, warum ich noch hier bin." "Hier? Meinst du Nurmengard?", er klang irritert. "Nicht Nurmengard.", erwiderte ich schneidend. "Sondern hier. Auf dieser Welt. Ich sehe den Grund nicht, warum ich noch lebe." "Aber Gellert!", jetzt lag Schreck in seinen Worten. "Du bist noch hier weil... weil du noch gebraucht wirst!" "Ach ja?", antwortete ich frostig. "Von wem, Albus? Von wem? Ich müsste tot sein, um die Schuld zu begleichen, die ich auf mich lud, als ich tat, was ich tat." "Aber Gellert!", rief er noch einmal. "Bei unserem Duell hast du noch was andres gesagt." "Das", sagte ich gelassen "ist ja auch schon drei Monate her." "Ja, trotzdem. Das hat nichts daran geändert.", seine Stimme zitterte. "Was ist denn?", fuhr er leise fort.
"Du hast keine Ahnung.", flüsterte ich müde und schloss die Augen. "Du hast keine Ahnung, Albus! Wie es ist, hier zu sein. Hier, in dieser Dunkelheit. In dieser... Hoffnungslosigkeit. Nurmengard wird mein Grab sein, ich werde hier eines Tages sterben, das spüre ich. Hast du eine Ahnung, wie es ist, vierundzwanzig Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, nur hier zu sein, nur diese Wände anstarren zu können und zu wissen, dass du das Blut Tausender vergossen hast? Du hast keinen Schimmer, wie sich das anfühlt. Hier zu sein, die einzigen Stimmen, die du hörst, sind die Monster in deinem Kopf. Ihre Worte zerstören dich. Sie 'brechen' vielleicht nicht deine Seele. Aber deinen Willen, auch nur noch einen Atemzug zu tun. Wenn ich könnte, würde ich die Luft anhalten bis ich tot bin, mir die Arterien aufschlitzen bis ich verblutet bin oder wissen die Heiligtümer was noch tun, solange...", ich rang nach Atem. "Solange es mich nur umbringt.", ein Zittern schüttelte mich. "Alles.", ergänzte ich fast unhörbar. "Alles würde ich tun, damit der Tod mich nimmt."
Kurze Stille.
Dann: "Gellert, nein! Das... Das kannst du mir nicht antun! Hörst du?! Tu mir das nicht an! Ich flehe dich an, tu das nicht! Bitte. Wirf dein Leben nicht weg! Es ist das Wertvollste, was wir haben und... du weißt, wie leicht es vergehen kann. Ich liebe dich, bei Merlins Zauberstab und... Wenn du tot bist... Was soll ich dann noch hier? Ich habe Hogwarts, wirst du jetzt sagen, ich habe Lissa und genug andere. Ja, habe ich. Aber sie sind nicht du und es würde mich zerreißen, wenn du vor mir stirbst! Vergiss dein Versprechen nicht!" "Niemals.", gab ich zurück. "Was glaubst du, warum ich noch hier bin? Ich habe dir versprochen, dass du zuerst gehen darfst und daran werde ich mich auch halten." "Würdest du mich denn gar nicht vermissen?", flüsterte er erstickt. Ich seufzte. "Mehr als alles andere. Aber wenn ich nicht... Es zerstört mich, Albus, verstehst du das? Meine Reue hat meinen Willen gebrochen und es gibt nichts, was ich jetzt lieber wäre außer tot." Dann stand ich auf, trat zu ihm und schob meine Hände zwischen den Gittern hindurch, dazu war der Abstand groß genug. Ohne ein Wort, den Kopf gesenkt, verschränkte ich seine Finger mit meinen. Albus stieß den Atem aus und schluckte. "Geh nicht. Nicht vor mir.", hauchte er. "Bitte." Darauf erwiderte ich nichts. Zur Antwort auf mein Schweigen zog er seine eine Hand zurück, zog den Elderstab. Die Stäbe schmolzen, zerrannen zu flüssigem Eisen. Er sagte nichts, sah mich nicht an, zog mich einfach nur so fest an sich, als wollte er mich nie wieder loslassen.
"Ist das nicht komisch?", fragte ich. Er machte sich von mir los und sah mich an. "Was denn?", hakte er nach. "Früher war ich immer der mental Stärkere von uns beiden. Jetzt ist es umgekehrt.", stellte ich fest. Darauf verzog er das Gesicht. "Na ja, ich war ja auch nicht drei Monate lang in Nurmengard eingesperrt.", sagte er. "Stimmt.", gab ich zu und grinste. Zum ersten Mal seit Monaten mit einer Spur Belustigung. "Das", fuhr ich fort und nutzte so den Silberstreif der Hoffnung "war nicht sonderlich fördernd." Er blickte mich forschend an, blinzelte und grinste dann ebenfalls ein bisschen. "Nicht sonderlich? Hör auf zu untertreiben.", erwiderte er leise, sein Blick war halb bittend, halb abwartend. "Untertreiben?", wiederholte ich unheilverkündend und machte mich von ihm los. "Was soll das denn heißen?" Betont arrogant warf ich mir mit einer Kopfbewegung meine Strähne in die Augen und stemmte die Hände in die Seiten. "Ich bin ja wohl das perfekte Beispiel für mentales intakt-sein." "Ja, ja.", er nickte langsam. "Hast du mir etwa nicht zugestimmt?", flüsterte ich bedrohlich. "Nein, habe ich nicht.", flüsterte er zurück und grinste mich an. "Du bist blöd.", befand ich. "Also bitte. Wer hat denn hier das Duell gewonnen?", protestierte er. "Nur, weil ich dich gelassen habe.", gab ich zur Antwort. "Oh, Merlin. Was soll ich tun? Mich verbeugen? Einen Kniefall hinlegen? Dich anbeten?", spottete er. "Hm.", ich tat, als müsste ich nachdenken. "Wie wäre es mit allem auf einmal?" "Bitte? Ganz sicher nicht!", er schüttelte den Kopf. "Das ist unfair.", beschwerte ich mich. "Du kriegst den ganzen Erfolg und ich darf dir zusehen oder wie?"
"Japp.", bestätigte Albus gut gelaunt. Ich seufzte theatralisch. "Du bist wirklich blöd.", wiederholte ich meine Feststellung. "Ja, ich weiß. Du auch.", antwortete er, seine blauen Augen blitzten. Vom einen Moment auf den anderen wurde er ernst. "Gellert, du hörst mir jetzt zu und sagst erst dann wieder was, wenn ich fertig bin."
"Das klingt unheilvoll.", diagnostizierte ich.
"Kann sein. Egal. Hör zu!" "Zu Befehl!", ich salutierte. Ein kurzes Lächeln zuckte um seine Lippen. "Wie viele sind für das größere Wohl gestorben?", fragte er dann. Ich zuckte zusammen, spürte sofort wieder den schwarzen Abgrund in meiner Seele. "Ungefähr 3 500.", sagte ich leise. "Gut. Also... nicht gut.", er seufzte und nagelte mich mit seinem Blick fest. "Hör. Zu.", flüsterte er eindringlich. "Du hast vielleicht den Befehl gegeben, diese Menschen zu töten, vielleicht hieltest du es für notwendig, dass sie sterben mussten. Aber merkst du was? Ich rede in der Vergangenheit. Du tust es nicht mehr und das ist das, was zählt. Nicht das, was du getan hast. Ich weiß", er schüttelte den Kopf und unterbrach mich so, bevor ich überhaupt angefangen hatte "was du denkst. Natürlich heißt das nicht, dass du, zumindest physisch gesehen, eine andere Person bist als damals. Aber mental gesehen bist du das und das wissen wir beide. Du weißt genauso gut wie ich, dass du das nie wieder tun würdest. Wie du bei unserem Duell gesagt hast: Du hattest deine Rache. Aber Gellert, du hast es nie getan, weil du wirklich böse warst. Du hast es getan, weil es der einzige Weg war, den du gesehen hast, um deine Schwester zu rächen. Und Verzweiflung treibt Menschen zu seltsamen Dingen, ich weiß das. Davon könnt ich dir ein Lied singen. Du hast getan, was du getan hast. Doch du würdest es nicht mehr tun und darauf kommt es an! Du würdest es nie wieder tun. Nie wieder. Ja, du hasst die Muggel noch und das kann ich auch nachvollziehen, auch wenn ich die Muggel nicht hasse.", er senkte die Stimme noch mehr. "Du darfst dich nicht selbst zerreißen wegen etwas, das du getan hast. Wir können die Vergangenheit nicht mehr ändern. Nur die Zukunft. Und wenn du wahrhaftig aus den Fehlern gelernt hast, wirst du es besser machen. Die Dunkelheit wird wieder kommen. Sie ist schon wieder da. An dem einzigen Ort, von dem ich dachte, sie würde nie hinkommen.", er schluckte, zögerte. "Hogwarts.", ergänzte ich. "Ja. Einer unserer Schüler, er... Ich weiß auch nicht. Er... Er hat etwas Böses an sich. Etwas wirklich Böses, etwas Wahnsinniges.", seine Worte waren noch leiser geworden. Ich blinzelte. Bevor ich darauf einging, musste ich wissen, ob ich den Abgrund in meiner Seele noch spüren konnte.
Nichts.
Keine hallende Leere mehr, kein zerstörerisches Flüstern. Das war gut. Denn... Albus hatte Recht. Ich hatte schreckliche Dinge getan, ja. Aber ich hatte sie getan, würde sie nie wieder tun und ich würde den Rest meines Lebens mit Vergnügen darauf verwenden, dem Licht unserer Welt zu helfen. "Welcher Schüler? Erzähl mir von ihm.", ich legte einen Arm um ihn und ließ zu, dass er den Kopf gegen meine Schulter lehnte, sich an meine Halsbeuge schmiegte. "Tom Riddle.", begann er. "Tom Vorlost Riddle, sechzehn Jahre alt, Schulsprecher, in Slytherin. Er ist beliebt bei den anderen Lehrern. Aber nur, weil sie wegsehen. Sie sehen nicht, wie er die jüngeren Schüler quält, sie sehen nicht, wie er jenen wehtut, die sich ihm widersetzen. Aber... das Schlimmste ist sein... sein Interesse."
"Schwarze Magie. Tiefschwarze Magie.", schlussfolgerte ich. "Die unverzeihlichen Flüche? Dämonen? Dämonfeuer?"
"Nein.", hauchte Albus, seine Augen schlossen sich. "Er weiß nichts von den Dämonen und Merlin sorge dafür, dass das so bleibt. Wenn er von ihnen wüsste... Es wäre eine Katastrophe. Nein, Gellert. Sein Hauptinteresse gilt weder den unverzeihlichen Flüchen noch dem Dämonfeuer." "Was dann?", fragte ich leise und küsste ihn zärtlich. Er erwiderte den Kuss, wartete, bis ich mich von ihm gelöst hatte, bevor er kaum hörbar ein einziges Wort hervorstieß: "Horkruxe."
Sekunde. Was?!
"Oh. Das...", ich benetzte meine Lippen "ist... ein ganz neues Niveau von böse. Horkruxe. An die habe nicht einmal ich mich herangetraut. Du weißt ja bestimmt, dass sie unsterblich machen. Aber mein Interesse galt den Heiligtümern, ich wollte Meister des Todes und somit unbesiegbar werden. Allerdings hatte ich keine Motivation, dafür meine Seele zu opfern. Dazu ist mir das gute Stück dann doch zu wertvoll." "Seeeehr lustig. Aber ja. Horkruxe. Ein Kollege von mir hat berichtet, Tom hätte ihn danach gefragt. Was er ihm gesagt hat, weiß ich allerdings nicht.", er seufzte, blinzelte und sah mich an. Seine blauen Augen glänzten leicht im schwachen Licht.
Irgendetwas in mir protestierte, erinnerte sich. "Warte. Wie heißt er?", ich spannte mich an. "Mit vollem Namen? Tom Vorlost Riddle.", gab er zurück und hob den Kopf, musterte mich prüfend. "Wieso?" Wortlos schüttelte ich den Kopf. "Gleich. Du erinnerst dich an meine Vision, nach der ich 'Voldemort' gesagt habe?" "Ja, natürlich. Du hast mir nie gesagt, was du gesehen hast.", sagte er. "Stimmt. Werde ich auch jetzt nicht tun. Noch nicht. Aber das ist nicht das Interessante. Der Name. Voldemort.", ich blinzelte, dachte nach. "Ich komme nicht darauf. Fast. Aber nur fast.", kopfschüttelnd biss ich mir auf die Lippe. Dann seufzte ich resigniert. "Vergiss es. Es will mir einfach nicht klar werden." "Mir auch nicht. Obwohl ich seit ungefähr zweieinhalb Monaten darüber nachdenke.", lautete seine Antwort und ich sah ihm an, dass es ihm nicht gefiel, dass er nicht darauf kam, was es war, das uns so irritierte. Vom einen Moment auf den anderen ist der Riss wieder da. Ein schwarzer Abgrund in meiner Seele, bodenlos und kalt. "Gellert, nicht.", flüsterte er. "Bleib bei mir." "Glaubst du, ich will es nicht?", erwiderte ich ausdruckslos. "Aber es ist egal. Ich kann nicht. Bei dir. Bleiben."
Weg, weg von den Monstern in meinem Kopf die unerbittlich flüsterten, zischten. Aber das Schlimmste war, dass sie Wahrheit sagten. "Ich kann nicht bei dir bleiben.", sagte ich leise. "Sie sind zu stark und ich bin zu schwach." Blinzelnd sah ich an ihm vorbei ins Nichts, während das Flüstern immer eindringlicher wurde.
Er starrte mich an, erschrocken.
Küsste mich.
Umklammerte meine Hände.
"Bleib bei mir.", hauchte er. "Bitte."
Ich schluckte, richtete mit aller Willenskraft meinen Blick auf ihn.
Was ich getan hatte, war schrecklich. Doch ich würde es nie wieder tun.
Das Wispern verblasste.
Ich stieß den Atem aus. "Immer." Nach kurzem Schweigen fuhr ich fort. "Das Zweite Gesicht sagt nicht sonderlich viel über Voldemort. Aber... ein bisschen etwas schon." Albus blinzelte, sah mich aus seinen leuchtend blauen Augen fragend an. "Was sagt es?" "Es wird Krieg geben. Aber nicht Muggel gegen Zauberer oder eine Handvoll Zauberer gegen eine andere Handvoll. Sondern ein richtiger Zaubererkrieg.", antwortete ich. "Na, herrlich!", rief er aus. "Krieg, Tod, Duelle, Gefahr! Hab ich das vermisst? Aber überhaupt nicht!", er seufzte schwer. "Wann soll der Spaß denn losgehen?" "Ohh, ich schätze, im Grunde hat er schon angefangen. Der Höhepunkt wird aber noch kommen, denke ich.", gab ich zurück. Erneut seufzte er und strich sich mit allen zehn Fingern durch die Haare. "Merlin... Warum mach ich überhaupt irgendwas wenn schlussendlich doch wieder alles zusammenstürzt?" "Weil Aufgeben keine Option ist.", antwortete ich und grinste schief, als er mich überrascht ansah. "Jaaah, schon klar. Das hätte man jetzt nicht von mir erwartet, wo ich doch die letzten drei Monate damit beschäftigt war, mir eine Methode zu überlegen, um mich umzubringen. Doch... ich wage es dennoch, das zu sagen." "Das", stellte er fest "macht überhaupt keinen Sinn, Gellert." "Ich weiß. Aber es ist mir egal. Wenn mir etwas in den letzten fünfzehn Minuten klar geworden ist, dann das: Aufgeben ist keine Option. Alle möglichen Dinge werden im Laufe des Lebens versuchen, dich zu brechen. Aber du musst immer einmal öfter austehen, als du fällst. Zumindest", ich lächelte "solange du noch die Kraft dazu hast." "Und wenn ich sie irgendwann nicht mehr habe?", fragte er. Ich legte den Kopf schräg. "Darauf gibt es zwei Antworten. Die schöne und die weniger schöne. Welche zuerst?" "Die weniger schöne.", gab er sofort zur Antwort. "Gut. Na ja, wenn du irgendwann nicht mehr einmal öfter aufstehst, dann... Stirbst du.", entgegnete ich, ganz schlicht, ohne Schnörkel, ohne etwas schönzureden. "Oh. Was ist die schönere Antwort?"
"Die? Nun, die wäre: Dann hast du mich.", antwortete ich sanft. "Genauso, wie ich dich habe." Darauf blinzelte er einige Male, dachte nach. "Du darfst dich nicht aufgeben, Gellert. Du darfst nicht.", flüsterte er schließlich. Ich schenkte ihm ein kleines Lächeln. "Wenn du es auch nicht tust." "Niemals. Und wenn es nur ist, damit du es nicht tust.", stellte er klar. Jetzt grinste ich. "Oh-oh." "Was ist?", wollte Albus wissen. "Ich sehe es schon kommen.", erwiderte ich. "Das ist mal wieder so klassisch für uns. Am Schluss werden wir dann beide tot sein, weil wir versucht haben, den jeweils anderen vom Sterben abzuhalten. Nicht?" Er grinste auch. "Klar doch. Dann werd ich zu dir sagen: 'Merlin, Gellert, warum hast du nicht besser aufgepasst?' Du wirst sagen: 'Ich habe doch auf dich aufgepasst!' Ja. So wird's sein." "Absolut!", stimmte ich ihm zu, wurde dann aber wieder ernst. "Mache dich nicht verrückt wegen Voldemort oder dem anstehenden Zaubererkrieg. Es wird so kommen, ja, aber erstens können wir nichts daran ändern und zweitens ist es noch zu früh, um große Pläne zu machen, weil wir ja noch gar nicht wissen, mit wem wir es zu tun haben." "Das ist richtig.", gab er mir widerstrebend Recht. "Aber es gefällt mir trotzdem nicht." "Mir auch nicht.", ich schüttelte den Kopf. "Mir auch nicht, Al." Dann küsste ich ihn, bevor er noch etwas sagen konnte.

Only once more || Grindeldore FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt