34. Kapitel (Gellert): Hochverrat

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1 Monat später…

“Crucio!”, die Stimme des Aurors war nur ein Zischen. Mit einem stummen Schmerzensschrei warf ich den Kopf zurück. Einen Monat lang hatte Starling mich nun schon in seiner Gewalt und alles, wirklich alles, getan, um meinen Willen zu brechen. Doch das hatte er nicht geschafft. Bisher. Würde er auch nicht. Wie ein Ertrinkender an einen Rettungsring klammerte ich mich an meine Liebe zu Albus.
Er.
Flackernd schloss ich die Augen, dachte an seine blauen Augen. An den Schmerz in seiner Stimme, als er mich anflehte, mich nicht in Starlings Hände zu begeben.
Nein. Tu das nicht. Das kannst du mir nicht antun. Bitte. Das... Das darfst du mir nicht antun. Ich flehe dich an!
Ich hatte nicht auf ihn gehört. Warum auch? Starling hätte ihn getötet, da war das hier noch mild dagegen. Denn ich war, dank meiner Begabung für Okklumentik, in der Lage, mich so tief in mein eigenes Bewusstsein zurückzuziehen, dass ich den Cruciatusfluch nur noch als sanftes Kribbeln, als sanftes Wispern an meinem Gespür wahrnahm. Also war es erträglich. Auch wenn die Dementoren mir täglich einen Teil meiner mentalen Stärke raubten. Allerdings vergleichsweise wenig. Zuviele meiner Gedanken waren von meiner Liebe zu Albus durchströmt. Und diese Liebe war mächtig genug, um die Kraft der Dementoren abzuschwächen. Das Flüstern des Cruciatusfluchs erlosch, ich zog mich wieder zurück in die Realität. Der Auror starrte mich mit einem verächtlichen Gesichtsausdruck an, ich erwiderte seinen Blick ausdruckslos. Zu gerne hätte ich ihm einen Fluch aufgehalst, aber ich hatte den Elderstab nicht mehr. Weil ich ihn Starling gegeben hatte. Ja, gegeben. Ich hatte verhindert, dass er ihn mir aus der Hand riss, denn das wäre das Ende seiner Loyalität für mich gewesen. Also hatte ich ihn quasi freiwillig losgelassen. Vorsicht war besser als Nachsicht. Nun wandte der Auror den Kopf - einer seiner Kollegen hatte etwas zu ihm gesagt. “Glück für Sie, Grindelwald.”, der Auror blickte wieder zu mir. “Sie haben jemanden, der Sie sehen will.” Damit verschwand er. Die Ketten, die mich an Askabans Boden festhielten, klirrten als ich mir mit der linken Hand durch meine helle Strähne strich. Für einen Moment richtete ich meinen Blick ins Nichts, ließ meine mentale Stärke über das restliche Brennen des Qualfluchs fließen, das daraufhin verblasste.
“Gellert.”
Ich blinzelte und sah in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Nur einer. Nur einer hatte das Privileg, mich beim Vornamen nennen zu dürfen.
Aber das war unmöglich.
Nein.
War es nicht.
“Albus.”, meine Stimme war rau, solange hatte ich nicht mehr gesprochen. Kurz sah er reglos auf mich hinab, dann fiel er auf die Knie und zog mich an sich heran. Vorsichtig wich ich etwas zurück, damit ich mehr Bewegungsfreiheit hatte. Erst, als die Ketten nicht mehr spannten, konnte ich die Umarmung erwidern. “Al, was tust du hier?”, fragte ich flüsternd. Ohne mich loszulassen, antwortete er: “Starling hat mich nicht früher hergelassen. Es tut mir so leid. Verzeih mir.” “Was denn?”, ich zog die rechte Augenbraue hoch und schmiegte meine Wange an seine. “Dass ich nicht… verhindern konnte, dass Starling dir das antut.”, seine Worte brachen, zersplitterten wie Glas. “Nein. Es ist nicht deine Schuld. Nur Starlings. Und meine.”, widersprach ich sofort.. “Wieso deine?”, er klang, als würde er gleich in Tränen ausbrechen. “Weil ich beschlossen habe, die Gesetze zu brechen, Liebling. Weil ich beschlossen habe, zum Massenmörder zu werden, Liebster. Weil ich beschlossen habe, all unsere Geheimhaltungsgesetze in Stücke zu schlagen, Darling. Weil ich beschlossen habe, zum Schwerverbrecher zu werden, Al. Deshalb und nur deshalb.” Er keuchte leise, vergrub das Gesicht an meiner Schulter. Seine stoßweisen Atemzüge verrieten, dass er weinte. Aber das durfte er. “Du musst mich hassen.”, flüsterte er schließlich. Ruckartig brachte ich wieder Luft zwischen uns. “Sieh mich an!”, meine Stimme war eindringlich. “Sieh. Mich. An. Albus. Sieh mir in die Augen.” Nach kurzem Zögern hob er den Blick und sah mich an. Tränen hatten ihre Spuren auf seinen Wangen hinterlassen. “Starling hat Crucio gegen mich eingesetzt, mehrmals täglich. Er hat mir Schnitte zugefügt, die du dir lieber nicht vorstellen willst. Er wollte meinen Willen brechen. Liebster, er wollte mich brechen. Und er will es immer noch, wird es immer wollen. Was glaubst du, wie ich das überlebt habe? Was glaubst du, wie?” “Weiß nicht.”, müde schüttelte er den Kopf. Ich schnaubte. “Langsam habe ich das Gefühl, du leidest mehr unter meiner Haft als ich. Albus! Ich habe es nur überlebt, weil ich dich liebe! Mehr, als alles andere. Nur deswegen kann ich dir das jetzt sagen. Al. Es ist nicht deine Schuld und ich hasse dich auch nicht.” “Sicher?”, ein unterdrücktes Schluchzen schüttelte ihn. “Sicher.”, ich hielt seinen Blick mit meinem fest. “Und ich werde es dir beweisen. Wenn du es willst.” “Beweis es mir.”, murmelte er. Ein kurzes Lächeln huschte über meine Lippen. Das erste Lächeln seit einem Monat. Dann neigte ich mich zu ihm und küsste ihn. Ganz sanft nur, mit großer Zärtlichkeit. Nach einer Schreckenssekunde erwiderte er den Kuss, genauso vorsichtig. Als ich mich wieder von ihm zurückzog, blickte er mich protestierend an, ich grinste leicht. “Beweis genug?”, herausfordernd hob ich den Kopf höher. “Ja. Beweis genug.”, Albus zögerte kurz, bevor er leiser hinzusetzte: “Nochmal.” Diesen Wunsch erfüllte ich ihm zu gerne.
Unsere Lippen trafen sich ein weiteres Mal, allerdings war der Kuss nun fordernder. Leidenschaftlicher. Einen Monat lang hatten wir auf den jeweils anderen verzichten müssen und in diesem Moment fragte ich mich ernsthaft, wie ich das bitte überlebt hatte.
Egal.
Vollkommen egal.
Erst als wir beide nicht mehr konnten, trennten wir uns wieder. Einige Sekunden lang verharrten wir, ich meinen Kopf auf seiner und er seinen auf meiner Schulter. “Starling hat mir da etwas gegeben. Ich hab es mitgebracht. Vielleicht gefällt es dir ja.”, er löste sich von mir und fuhr fort: “Augen zu.” “Albus! Wie alt bin ich denn bitte? Acht?”, protestierte ich, grinste aber gleichzeitig. “Ohh, wer weiß. Möglich. Mach.”, gab er zurück, in seinen blauen Augen stand ein schelmisches Glitzern. Ich seufzte theatralisch und schloss brav die Augen. Etwas landete in meiner rechten Hand.
Neeeein. Nicht möglich. Wunschdenken.
“Kannst gucken.”
Folgsam blinzelte ich.
Und zog den Atem ein.
Er war so schön, wie ich ihn in Erinnerung hatte.
Sieben Buckel, leicht federnd, nur ganz leicht.
Albus hatte mir den Elderstab wiedergegeben.
“Wow.”, sagte ich. Es war ein absolut untypisches Wort für mich, aber mehr konnte ich dazu nicht sagen. “Sicher? Dass ich ihn wiederhaben soll?”, fragend sah ich ihn an. Er schluckte. “Ich wüsste niemanden, der ihm würdiger wäre als du.”, erwiderte er heiser. Nachdenklich legte ich den Kopf schräg. “Weißt du eigentlich, was du da getan hast?”, ich hielt den Elderstab hoch, um meine Worte zu unterstreichen. “Das ist ein Zauberstab, und ich bin Gefangener von Askaban. Die dürfen keine Zauberstäbe haben. Weil sie sonst-”, ich ließ den Satz unvollendet. Albus zog die Augenbrauen leicht nach oben. “-ausbrechen könnten?”, beendete er meine Worte. “Ich weiß. Deshalb bin ich hier. Deshalb hab ich ihn mitgebracht. Nicht, damit du damit Starlings Initialen in den Boden zauberst.” “Seeehr lustig. Schon klar. Aber… Das ist Hochverrat am Ministerium.”, warnte ich ihn. Zur Antwort zuckte er nur die Schultern. “Na und? Wen intressiert’s? Mich nicht. Gellert. Sie haben kein Recht, dir das hier anzutun.” “Wenn du das sagst.”, antwortete ich nur. “Gut. Dann würde ich sagen, sitzen wir nicht länger unnötig rum. Relaschio!” Auf meinen Zauber hin verschwanden die Ketten, ich erhob mich und zog ihn ebenfalls hoch. “Incendio.”, fuhr ich fort. Feuer leckte an Askabans Steinwänden, machten das Gemäuer brüchig. “Achtung. Jetzt wird es explosiv.”, ich wich einige Schritte in Richtung Zelltür zurück, er tat es mir nach. Ein kurzes Schnippen mit dem Elderstab und die Mauer vor uns explodierte. Blitzschnell beschwor ich einen Protego-Zauber herauf.
“Stupor maxima!”
Bei den Heiligtümern! Im selben Moment, in dem ich mich umwandte, traf der rote Blitz Albus und er brach zusammen. Nein! ”Protego diabolica!”, zischte ich. Blau-weiße Flammen schossen aus dem Boden, als hätten sie nur auf meinen Ruf gewartet. Während die fünf Auroren noch kreischend gegen mein Feuer ankämpften, ließ ich mich neben Albus nieder und disapparierte mit ihm. An den einzigen Ort, den ich heute noch mein Zuhause nannte.
Von meinen Anhängern verlassen.
Nurmengard.

Only once more || Grindeldore FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt