85. Kapitel (Albus): Schwarze Magie

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Der leere, leblose Glanz verschwand aus seinen Augen wie die Dunkelheit dem Morgen weicht. Dann zog er mich zu sich, sah mich kurz an und küsste mich, wie er es noch nie getan hatte.
Wie erstarrt verharrte ich.
Was war das? Es... Hatte ich mich etwa getäuscht?
Ich löste mich von ihm, erwiderte seinen Blick und schüttelte den Kopf. Gellert blinzelte, dann nickte er leicht. "Ist klar.", er sagte es leise, sein Akzent schwang so deutlich mit wie selten. Ob absichtlich oder nicht konnte ich nicht sagen. Einige Sekunden schwieg er, nur der Wind peitschte unten die Wellen gegen die Felsen. "Warum? Wie kommst du auf so etwas?", fragte er schließlich.
"Auf was?", fragte ich zurück.
"Dass ich etwas mit Melissa hätte. Albus! Warum sollte ich?", er wandte den Kopf, sah die Heiligtümer an und setzte leise etwas in der Runensprache hinzu. "Was weiß ich.", antwortete ich. "Weil sie viel mehr dein Typ ist als ich?" Darauf flog sein Blick zu mir herum, stand in Flammen mit einem Gefühl, dass ich nicht deuten konnte. Als er jedoch sprach, war seine Stimme ruhig, beinahe gedankenverloren. "In Durmstrang gab es genug Mädchen die wollten, dass ich mich in sie verliebte. Ich tat es nie, nicht einmal ansatzweise. Eigentlich kam es mir so vor, als würde die ganze Schule etwas von mir wollen.", er stieß verächtlich den Atem aus, seine Augen wurden schmal. "Doch ich tat es nie. Genug von ihnen waren Melissa ähnlicher, als du glaubst. Dennoch... Du weißt, warum meine Eltern mich gehasst haben! Du weißt es! Sie haben mich gehasst, weil sie ganz genau gewusst haben, dass ich mich niemals in ein Mädchen verlieben würde. Niemals, Albus. Ich kann es nicht. Eine... Abnormalität, um es... gehoben zu sagen.", ein Lächeln voller Verachtung huschte über seine Lippen. "Ich will nicht sagen, dass ich Lissa nicht einzigartig nennen würde, das nicht. Doch gab es genügend Mädchen in Durmstrang, die nicht so... 'verweichtlich' waren, wie man es eventuell denken würde. Durmstrang ist hart. Nur die Besten der Besten kommen weit. Ich hätte es bis ganz nach oben geschafft, wäre ich nicht so den Heiligtümern des Todes verpflichtet. Ich weiß das. Ich hatte gute Chancen, als einer der erfolgreichsten und talentiertesten Schüler in die Geschichte von Durmstrang - wenn nicht gar der ganzen, magischen Welt - einzugehen. Nun... auf gewisse Weise ist es mir gelungen. Worauf ich hinauswill: Ist dir klar, wie oft ich mich hätte verlieben können? In jemanden, der Lissa - zumindest in einigen Charakterzügen - sehr ähnlich wäre? Ich tat es nicht. Genügend an meiner Schule waren Lissa in gewissen Dingen ähnlich. Aber nicht einer und nicht eine war wie du.", er schüttelte den Kopf, die Augen dunkel. Darauf erwiderte ich nichts, er schluckte. "Du wirst es nicht verstehen. Schon klar.", mit einem Seufzen wandte er sich von mir ab. "Schade um die Schule. Aber nicht zu ändern.", fuhr er, mit einem Blick auf Hogwarts' traurige Überreste, fort. Dann ging er. Die Heiligtümer des Todes folgten ihm, jetzt alle drei in ihrem Zeichen in der Luft schwebend. Als er mindestens fünfzehn Meter von mir entfernt war, schlossen sich ihm blau-weiße Flammen an. Der Wind trug mir sein leises Auflachen zu, sein sanftes: "Symiri. Hanjam yeres jalyr." Er zögerte nicht, drehte sich nicht um, sah nicht zurück. Er ging.
Und die Distanz zwischen uns wurde größer und größer.

Zehn Minuten.
Seit zehn Minuten war er fort.
Da apparierte plötzlich Lissa neben mir.
Mit vor Zorn lodernden Augen starrte sie mich an, holte aus und verpasste mir eine schallende Ohrfeige. Ich zuckte zusammen und blickte sie erschrocken an. Keuchend ließ sie die Hand sinken. "Du egoistischer, arroganter Dummkopf!", fauchte sie. "Bist du jetzt komplett verrückt geworden?!"
Kurz wartete ich, ob sie mir noch eine verpassen würde, aber sie tat es nicht. "Was?", wagte ich dann zu flüstern. Sie funkelte mich so wütend an, dass ich überlegte, warum ich nicht schon tot war. "Meine Güte, Albus!", zischte sie und betonte jedes einzelne Wort ihres Satzes. "Ist dir was aufgefallen?" "Was?", fragte ich nochmal, denn ich war absolut auf dem falschen Besen. "Grundgütiger im Himmel! Der Fluch, bei Merlins Unterhemd! Der Fluch, du-", sie biss die Zähne aufeinander. "Ich bin drauf und dran dir noch eine runterzuhauen!", warnte sie mich, atmete tief ein und schien sich zusammenzureißen. "Jetzt hör mir mal zu du genialer Lehrer! Gellert und ich haben absolut nichts miteinander, ist das klar?! Aber ich weiß, dass er dich jetzt sofort braucht! Deine Liebe, um genau zu sein! Weil dieser merlinverdammte Fluch voll reingehauen hat! Mein Gott, Albus! Noch eine halbe Stunde und ich fürchte, er ist dieses Mal wirklich tot!" Warte, WAS?! "Aber... warum so... schnell?!", stieß ich hervor. Lissa verdrehte die Augen, schien aber nicht mehr ganz so auf hundertachtzig. "Weil Gellert den Fluch doch schonmal soweit hatte, dass der ihn fast umgebracht hat. Bei jedem Comeback ist er stärker, mal davon abgesehen, dass der Fluch als solches von Jahr zu Jahr sowieso stärker wird. Bei allen, die das Zweite Gesicht haben. Und nur eine reine Liebe kann retten! Aber die ist nunmal grad nicht da, weil du", sie durchbohrte mich mit ihrem Blick wie tausende und abertausende von Pfeilen "es nicht kapierst! Merlin, wie... wie kommst du denn auf diesen Unsinn? Los, sag's mir! In einem Satz!"
Oh. Das würde schwer werden. "Ich dachte, du bist viel mehr sein Typ als ich.", gab ich schließlich zurück. "Merlin, rette mich!", Lissa machte den Eindruck, als wollte sie mir doch nochmal eine verpassen. "Das ist Unsinn, Albus. Kompletter Unsinn. Ja, ich habe deinen 'Darling' schätzen gelernt, aber ich bin doch nicht in ihn verliebt! Und er auch in mich nicht. Eigentlich müsstest du das wissen. Warum vertraust du uns nicht einfach? Warum? Sind wir so schrecklich?"
Bisher hatte ich mein schlechtes Gewissen relativ gut in Schach gehalten, doch nun überfiel es mich mit der Kraft eines herabstürzenden Meteoriten.
"Nein... Natürlich nicht. Ihr seid mir beide wichtig, Lissa. Das... Das weißt du doch. Es ist nur...", ich zuckte die Schultern. "Ich hab euch zusammen gesehen, immer wieder. Und... irgendwann kam es mir so vor, als würdet ihr beide euch einfach besser gegenseitig verstehen als Gellert und ich." Sie schüttelte den Kopf. "Stimmt nicht. Ihr beide seid meine Kumpel, meine Verbündeten. Du, und Gellert genauso. Aber er ist bestimmt nicht mein Geliebter oder sowas. Ich liebe einzig und allein Sam. Weißt du das etwa nicht mehr?", Lissa bedachte mich mit einem vorwurfsvollen Blick, der trotzdem milder war als zuvor. "Doch, natürlich. Wenn ich jetzt so drüber nachdenke... Es war unsinnig, das zu glauben. Komplett unsinnig, oder?" "Aber hallo. Der größte Unsinn, der mir seit Coral Everdals Enttarnung als Irena untergekommen ist.", nickte sie und grinste ein bisschen. "Und jetzt husch, husch. Ab mit dir und rett Gellert mal das Leben.", sie wedelte mit der Hand, als wollte sie eine Fliege verscheuchen. "Bin weg. Nurmengard, ja?" "Nein, weißt du. Das Zauberministerium.", erwiderte sie trocken. Ich seufzte und grinste ebenfalls fast unmerklich. "Ja, ja. Schon klar." Damit disapparierte ich. Zurück nach Nurmengard.

Only once more || Grindeldore FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt