43. Kapitel (Albus): Versagt

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Drei Tage später…

Mein Nervenzustand ließ sich wirklich nur als ‘total instabil’ bezeichnen. Mehr gab es dazu nicht zu sagen. Seit zwei Tagen war es so still um Gellert, dass es mir Angst machte. Heute war der dritte Tag seit dem Auftauchen des Dämons und ich wagte, wie in den Tagen zuvor, kaum, den Tagespropheten aufzuschlagen. Zu groß war meine Angst vor dem, was dort stehen könnte. Und so starrte ich den Tagespropheten genauso an, wie Gellert vor drei Tagen den Dämon. Mit einer Mischung aus Hass, Angst und Faszination.
Plötzlich flog eine Eule durchs offene Fenster. Sie ließ einen Brief vor mir fallen und setzte sich auf die Fensterbank. Ich öffnete den Brief, als könnte eine Bombe darin enthalten sein. Aber er war von Sam.

Albus,

Ich würde dir raten, dich zu setzen, wenn du Titelseite des heutigen Tagespropheten liest. Sonst haut es dich aus den Socken. Mich hat’s jedenfalls umgehauen, Lissa hat den Tagespropheten quer durch den Raum geworfen. Ahnst du, um wen es geht? Jaaah. Höchst alarmierend. Wir treffen uns in einer Viertelstunde auf Hogwarts’ Klippen.

Sam

Oh-oh. Mir dämmerte Schreckliches. Nein. Nein. Das konnte, das durfte, nicht wahr sein. Nicht das, von dem ich gerade dachte, dass es da stand. Aber gut. Augen zu und durch., sagte ich mir und drehte den Tagespropheten um, sodass ich nun die Schlagzeile auf der Titelseite lesen konnte.
Nein.
NEIN.
Das… war nicht wahr.
Nein.
Das konnte gar nicht sein.
Es war unmöglich!
Unmöglich!
Nein! NEIN! NEIN!
Dort stand:
GELLERT GRINDELWALD BESIEGT - VON MYSTERIÖSEM WESEN GETÖTET
N.E.I.N.
Nein.
Das… Es konnte nicht wahr sein. Es sollte nicht wahr sein. Es durfte einfach nicht wahr sein
Die Heiligtümer müssen ihrem Meister in die Schlacht folgen., Gellerts Worte hallten in meinem Kopf nach.
Er hatte ihnen vertraut. Den drei Heiligtümern des Todes. Er hatte darauf vertraut, dass sie ihn beschützen würden. Dass ihre Magie stark genug war, sich dem Dämon zu widersetzen. Und sie hatten ihn im Stich gelassen! Nein! “Incendio maxima!”, zischte ich. Innerhalb von Sekunden löste sich der Tagesprophet in Flammen auf. Die Heiligtümer. Sie… Sie hatten versagt! Versagt! Diese… Diese… Wenn ich sie jetzt vor mir sehen würde…
Ich wurde den Stein der Auferstehung zersplittern lassen.
Ich würde den Elderstab zerbrechen.
Ich würde den Tarnumhang in Stücke reißen.
Die Heiligtümer des Todes. Gellert hatte ihnen vertraut. Wieder sah ich vor mir, wie er den Elderstab ansah, ihm zärtlich über die Buckel strich und sanft flüsterte: Mein geliebter Elderstab. Mein Heiligtum.
Aber nicht so! Sie hatten ihn verraten! Wozu waren sie erschaffen worden? Pah, um Dämonen zu besiegen! Und jetzt das?!
Nein! Nein!
Doch. Zitternd vor Zorn starrte ich aus dem Fenster. Starling! Wenn er nicht schon tot wäre… Er konnte sich wirklich glücklich schätzen, jetzt tot zu sein. Sonst hätte ich ihn jetzt umgebracht.
Fyrtan eiras nymolvyr - Groß werden nur jene, die bereit sind, alles zu verlieren.
Das waren Gellerts letzte Worte an mich gewesen. Er hatte Recht.
Ich hatte ihn verloren.
Jetzt hatte ich nichts mehr zu verlieren.
Die Eule kreischte, als wollte sie mich daran erinnern, dass ich noch ein Treffen mit Sam und Melissa hatte. Stimmt. Das hatte ich wirklich vergessen. Obwohl ich das Gefühl hatte, mich zu zersplintern, wenn ich jetzt apparierte, nahm ich meinen Zauberstab und disapparierte zu Hogwarts’ Klippen.
Wie durch ein Wunder kam ich heil an, ohne mir auch nur ein Haar abzusäbeln. Ich konnte ja auch mal Glück haben. Kaum, dass ich das gedacht hatte, schien Gellerts Lachen durch meine Gedanken zu hallen, fast hörte ich ihn schon wie er sagte: Glück? Ja! Aber wirklich unverschämt viel, Liebster!
Diese Art von Spott war seine Spezialität gewesen. Generell. Spott, Ironie, Sarkasmus - das alles hatte er beherrscht wie kein Zweiter. Stopp, Albus., bremste ich mich und blinzelte mehrmals. Warum ‘hatte’? Schließlich war noch lange nicht gesagt, dass Gellert wirklich tot war. Das wusste nur Sam als Minister für magische Strafverfolgung.
“Hallo, Albus.”
Ah, wenn ich gerade an ihn dachte. “Sam.”, erwiderte ich leise und wandte mich zu ihm um. Er sah so mitgenommen aus, wie ich mich fühlte - seine platinblonden Haare waren strähnig, auf seinen grauen Augen lag ein Schleier. “Bin da.”, erklang Melissas Stimme. Sam und ich blickten sie an. “Lissa.”, Sam seufzte. Sie blinzelte, hielt sich nicht weiter mit Begrüßungen auf, strich sich müde das stumpfe Haar aus den Augen, sah zum Horizont und fragte: “Und jetzt? Was machen wir jetzt? Sam, raus mit der Sprache, was ist passiert!” Sam seufzte nochmals. “Nachdem Gellert uns weggeschickt hatte, hab ich eine halbe Stunde gewartet und dann fünf Auroren hingeschickt. Sie sollten ihn mir bringen. Lebend, wie ich betonte. Keine Sorge”, fuhr er fort, als hätte er die Beunruhigung aus meinem Blick gelesen “es waren keine Auroren, die Starling mochten. Nun, ich hab sie also in die Eingangshalle geschickt. Unser Zaubereiminister hatte das ganze britische Zaubereiministerium evakuiert, müsst ihr wissen. Nur fünf Minuten, nachdem ich die fünf Auroren dorthin geschickt hatte, kamen sie wieder. ‘Minister!’, rief einer ganz aufgeregt. ‘Da war kein Dämon mehr! Aber auch kein Grindelwald und keine Heiligtümer!’ Mir hat Schreckliches gedämmert, wie ihr euch bestimmt vorstellen könnt. "‘Was war denn dann da?‘, fragte ich. ‘Blut.’, hat er geflüstert. ‘Ganz viel Blut, Minister.’ Dann ist er zusammengebrochen und ich musste ihn ins St. Mungo bringen lassen. Anschließend bin ich selber hinappariert. Da ist das Loch im Boden. Und davor… so eine Blutlache. Und zwar kein blau-silbernes Dämonblut. Sondern rotes.”, Sam stöhnte auf und strich sich mit allen zehn Fingern die wirren Haare zurück. “Ich würd euch gern was anderes sagen.”, setzte er leise hinzu. Mit starrem Blick schüttelte ich den Kopf. “Nein.”, antwortete ich ausdruckslos. “Du hast die Wahrheit gesagt. Mehr kannst du nicht tun.” “Ich hätte Roran umbringen sollen!”, rief Melissa und zu meinem Entsetzen schimmerten Tränen in ihren Augen. “Es ist meine Schuld. Ich hätte ihn schon viel früher umbringen sollen! Dieses arrogante, hinterhältige, wertlose Lebewesen!”, für den Bruchteil einer Sekunde ähnelte sie mit den zerzausten, langen Haaren und dem irren Glitzern in den Augen eher einer Wahnsinnigen als der Melissa, die ich aus Hogwarts kannte. “Es ist nicht deine Schuld. Und deine auch nicht, Sam.”, ich biss mir auf die Lippe. “Es ist meine.” “Wieso das denn?”, Sam sah mich an, als hätte ich den Verstand verloren, Melissas Augenbrauen schossen in die Höhe. “Er hätte mit uns anderen apparieren können. Ist er aber nicht. Weil… Weil er den Dämon besiegen wollte. Um uns zu beschützen. Um mich zu beschützen.”, ich schluckte, schüttelte einige Male den Kopf, vertrieb so die Tränen. Aber das Flüstern konnte ich nicht vertreiben.
Deine Schuld. Es ist deine Schuld.

Only once more || Grindeldore FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt