Kapitel 22

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Ohne jegliches Zeitgefühl verharre ich in dieser Position. Meine Gefühle überwältigen mich so sehr, dass ich nicht wahrnehme, gar nicht wie angenommen alleine im Haus zu sein. Leise öffnet sich die Tür hinter mir und niemand Geringeres als Lando steht plötzlich neben mir, beugt sich über mich und legt sanft seine Hand auf meine Schulter.
"Was hat er getan?" fragt er aufgelöst. Lando deutet meinen verwirrten Blick richtig und fügt gleich hinzu: "Man konnte dich wahrscheinlich im ganzen Haus hören."
Er lächelt verschmitzt und auch ich lache unter Tränen auf. Schnell wische ich mir diese aus dem Gesicht, bevor ich Landos Hand ergreife, die mich nach oben zieht.
"Ich geb dir kurz ein paar Minuten, ja? Aber dann warte ich im Wohnzimmer auf dich."
Damit streicht er mir über die Schulter und verlässt dann den Raum.
Ich bin dankbar dafür, dass er hier ist, auch wenn ich keine Ahnung habe, warum.
Meine Familie würde ich mit dem Thema Ben nicht belasten wollen, aber ich bin so froh, dass ich gerade nicht allein sein muss. Ich gehe kurz ins Bad, um mein Gesicht zu waschen, bevor ich Landos Einladung annehme und zu ihm nach unten gehe.

Er steht in der Küche und rührt in zwei Tassen rum. Als er mich bemerkt, blickt er mich lächelnd an und drückt mir dann eine davon in die Hand.
"Heiße Schokolade ... mit Hafermilch. Hat mir meine Mum früher immer gemacht, wenn's mir nicht gut ging. Also mit normaler Milch ... ach, du weißt schon." stammelt er.
Ist er nervös? Schüchtert ihn die Stille in diesem Haus gerade etwa auch so ein wie mich? Oder liegt's daran, dass das gerade der intimste Moment ist, den wir je miteinander geteilt haben?
Ich bin so verletzlich wie noch nie in seiner Gegenwart. Ich habe keine Energie mehr dafür, die Mauern um mich herum aufrechtzuerhalten und mich auf den nächsten Schlag, der von ihm kommen könnte, vorzubereiten. Es ist, als wäre für eine kurze Zeit unausgesprochener Waffenstillstand eingetreten. Als hätte mein Gefühlsausbruch so etwas wie das Schwenken der weißen Fahne für uns bedeutet. Zumindest für den Moment, vielleicht sogar für den ganzen Abend.

"Warum bist du nicht mit den Anderen im Kino?" frage ich Lando, um die Stille zu durchbrechen

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"Warum bist du nicht mit den Anderen im Kino?" frage ich Lando, um die Stille zu durchbrechen. "Ich hatte bis eben noch ein Meeting mit dem Team, die sind alle im Headquarter, deshalb die Uhrzeit." Er spielt auf die Zeitumstellung an, in England ist es gerade morgens.
Ich nicke und trete dann meinen Weg zur Couch an, auf die ich mich erschöpft fallen lasse. Lando folgt mir und setzt sich neben mich, zuerst mit sicherem Abstand, doch er rückt näher, als er bemerkt, dass ich nichts dagegen habe. Ich nippe an der heißen Schokolade und versuche meine Gefühle zu unterdrücken, doch gerade das bewirkt, dass mir wieder eine Träne die Wange runterläuft. Lando rückt noch ein Stück näher, nimmt mir die Tasse aus der Hand, um sie auf den Couchtisch zu stellen und zieht mich dann in seine Arme. Es fühlt sich komisch an. Eigentlich bin ich ihm schon so nahe gekommen, doch auf so oberflächliche Art und Weise. Wir haben uns zwei Mal während einer Partynacht geküsst, aber bislang hatte ich keine Ahnung, wie wohl ich mich in seiner Umarmung fühlen würde. Es ist, als hätten wir das ganze Emotionale und Zwischenmenschliche übersprungen und nur dem sexuellen Verlangen nachgegeben, als wir was miteinander hatten. Alles andere hätte vermutlich unsere Mauern eingerissen. Und das war nicht der Plan.
Ich verharre lange in Landos Umarmung, doch als meine Kraft nachlässt, lasse ich mich zur Seite fallen, immer noch seine Arme um mich geschlungen. Ich liege also in seiner Umarmung auf der Couch, drehe ihm aber den Rücken zu, als ich zu schniefen beginne. Entgegen meiner Erwartungen, löst sich Lando nicht von mir. Löffelchen also.
"Willst du drüber reden, was er von dir wollte?" beginnt Lando das Gespräch, als ich allmählich ruhiger werde.
"Dass ich mich in Schweigen hülle und seinen Ruf nicht schade, jetzt wo er sich wieder in den Motorsport zurückkämpfen will." gebe ich Lando eine Kurzzusammenfassung.
Ich hatte angenommen Ben nie mehr an der Strecke zu sehen, nachdem es zwischen ihm und seinem Team in der letzten Saison ordentlich gekracht hat und kein anderes Team riskieren wollte, einen Hitzkopf wie ihn aufzunehmen. Die Sorge um sein Image ist also gar nicht mal so unberechtigt.
"Ich hatte ja keine Ahnung, dass er auf dich losgeht, nach unserem Gespräch." seufzt Lando besorgt.
"Hm?" mache ich, weil ich nicht verstehe, wie das Ganze zusammenhängt.
"Mick hat mich vorgestern zur Rede gestellt. Er wollte wissen, warum ich immer noch mit Ben befreundet bin." erklärt Lando sich.
Das muss auf der Heimfahrt gewesen sein, nachdem ich meine provokante Bemerkung habe fallen lassen, dass Lando unser Selfie ja Ben schicken könne, und dann mit Carlos gefahren bin. Ich weiß, dass Mick sich nicht einmischen und uns unsere Diskrepanzen selbst klären lassen wollte. Es ist mittlerweile aber schon fast ein Monat her, dass Lando und ich aufeinander getroffen sind, und wir haben uns immer noch nicht ausgesprochen. Und Mick wäre das wichtig gewesen, weil nicht nur ich ihm wichtig bin, sondern jetzt auch sein neuer Freund, der Typ neben mir. Ich nehm's ihm also nicht übel, dass er mit dem Gespräch die ersten Schritte einleiten wollte.
"Du kannst befreundet sein, mit wem du willst." entgegne ich, da ich niemals vorhatte Lando so nah an mich heranzulassen, dass es mich belasten würde, dass er und mein Ex Kumpels sind. Ob das noch so stimmt?
"Seit ich die Wahrheit kenne, könnte ich unter keinen Umständen mehr mit diesem Kerl befreundet sein, Emilia." schnaubt er in meinen Rücken, und seine Arme drücken mich näher an sich, als er würde er sicher gehen wollen, dass ich vor diesem Gespräch nicht weglaufe.
"Welche Wahrheit?" hinterfrage ich seine Aussage und drehe mich dann doch wieder zu ihm um. Ich muss etwas Abstand zwischen uns bringen, um ihm ins Gesicht statt auf die breite Brust blicken zu können."Ich will mich seit Tagen bei dir entschuldigen, doch du schaffst es immer, mir aus dem Weg zu gehen." murmelt Lando und schüttelt dabei ungläubig den Kopf.
"Lando Norris will sich entschuldigen?" entgegne ich mit hochgezogener Augenbraue und spüre, dass der Kampf zwischen uns nicht ganz pausiert ist.
"Ich mein's wirklich ernst, Emilia." weist Lando mich in die Schranken und ich sehe ihn abwartend an. Kein Platz mehr für Späße.
"Mick hat mir erzählt, dass Ben dich betrogen hat..." beginnt er dann, und ich schließe ungläubig die Augen.
"Du warst live dabei, Lando. Was soll das jetzt?" erwidere ich und nehme selbst die Anspannung in meiner Stimme wahr.
Er senkt den Kopf, bevor er weiter spricht. "Weißt du warum ich an diesem Tag nach Ibiza zu Ben geflogen bin?"
Ich zucke mit den Schultern.
"Weil er meinte, dass ihr euch getrennt habt, weil du ihn zuvor beschissen hättest, Emilia."
Ein dumpfer Schlag in die Magengrube. Lando dachte, Ben ist single. Während er eigentlich noch mit mir zusammen war. Während ich in London saß, in der Bib für meine Prüfungen gebüffelt habe, nichtsahnend davon, dass meine Beziehung wirklich in einigen Stunden zerbrechen wird. Die Tränen kommen wieder, während Lando weitererzählt.
"Ich war der Meinung, dass du ihn betrogen hättest, und die Aktion mit der Frau im Hotelzimmer, das wäre seine Racheaktion gewesen. Ich hätte dir das niemals angetan, Emilia. Und schon gar nicht hätte ich die letzten Woche, diesen Spießrutenlauf mit dir veranstaltet, hätte ich gewusst, dass das keine Ignoranz deinerseits war, sondern dass ich dich so sehr verletzt habe."
Er kann mich kaum ansehen dabei. Und es braucht lange, bis seine Worte sickern.
"In deinen Augen war ich die Betrügerin." flüstere ich, da meine Stimme nicht nur tränenerstickt ist, sondern sich längst verabschiedet hat.
"Und in deinen, war ich der Kumpel deines Ex's, der eigentlich dich beschissen hat, und ich hab noch die Kamera draufgehalten, damit du es ja nie vergisst." Landos Stimme bebte und er schüttelt ungläubig den Kopf.
Eine Art von Erleichterung macht sich in mir breit. Als wäre ich erleichtert, dass Lando nicht der Mistkerl war, für den ich ihn gehalten hatte. Dass ich ihn mögen darf. Und er vielleicht nicht darauf aus ist, mich zu verletzen. Da ist eine Menge zu verarbeiten und bei dem Gedanken daran wird mir ganz schwindelig. Ich schließe meine Augen und kuschel mich jetzt doch an Landos Brust. Er ist von der plötzlichen Nähe überrumpelt, das entnehme ich seiner Körperspannung. Doch nach ein paar Sekunden, spüre ich, wie er mir sanft über den Kopf streicht.

"Zuerst wollte ich abwarten und Ben persönlich zur Rede stellen, aber es brannte mir so auf der Seele, dass ich ihn gestern anrief

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"Zuerst wollte ich abwarten und Ben persönlich zur Rede stellen, aber es brannte mir so auf der Seele, dass ich ihn gestern anrief." erzählt Lando weiter.
Langsam verstehe ich, dass das wohl der Auslöser für seinen Anruf heute gewesen sein musste. "Hat er es wenigstens zugegeben?" frage ich hoffnungsvoll.
Ich spüre, wie Lando langsam nickt, die Anspannung weicht aber nicht aus seiner Stimme, als er sagt: "Ja, aber das Schlimme daran ist, dass ich keine Reue seinerseits wahrgenommen hatte. Weder wegen dir noch wegen der Lügen, die er mir seit Monaten auftischt."
Man spricht nicht schlecht über den Ex, doch irgendwie bin ich darüber nicht überrascht. Trotzdem habe ich kein Interesse daran, Ben vor Lando weiter schlecht zu reden. Das, was er weiß, das stimmt, daran kann ich nichts ändern. Ben hat sich selbst dazu entschieden. Aber all die negativen Dinge, die ich über Ben denke, sei es jetzt in dem Moment oder über die letzten Monate hinweg gewesen, behalte ich lieber für mich.
"Hätten wir doch bloß auf die Anderen gehört, und mal miteinander gesprochen, statt rumzuknutschen." gebe ich jetzt lachend von mir, um der Situation etwas die Schwere zu nehmen.
Lando stimmt nicht in mein Lachen mit ein. Stattdessen rückt er ein Stück zurück, nur um seine Finger unter mein Kinn zu legen, es anzuheben und mich förmlich dazu zu zwingen, ihn anzusehen.
"Glaub nicht, dass ich das bereue, Emilia." flüstert er dann und während ich in seinen Augen versinke, fühle ich mich plötzlich nicht mehr ganz so allein in all dem Chaos.

✨ Persönliche Anmerkung ✨Eure ganzen Kommentare unter dem gestrigen Kapitel haben mich so gerührt! Vielen lieben Dank! Es ist einfach krass anfangs nur für sich zu schreiben und plötzlich so tolles Feedback zu bekommen, mit dem man wirklich arbeit...

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✨ Persönliche Anmerkung ✨
Eure ganzen Kommentare unter dem gestrigen Kapitel haben mich so gerührt! Vielen lieben Dank! Es ist einfach krass anfangs nur für sich zu schreiben und plötzlich so tolles Feedback zu bekommen, mit dem man wirklich arbeiten kann! 😍🧡
Und jetzt finally: Die langersehnte Aussprache!! 😮‍💨🥹
Hoffe es gefällt euch! Was glaubt ihr, was zwischen den beiden jetzt passiert? 🫣🫶🏻 xo 💖


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