Kapitel 46

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Ich komme nicht dazu, Oscar zu antworten, denn da sehe ich plötzlich den Angeklagten selbst um die Ecke biegen. Lando, der in der einen Hand zwei Coffee to go Becher hält und in der anderen eine Tüte, vermutlich vom Bäcker, bleibt wie angewurzelt stehen, als er seinen Teamkollegen und mich vor seiner Hotelzimmertür entdeckt. Seufzend aber grinsend sieht er dann Oscar an, als er sich zu uns gesellt und legt mir dabei seinen Arm um die Hüfte. Die beiden grinsen sich wortlos an, bis ich mich räuspere, da ich eh schon spät dran bin.
"Musst du schon los?" fragt Lando mich und ich antworte mit einem Nicken.
"Na komm, dann fahr ich dich und wir frühstücken im Auto." Damit macht er am Absatz kehrt, ich verabschiede mich schnell von Oscar und folge ihm.
"Iced Cappucino mit Hafermilch, ich hoffe das passt." Lando reicht mir den Kaffeebecher, als wir im Lift stehen und ich lächle ihn dankbar an. Für mich der Liebesbeweis schlechthin, die Kaffeebestellung des anderen zu kennen. Im Auto traue ich mich erst nicht, ein Croissant aus der Tüte zu holen, da ich von meiner Familie und mir selbst nicht gewöhnt bin, im Auto zu essen. Bei Autos hört schließlich der Spaß auf.
"Ist nur ein Leihwagen, also bedien dich." fordert Lando mich auf, als er mein Zögern bemerkt und ich muss grinsen. Die kurze Fahrt über in mein Hotel, nippen wir also an unserem Kaffee und füllen unseren leeren Magen mit frischen Croissants. Ich würde so gerne so viel mehr dieser unbeschwerten Momente mit Lando verbringen, doch gerade gibt es unser Alltag nicht her.
"Wir sehen uns spätestens beim Abendessen?" erkundige ich mich, als ich aussteige und spiele auf das gemeinsame Essen an, das Carlos initiiert hat, bevor das Rennwochenende so richtig startet.
Lando nickt, bevor er lächelnd fragt: "Packst du denn deinen Koffer und siedelst ins Hilton?"
Schon wieder klopft mir mein Herz bis zum Hals, dann erkläre ich grinsend "Ich überleg's mir." und lasse die Autotür zufallen.

Ich habe 15 Minuten Zeit mich für den Mediaday fertig zu machen. Es ist extrem warm in Miami, weshalb ich mich für ein Leinenset entscheide, und meine Haare nach hinten binde. Dazu meine Heels, um das ganze etwas aufzuwerten. 

Ich packe meinen Laptop und ein paar Unterlagen in meine Polene und entschließe mich dann doch, auch meine Toilettentasche und ein paar Klamotten dazuzugeben

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Ich packe meinen Laptop und ein paar Unterlagen in meine Polene und entschließe mich dann doch, auch meine Toilettentasche und ein paar Klamotten dazuzugeben. Mercedes hat mir einen Wagen in die Tiefgarage des Hotels gestellt, ich kann das Zeug dann also im Auto lassen, und so bin ich wenigstens vorbereitet, sollte ich es brauchen. Was ich irgendwie hoffe.

Der Vormittag ist ein einziges Augenblinzeln. Ruby fängt mich schon am Eingang des Stadions ab, händigt mir einen Mercedes-Team-Pass aus und drückt mir eine Liste mit Namen von Journalist:innen in die Hand, die heute hier sein werden, und die später Timeslots mit George, Lewis und Kimi ergattern konnten. Alle Driver stehen nach der offiziellen Pressekonferenz noch ein paar Stunden für Einzelinterviews und seit neuestem auch Social Media Drehs zur Verfügung, welche ich heute gleich übernehmen soll. Während die große Pressekonferenz läuft, ziehen Kimi und ich uns in einen Meetingraum im Mercedes-Teamhaus zurück, in dem er sich auf die anstehenden Interviews vorbereitet und ich meine Liste durcharbeite. Ich recherchiere, wer die Leute sind, auf die ich später treffen werde und lese mir ihre Ideen durch, welchen Content sie später mit den Drivern drehen möchten. Dieser muss zur Abgabe bereits vorab eingereicht werden. Manche Sachen können somit rausgestrichen werden, und auf die, die übrig bleiben, werden die Driver dann im Medientraining vorbereitet. Und da komme ich ins Spiel.
George und Lewis sind überrascht, als Ruby sie in den Raum führt und plötzlich ich vor ihnen stehe. Sie haben wohl nicht damit gerechnet, dass ich heute schon in meine zukünftige Position hineinschnuppern kann. Doch gleich darauf grinsen sie beide breit.
"Mich macht's richtig traurig, dass ich nächstes Jahr nicht mehr Teil davon sein werde." murmelt Lewis dann, als er mich zur Begrüßung umarmt.
Wir besprechen die einzelnen Drehs, die am Nachmittag anstehen und gehen die wichtigen Personen durch, die sich später, aber auch vor allem an den Renntagen, rund um die Mercedes-Box tummeln werden, bevor wir gemeinsam zum Lunch in den Paddock-Club gehen.
"Wir essen heute mit den Leuten von Tommy Hilfiger." erkläre ich auf dem Weg dorthin.
"Ah shit, wir sind doch mit Carmen verabredet." stößt George aus.
"Keine Sorge, die wartet dort auf uns und isst mit uns. Glaub mir, die Leute lieben euch zusammen." erkläre ich besänftigend.
George schüttelt lächelnd den Kopf und wirft Lewis dann einen frechen Blick zu.
"Ich würd mir das mit Ferrari nochmal überlegen."
Nachdem das Mittagessen mit Tommy Hilfiger, dem Gründer selbst und einer PR-Mitarbeiterin vorbei ist, haben wir noch ein wenig Zeit bis zum nächsten Termin. Carmen nützt diese sofort und erklärt den anderen, dass wir eine Runde durch das Stadion gehen, um Mick zu suchen. Bevor wir aber wirklich zu Haas gehen, klettern wir ein paar Reihen der Zuschauerränge nach oben und lassen uns dann in die blauen Plastikstühle fallen.
"Zuerst mal, sowas von herzlichen Glückwunsch zum tollsten Jobangebot überhaupt!?" kreischt sie beinahe und fällt mir um den Hals.
Ich grinse sie breit an, da fügt sie hinzu: "Fühlt sich an als hättest du in die Familie eingeheiratet und als wären wir beide jetzt verschwägert, obwohl es ein Jobangebot und keine Hochzeit ist." Carmen lacht über ihren Scherz selbst am meisten, und ich muss mich bei dem Wort Hochzeit bemühen, mein Gesicht unter Kontrolle zu bekommen, während ich an Georges Vorhaben denke. Doch Gott sei Dank ist Carmen viel zu aufgeregt um zu bemerken, wie sehr ich mich versuche zusammenzureißen.
"Heute Morgen gab's allerdings ein kleines Missverständnis, worüber ich dich informieren wollte, damit's nicht unangenehm wird." Ihr Grinsen ist einem entschuldigenden Blick gewichen.
Ich stöhne auf und stelle mich auf das Schlimmste ein. "Was ist passiert?" frage ich vorsichtig. "Naja, als ich spät in der Nacht angekommen bin, hat George mir nur kurz gesagt, dass du vermutlich auswärts schläfst. Und als ich dich heute Morgen zum Frühstück abholen wollte und du nicht in deinem Zimmer warst, hab ich... bei Charles geklopft."
Ich schlage die Hände vor den Kopf, pruste dann aber los, als ich mir die Situation vorstelle. "Jetzt warte, die Story geht noch weiter." wirft Carmen ein.
"Ich hab Charles wohl aus dem Schlaf gerissen, und er war nicht alleine."
Mein Lachen habe ich eingestellt, jetzt sehe ich Carmen mit großen Augen an.
"Er hat gestern eine andere abgeschleppt?" frage ich etwas überrascht.
Carmen nickt, zuckt dann aber mit den Schultern. "Ich hab sie gesehen, als ich kurz einen Blick über seine Schulter ins Zimmer geworfen habe. Aber ich kenne sie nicht."
Was ein Womanizer. Langsam weiß ich, woher sein Ruf kommt. Bei dem Gedanken stiehlt sich wieder ein leichtes Grinsen in mein Gesicht.
"Das ist okay für dich?" Carmens Blick ist voller Skepsis.
"Wie sollte es das nicht sein? Ich war doch selbst mit jemand anderem zusammen."
"Du kannst das Kind, also Lando, ruhig beim Namen nennen."
"Ja, okay. Aber können wir mal kurz darüber reden, dass ich überhaupt kein Recht darauf habe, das kacke zu finden? Unabhängig davon, dass du vor seiner Tür aufkreuzt und mich bei ihm suchst, damit er ja mitbekommt, dass ich bei Lando geschlafen hab?" Jetzt müssen wir beide laut loslachen.
Nachdem wir uns wieder eingekriegt haben, berichte ich Carmen von der Aussprache mit Lando und wie es überhaupt dazu kam, dass ich bei ihm geschlafen habe. Da sich die Mittagspause zu Ende neigt, sind wir bereits am Weg zum Haas-Teamcorner, als ich mit meiner Erzählung zum Ende komme.
"Warum einfach, wenn's auch kompliziert geht?" kommentiert Carmen das Ganze, als ich schon Mick winke, der mit Noah in der Sonne sitzt. Ich begrüße Noah freudig, den ich schon zu lange nicht gesehen habe. In der Schweiz haben wir uns verpasst, in China war ich nicht mit und seine Freizeit verbringt er dann doch gerne zuhause bei Ava, statt mit uns in Mailand um die Häuser zu ziehen, wie letztes Wochenende. Nachdem auch er mir zu dem Mercedes-Jobangebot gratuliert hat, fügt er noch einen neckenden Kommentar hinzu: "Krass, jetzt spaltet sich die Familie also."
"Naja, für Mercedes ist Dad gefahren, für Haas wohl eher nicht, oder?" kontere ich grinsend und Mick erwidert lächelnd: "Touché."
Wenn das Thema auf unseren Dad gelenkt wird, suchen unsere Blicke sich immer gegenseitig. In Micks Augen zu blicken, hat in diesen Momenten eine beruhigende Wirkung auf mich und ihm scheint es ähnlich zu gehen. Als würden wir uns daran erinnern müssen, dass wir uns immer noch gegenseitig haben, obwohl wir so viel verloren haben.

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