Kapitel 68

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Charles und ich tauschen uns oberflächlich über das Thema aus. Natürlich erzähle ich ihm hier an der Bar nichts von dem wirklichen Grund meiner schlechten Laune.
Charles ist mit dem Pivatjet nach Kanada gekommen und fliegt im Anschluss an das Rennen direkt nach Monaco. Seine Einladung, mich mitzunehmen, nehme ich dankend an und schicke sofort eine Nachricht an Carmen, die nicht mit nach Kanada gereist ist, ob ich ihre Wohnung als Unterschlupf nutzen kann.

»Natürlich. Trifft sich super, ich bin gerade am Weg nach Monaco, du bist also nicht alleine. <3«

Hört sich so an, als hätte George ihr Bescheid gegeben.

Als das Rennen endet, lasse ich Charles an der Bar zurück um ein kurzes WrapUp-Meeting mit Toto abzuhalten. Danach schnappe ich mir meine Sachen und schaue noch kurz bei der Haas-Garage vorbei um Mick von meinen Plänen zu erzählen und mich zu verabschieden. Er ist auch gerade fertig geworden und wir verlassen gemeinsam das Gelände. Als wir aus dem Paddock treten, wartet Charles bereits am Parkplatz auf mich.
"Bist du dir sicher, dass du alleine zurecht kommst?" will Mick skeptisch wissen und bleibt mit mir ein paar Meter vor Charles stehen.
"Ich bin nicht alleine. Ich kann bei Carmen in Monaco bleiben, solange ich möchte. Aber ich würd's die nächsten Tage nicht schaffen, Lando aus dem Weg zu gehen..." entgegne ich ruhig. Mick schüttelt den Kopf und stöhnt dabei. Seine sonst so hellen Augen haben sich verdunkelt. Wie immer, wenn er sauer wird.
"Vielleicht solltest du ihm auch gar nicht aus dem Weg gehen. Vielleicht solltest du einfach endlich mit ihm reden und nicht alles mit dir alleine ausmachen."
Ich weiche einen Schritt zurück. Ich mag's nicht, wenn Mick laut wird, auch wenn er es nur gut mit mir meint. Mit Blick zu Boden schüttel ich langsam den Kopf.
"Du weißt, dass du mit deinem Verhalten genau dasselbe tust, wie Lando bei dir und der Presse? Du triffst eine Entscheidung für ihn, die er selbst zu treffen hat. Sein Päckchen ist die Öffentlichkeit, die er wahrscheinlich auf dich hetzen würde, wenn das zwischen euch rauskommt. Dein Päckchen ist deine Vergangenheit... Aber jeder von euch kann sich selbst entscheiden, ob er das Päckchen mit der anderen Person tragen möchte, oder nicht. Du bevormundest ihn und das ist nicht fair."
"Nicht fair wäre es, ihn auf meine Seite zu ziehen, obwohl ich weiß, dass ich ihn nicht glücklich machen kann." murmle ich bloß.
"Verdammt, Emilia!" schreit mein Bruder plötzlich auf und ich zucke zusammen. "Lando und du macht euch gegenseitig so glücklich. Die einzigen Momente, in denen es ihm schlecht geht, sind die, in denen du ihn wegstößt. Warum siehst du das nicht?"
Mein Herz pocht laut, aufgrund Micks Reaktion. Trotzdem höre ich Charles' Schritte hinter mir. Dann spüre ich seine Hand auf meiner Schulter. Mein Bruder sieht weiterhin skeptisch zwischen uns hin und her. Dass er Team Lando ist, lässt er ihn deutlich spüren.
"Pass auf sie auf und vielleicht bringst du sie ja wieder zur Vernunft." sagt er in seine Richtung aber zieht mich dann nochmal in eine kurze Umarmung, die ich kaum schaffe zu erwidern. Dann macht er am Absatz kehrt.
Ich kann einfach nicht damit umgehen, wenn meine mir am engsten stehenden Menschen sich scheinbar gegen mich stellen. Deshalb zitter ich am ganzen Körper, als Charles mich in Richtung des Shuttles schiebt, das uns zum Flughafen bringt.

Charles ist eine angenehme Reisebegleitung. Die 12 Stunden Flugzeit schlafe ich großteils, da mich nicht nur der Tag auf der Rennstrecke erschöpft hat, sondern ich auch die letzte Nacht nicht sonderlich viel Ruhe fand. Als ich aufwache, kann ich das europäische Festland schon beinahe aus dem Fenster unter uns sehen.
"Du hast geschlafen wie in Baby." grinst Charles mich an, der mir gegenüber sitzt und gerade seine seine OverEar-Kopfhörer abnimmt.
"Wahrscheinlich die Erleichterung darüber, aus der Situation fliehen zu können." erwidere ich noch gähnend und greife nach der Wasserflasche vor mir.
Charles Blick schweift seufzend vom Fenster zu mir, als er sagt: "Du weißt, dass du immer zu mir kommen kannst, wenn du reden möchtest."
Ich nicke leicht lächelnd und bin dabei wieder mal dankbar, ihn zu haben. So großartige Stützen mein Bruder oder auch George für mich sind, so überfordert hat mich ihre Meinung, dass ich dringend mit Lando sprechen muss, in letzter Zeit. Charles ist einfach nur für mich da, ohne mich zu etwas zu drängen. Er strahlt die Ruhe aus, die ich in dieser Situation dringend benötige.

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