Kapitel 64

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Die sozialen Medien sind voll von Bildern, die mich vor der Mercedes-Garage zeigen – nichtsahnend, als die Reporter auf mich zustürmten. Aufnahmen, wie ich von ihnen umringt werde, wie Lando, Charles und George mich herausziehen, wie Lando und Charles mich beruhigen.
Überraschenderweise gibt es keine Fotos von Lando und mir allein, als wir von der Strecke fliehen. Für die Medien zählt offenbar nur das, was die Leute sehen wollen. Und im Moment wollen die Menschen eine traumatisierte junge Frau sehen, die sich aufgrund eines Vaterkomplexes an den Ferrari-Fahrer klammert, auf den bei seinem Heimrennen alle Augen gerichtet sind.

Ich sitze auf Landos Balkon, lege mein Handy beiseite, umschlinge meine Beine und starre nachdenklich aufs Meer hinaus. Mein Herzschlag beruhigt sich nur langsam. Lando hat mir gerade eine Tasse Tee gebracht, doch ist wieder nach drinnen verschwunden, als es an der Tür geklingelt hat. Jetzt höre ich die aufgelösten Stimmen meiner Mum und meines Bruders hinter mir. Während Mum mit erschrockenem Blick und ausgestreckten Armen auf mich zugelaufen kommt, unterhält sich Mick sauer mit Lando.
"Wie kann man auch so wenig Anstand haben und absolut keine Grenzen wahren?" stößt er schnaubend aus.
Ich umarme Mum lange und versuche sie zu beruhigen, während ich Mick über ihre Schulter hinweg einen warnenden Blick zuwerfe. Er muss es nicht noch schlimmer machen, vor allem nicht für sie. Das Wochenende ist für sie schon schwer genug, und ich bin einfach froh, dass sie bei Haas gut umsorgt wird. Onkel Henry und Tante Margot weichen nicht von ihrer Seite, während Noah sich darum kümmert, ihr die Presse vom Leib zu halten.
Währenddessen versuche ich, meine Arbeit bei Prema und Mercedes zu erledigen und mich so wenig wie möglich zu zeigen – was heute nach dem Qualifying nicht ganz geklappt hat.
Doch dass Charles und Lando ihre Interviews abbrechen und in meine Richtung stürmen würden, hätte niemand voraussehen können.
Ich weiß nicht, was mich mehr schockiert hat: die Frage an Charles über meinen Vater oder wie die Reporter mich ohne jegliche Rücksichtnahme überrannten.
Respekt vor der Presse habe ich jetzt, und ich verstehe Landos Bedenken mehr denn je.

Wir sitzen noch ungefähr eine Stunde gemeinsam auf dem Balkon, bis die Sonne langsam untergeht und Mum und Mick sich verabschieden.
Es tat gut, meine Familie um mich zu haben, doch die Sorge meiner Mutter überschattet meine negative Erfahrung mit der Presse. Natürlich habe ich versucht, Mum und Mick das Gefühl zu geben, dass ich das Ganze leicht wegstecke.
Doch als sie weg sind und ich die Kommentare unter den Bildern auf Instagram noch einmal lese, holt es mich wieder ein. Auch wenn ich in den letzten zehn Jahren eine dicke Haut entwickelt habe und dachte, es sei mir egal, was fremde Menschen über mich denken, treffen mich die grausamen Worte der Kommentare hart.

Wenn der Vater langsam in Vergessenheit gerät, muss wohl ein anderer Rennfahrer her.

Andere Familien gehen nach solchen Erlebnissen zum Psychologen, die Schumachers an die Rennstrecke.

'Everyone is a Ferrari Fan' hat sie wohl zu ernst genommen.

Welchen Vaterkomplex will sie mit Leclerc wettmachen?

Erst als Lando sich neben mich auf die Couch setzt, merke ich, dass ich während des Lesens die Luft angehalten habe.
"Unter keinen Umständen solltest du lesen, was diese Idioten da draußen schreiben." murmelt er besorgt und nimmt mir mein Handy aus der Hand.
Er kann den Bildschirm nicht gesehen haben, mein Blick muss mich verraten haben. Ich lasse einen tiefen Seufzer los und lehne meinen Kopf an seine Schulter. Das alles sind keine Themen, die einer Kennenlernphase gut tun. Trotzdem bin ich so froh, dass Lando bei mir ist.


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