Kapitel 24

1.5K 50 22
                                    

"Es hat wieder nicht funktioniert. Würden Sie doch bitte jemanden mit mir hochschicken, damit ich endlich in mein Zimmer kann?" Einige Tage später finde ich mich völlig erschöpft an der Rezeption des besagten Ritz Carlton in Melbourne wieder.
Haas hat uns hier einquartiert (ja, ich genieße es immer noch, die Plus One von Mick zu sein und nicht im Standard-Hotel von Prema zu schlafen). Lando dürfte als einziger Fahrer in einem anderen Hotel sein. Woran das liegt, wissen wir ja.
"Ja, klar. Ich rufe kurz meinen Kollegen, der Sie begleiten wird." entgegnet die Rezeptionistin freundlich. Dankbar nicke ich.
Es ist bereits Freitag Abend, nach den freien Trainings. Ich bin zwar seit Donnerstag an der Strecke im Einsatz, habe aber beschlossen, noch zum Ferienhaus zu pendeln, solange meine restliche Familie noch dort ist. Mum, Tante Margot und Onkel Henry sind heute Nachmittag bereits hier eingecheckt, als Noah, Ava und ich noch auf der Strecke waren. Ava hat Noah heute begleitet, ich hatte bei Prema aber so viel zu tun, dass ich es nie zu Haas geschafft habe und nicht weiß wo die beiden oder mein Bruder sich gerade rumtummeln. Auch das Abendessen mit meiner Familie habe ich verpasst, da es noch Probleme mit einem unserer geladenen Gäste gab. Dass meine Zimmerkarte jetzt zum zweiten Mal nicht aufschließt, ist also nur die Kirsche auf dem Sahnehäubchen des nervenaufreibenden Tages.
Als ich kurz auf die Uhr sehe, während ich auf den Hotelmitarbeiter warte, werde ich plötzlich von hinten angesprochen.
"Hey, du bist doch Micks Schwester, oder?"
Ich drehe mich um, und blicke in ein orangefarbenes Teamdress. Die Stimme und seine Größe lassen mich Gott sei Dank sofort verstehen, dass es sich hierbei nicht um Lando handelt.
Weil der junge Australier mich um einige Köpfe überragt, muss ich meinen Kopf in den Nacken legen, um zu erkennen, dass Oscar vor mir steht. Dann lächle ich.
"Hey! Ich bin Emilia." strecke ich ihm daraufhin meine Hand entgegen, doch er zieht mich gleich in eine herzliche Umarmung.
"Ich bin Oscar." erklärt er, als wir uns wieder lösen, woraufhin ich lachend antworte: "Ich weiß.". Wir erklären uns kurz, warum wir heute erst einchecken. Oscar hat die Tage bei seiner Familie so lange wie möglich ausgekostet, jetzt wo er aber Fokus braucht, ist ihm seine nervös im Haus herumlaufende Mum aber zu viel.
Ich mag Oscar auf Anhieb. Er ist lustig, und ich glaub, ohne dass er es bemerkt.
Da das Gespräch so nett ist, aber abreist, als ich mit dem Hotelmitarbeiter nach oben zu meinem Zimmer muss, wollen wir uns in einer halben Stunde in der Hotelbar treffen. Das passt für mich gut, da ich Bärenhunger habe und noch auf etwas Essbares hoffe, um 21 Uhr.

Etwas später, ich sitze mit Oscar an der Bar, ein Avocado-Sandwich vor mir, habe ich den Eingangsbereich der Hotellobby fest im Blick. Meine Familie ist nicht auf ihren Zimmern zu finden, weshalb sie sicherlich jeden Augenblick vom Abendessen zurückkommen sollten.
Statt jemanden aus meiner Familie, beobachte ich aber, wie Danny Ric die Lobby betritt. Doch es ist nicht er, der meine Aufmerksamkeit auf sich zieht, sondern Luisa, neben ihm.
Ich schaffe es zwar meinen Blick abzuwenden, bevor sie mich sieht, doch als ich das nächste Mal zu ihnen blicke, habe ich das Gefühl, ihr geradeaus in die Augen zu sehen.
Oscar, der meine Ablenkung natürlich mitbekommen hat, dreht sich um, erkennt die beiden, oder zumindest Danny, keine Ahnung, und winkt ihnen. Als Danny zurückwinkt und drauf und dran ist, auf uns zuzusteuern, bereite ich mich schon auf ein Gespräch mit Luisa vor. Ich habe ihr so viel zu sagen, doch ... sie verabschiedet sich von Daniel mit einer Umarmung und geht zum Lift. Und wirft mir einen bösen Blick über die Schulter zu. Oder bilde ich mir das bloß ein? Doch auch wenn's so wäre, kann ich's verstehen.
"Hey Oscar, hey Emilia!" begrüßt uns Daniel breit grinsend und durchbricht mein schlechtes Gewissen. Ich liebe es, von Menschen ein gutes Gefühl zu bekommen, die man noch nicht mal richtig kennt. Ich hüpfe von meinem Barhocker, um ihn zu umarmen und sage dabei: "Das Vorstellen erübrigt sich ja wohl. Hi, Danny!"
Er bleibt noch für einen Drink mit uns an der Bar und während ich mein Sandwich aufessen, erkundigt er sich nach Oscars Zeit zuhause und den kleinen Familienurlaub der Schumachers. "Hat deine Familie Lando mittlerweile adoptiert?" fragt er dann lachend, obwohl ich ihn mit keinem Wort erwähnt habe.
Ich seufze, erwidere dann aber grinsend: "Ich werde jetzt hier nichts Schlechtes über Lan sagen, wenn ich mit euch beiden hier sitze."
"Wo ist er überhaupt?" will Oscar jetzt wissen.
Klar, McLaren hat die beiden ursprünglich hier einquartiert, und Oscar hat sich bislang nicht damit auseinandergesetzt.
"Er schläft im W Hotel, hier gleich in der Nähe. Wahrscheinlich, um Luisa aus dem Weg zu gehen." erklärt Danny, und ich bin froh, mich raushalten zu können.
Oscar zieht die Augenbraue hoch, als er skeptisch erwidert: "Ich mag Luisa ja wirklich, aber was macht sie hier? Überhaupt im Driver Hotel?".
Danny lehnt sich an der Bar nach vorne und entgegnet seufzend: "Antworten für die plötzliche Trennung finden?".
Ich schlucke. Laut Lando habe er ihr die geliefert. Ich habe keine Lust, schon wieder am Wahrheitsgehalt seiner Aussagen zu zweifeln, doch das muss ich auch gar nicht lang, da Oscar einschreitet: "Ich hab die beiden letztes Rennwochenende live erlebt. Und Lando hat jede freie Sekunde dafür genutzt, ihr Antworten zu geben."
Ich merke, wie die Angst meinen Brustraum verlässt. Und wie ich gleichzeitig ein etwas schlechtes Gewissen bekomme, da es immer eine außenstehende Person benötigt, die mich davon überzeugt, dass Lando ehrlich zu mir ist. Nach all dem, was zwischen uns in der kurzen Zeit aber schon passiert ist, darf mich das aber auch nicht wundern.
"Na, das kann ja noch spannend werden." entfährt es Daniel. Und damit sollte er Recht behalten.

Pit Lane Passion - F1 relatedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt