Kapitel 91

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"Emilia." ist alles, was er sagt.
Ich öffne die Augen und sehe Charles, der in der Dunkelheit am Terrassengeländer steht und raucht. Damit erübrigt sich die Frage, was er hier draußen macht. Er sieht genauso angeschlagen aus, wie ich wahrscheinlich auch.
Er kommt zu mir, stellt sich vor mich und weil ich da so an der Mauer lehne, muss ich zu ihm aufsehen.
"Was machst du für einen Scheiß?" sprudeln die Worte aus mir, die ich nüchtern wohl sanfter verpackt hätte.
Charles zieht die Augenbrauen hoch und sieht mich abwartend an. Er weiß genau wovon ich spreche, doch vermutlich will er hören, dass ich mir Sorgen um ihn mache. Doch falsch gedacht. Meine Vorurteile hebelt er mit seiner Antwort aus: "Ich bin kein Typ, um den du dir Sorgen machen musst, Emilia."
So einer ist er also. Männer, die einem erzählen, welcher Typ sie sind, und welcher nicht, sind doch sowieso eine Red Flag, oder nicht?
Aber darum soll es hier gar nicht gehen. Benommen schüttle ich den Kopf.
"Willst du mir erzählen, dass du dir keine Sorgen um mich machst? Ich seh's doch in deinem mitleidigen Blick."
Charles' Worte klingen hart und ich bin mir sicher, der Alkohol veranlasst ihn dazu. Sonst spricht er nicht so mit mir. Ich schnaube auf. Ich habe den betrunkenen Charles wirklich nicht vermisst.
"Was hätte ich davon, dir zu verheimlichen, dass ich mir Sorgen um dich mache, Charles?" erwidere ich ruhig.
Erst als sein Name meinen Mund verlassen hat, merke ich, wie anzüglich sich meine Worte anhören könnten. Und natürlich fasst Charles sie genauso auf. Innerlich schlage ich mir die Hand auf die Stirn, doch in der Situation unterlasse ich es. Auch um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
Auf Charles' Gesicht hat sich jetzt ein Grinsen ausgebreitet und während ich dieses mustere, stemmt er seine Hand neben meinen Kopf an die Wand und kommt mir somit noch näher.
Die Luft zwischen uns ist auf einmal knapp geworden, und mein Herz beginnt schneller zu schlagen. Ich spüre die Hitze, die von Charles ausgeht, die Mischung aus Alkohol, seinem Parfüm und der Nachtluft. Seine Augen, die mich durchdringen, sind dunkel und voller Emotionen, die ich nicht zu deuten weiß. Mein Atem geht schneller, und ich kämpfe gegen die plötzliche Verwirrung in mir an. Was tue ich hier überhaupt? Warum lasse ich zu, dass er mir so nahekommt?
"Oh, ich denke, du weißt genau, was du davon hättest, Emilia." murmelt er leise, sein Atem streift meine Wange.
Ich sollte etwas sagen, mich von ihm lösen, ihm sagen, dass es genug ist – aber ich kann nicht. Meine Worte bleiben mir im Hals stecken, und stattdessen bleibe ich regungslos an die Wand gelehnt, gefangen von seinen braunen Augen.
"Es ist egal." murmelt er schließlich und sein Grinsen verschwindet. "Es spielt keine Rolle mehr, oder? Du hast dich entschieden."
"Charles..." beginne ich, und plötzlich fühle ich, wie meine eigene Stimme bricht. Ich weiß, dass es da, obwohl ich immer ehrlich zu ihm war, noch eine Wahrheit gibt, die er wissen sollte. Er kommt noch näher, seine Hand ist immer noch an der Wand neben meinem Kopf, und er neigt sich so weit zu mir, dass ich seinen Atem beinahe auf meinen Lippen spüren kann.
"Sag es mir, Emilia." fordert er leise, aber eindringlich. "Sag mir, dass das mit uns nie etwas hätte werden können."
Mein Herz klopft so laut, dass ich fast fürchte, er könnte es hören. Die Situation bringt mich so aus dem Häuschen, dass ich nicht mal in Frage stelle, woher diese ganzen Gefühle zwischen uns kommen. Obwohl ich uns noch genau vor Augen habe, Nachts am Strand in Miami, nachdem wir Tage zuvor im Club in Mailand was hatten. Wie Charles mir sagt, dass das zwischen uns nicht kompliziert wird, aber dass ich mir auch nicht mehr von ihm erwarten darf, da er sich nicht öffnen kann. Doch schreit unser Gespräch gerade nicht danach, dass er genau das getan hat? Und dass das keine gute Entscheidung war?
Ich stoße ihn von mir, endlich. Abwartend sieht er mich an und ich weiß genau, dass er erwartet, dass ich ihm das bestätige. Dass das zwischen uns nie etwas hätte werden können. Doch er hat unrecht.
"Das kann ich nicht. Denn ich glaube, würde es zwei Menschen nicht geben, hätten wir funktionieren können."
Ich muss Charlottes & Landos Namen nicht nennen, denn es liegt auf der Hand, wer Schuld daran war, dass Charles und ich uns einander nie auf dieser Ebene haben öffnen können. Unsere Herzen haben immer für eine andere Person geschlagen. Nur, dass sich meinem Herzen angenommen wurde. Das Landos Herz auch für mich schlägt, während Charlottes für ihren Verlobten schlägt.
Natürlich wäre es leichter gewesen, Charles einfach zu sagen, dass das zwischen uns nie etwas hätte werden können. Doch ich hätte ihn anlügen müssen und er weiß doch selbst, dass das nicht der Wahrheit entspricht.
Trotzdem sehe ich nach meinen Worten Hoffnung in seinem Blick aufblitzen. Hoffnung, die ich ihm nicht vorhatte, zu schenken.
"Du hast dich für Lando entschieden, weil es einfacher ist, nicht wahr? Weil ich dich mit all meinen Rissen, an deine erinnere, und du damit nicht umgehen kannst."
Charles' Worte machen mich baff. Wut keimt in mir auf, welche mich dazu bewegt, mich nun doch von der Wand abzustoßen und mich vor dem Monegassen aufzubäumen, dessen Alkoholkonsum ihm mutiger macht, als es gut für ihn ist. "Ich hab mich für Lando entschieden, weil ich ihn liebe, du Arschloch." platzt die Wut aus mir raus.
Für einen Moment bleibt er still, und ich kann sehen, wie sich sein Kiefer anspannt.

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