Teil 79

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Rosa

Die Tage fliegen einfach dahin. Es ist super anstrengend so eine Therapie. Das hätte ich nie gedacht, aber ich merke dass es was bei mir bewirkt. Ich habe jetzt erkannt, dass es nicht meine Schuld war. Auch muss ich mich nicht wie eine *verdorbene Ware fühlen*. So hat Laura, die Therapeutin es beschrieben. Sie erklärt uns jeden Tag aufs Neue, wie wir uns in unserem Körper wohlfühlen und dass er trotz eventueller Narben schön und einzigartig ist. Sie hat es wirklich drauf einen aus einem Tief zu holen. Auch die anderen Mädels blühen langsam auf und ich muss sagen, es ist ein tolles Gefühl Teil der Gruppe zu sein. So einen Zusammenhalt habe ich noch nie gespürt. Gesehen bei Enzo's *Familie* ja, aber richtig erlebt noch nie.

Am meisten Zeit verbringe ich mit Alice. Sie hat es hart getroffen. Jahrelang wurde sie von ihrem Mann im Haus eingeschlossen, erniedrigt, geschlagen und missbraucht. Ihr Körper ist wirklich übersät von Brandnarben. Wie kann ein Mensch nur so grausam sein?

Gerade sitzen wir bei einem Film im Gemeinschaftsraum. Die anderen Mädels sind bereits im Bett und Gab, der gerade Dienst hat, hat sich in den Bereitschaftsraum zurück gezogen. Er will sich solch einen Mädelskram nicht rein ziehen. Hat er gesagt. Zwischen Alice und mir steht eine riesen Schüssel Popcorn und wir schauen *Dirty Dancing*. Ja man glaubt es kaum. Ich, die eigentlich auf Action steht, schaut so eine Schnulze. Aber ehrlich gesagt, kann ich Alice keinen Wunsch abschlagen. Sie braucht dringend Happy Ends um selbst wieder an eins zu glauben.

Plötzlich klirrt es lautstark im Gruppenraum. "Wer ist da denn? Es sind doch alle im Bett?" Flüstert Alice direkt ängstlich. "Ich schau mal nach." Entgegne ich ihr leise und greife zu der Bratpfanne, die noch auf der Spüle steht. Langsam und auf Zehenspitzen pirsche ich mich durch den Flur. Dort brennt nur eine kleine Stehlampe. Vor der Tür des Gruppenraumes bleibe ich stehen. Da die Tür verschlossen ist, versuche ich diese leise zu öffnen. Gerade habe ich sie einen Spalt geöffnet, reißt jemand die Tür mit Schwung auf. Verdammt. Vor mir steht ein Hyne von einem Mann. Er hat eine Glatze, ist mindestens zwei Köpfe größer als ich und wiegt weit über hundert Kilo. Der schwarz gekleidete Mann stinkt bestialisch nach Alkohol. Mit einem irren Blick schaut er mich an. Ich bin wie erstarrt und kann gar nicht reagieren. "WO IST SIE? WO IST MEINE FRAU?" Brüllt er und Speichel fliegt in mein Gesicht. Noch immer bin ich starr vor Angst und kann gar nicht so schnell reagieren, wie er mich am Hals packt und mit dem Rücken gegen die Wand knallt. Dann hebt er mich hoch, sodass meine nackten Füße sich vom Boden lösen. Mit seinem Gesicht ist er mir nun verdammt nahe. "WO IST MEINE FRAU? WO IST ALICE?" Knurrt er mich an und drückt noch fester meine Kehle zu.

Es dauert ein paar Sekunden, bis ich verstehe, was hier los ist. Das ist also Alice Mann. Dieses miese Schwein, der ihr so weh getan hat und jeglichen Lebenswillen geraubt hat. Er war seit seit der letzten Attacke an ihr auf der Flucht.

Meine Wut ist entfacht und alles was ich will, ist Alice zu beschützen. Leider habe ich die Bratpfanne losgelassen als er mich gepackt hat, also muss ich mir was anderes einfallen lassen. Ein Wimmern in der Küche lässt ihn kurz mit dem Gesicht zur Seite fahren. Meine Chance. Ich hole mit meinem Knie so gut wie möglich Schwung und ramme es ihm in seine verdammten Kronjuwelen. "Nimm das du Bastard." Brülle ich in Kampfeslaune. Dann sind alle Bewegungen, die ich so oft geübt habe, wieder da. Da er sich gerade vor   Schmerzen krümmt, lässt er mich ruckartig los. Ich nutze die Chance und verpasse ihm mit meiner rechten Faust einen ordentlichen Kinnhaken. Er Flucht und brüllt. Doch es reicht nicht. Mit meiner flachen Hand schlage ich unter seine Nase, die übel knackt. Dann ein gezielter Schlag gegen seinen Adamsapfel und der Typ bricht bewusstlos zusammen. Keuchend stehe ich über ihm und realisiere was passiert ist. "Rosa. Verdammt. Was ist hier los?" Kommt Gab mit einem Baseballschläger an. "Wo ist Alice?" Bringe ich nur hervor und stürme in die Küche. Erst nach genauerem Hinsehen entdecke ich sie unter dem Tisch. In Embryostellung liegt sie schlurzend zusammen gekauert. Sofort krieche ich zu ihr und nehme sie in den Arm. "Alice. Hey, ich bin es. Es ist vorbei.... Wir haben ihn." Flüstere ich ihr beruhigen zu. Keine Ahnung wie lange wir hier sitzen. Plötzlich wird es laut im Haus. Etliche Polizisten laufen durch die Räume und reden mit Gab. Auch Franci und Laura sind jetzt da und reden mit der Polizei.

"Hey. Es ist alles gut. Ich bin bei dir. Du brauchst keine Angst mehr vor ihm zu haben." Beruhige ich sie weiter. Franci hockt sich ebenfalls zu uns und beobachtet uns. Mit einem stolzen Lächeln schaut er mich an. "Sie nehmen ihn mit. Zusätzlich zu deiner bereits grstellten Anzeige ist er nun auch wegen Einbruch und Körperverletzung an Rosa dran. So schnell kommt er nicht mehr aus dem Knast." Informiert der Doc uns. Alice kann es erst nach und nach realisieren und schaut schließlich auf. "Ist es wahr? Ich brauche keine Angst mehr haben?" Fragt sie noch immer weinend. "Nein. Dank Rosa wurde er gestellt, seine Flucht ist hiermit beendet." Lacht Franci und lässt uns alleine.

Diese Nacht schlafe ich bei Alice. Die gesamte Nacht hat sie Albträume. Aber ich denke, sie verarbeitet es so und sobald sie realisiert, dass ihr Mann weg gesperrt wurde, wird sie sich freier fühlen.

Gerade sitzen wir beim Frühstück. Ich bin fix und fertig und würde am liebsten meinen Kopf in meinem Kaffee tauchen, als es an der Tür klingelt. Gab steht sofort auf und sieht nach. Dann höre ich eine bekannte Stimme. "Wo ist sie.... Geht es ihr gut?" Höre ich Claire's besorgte Stimme und schon stürmt sie in die Küche. Dicht gefolgt von Enzo, der wesentlich entspannter wirkt. Als Claire mich sieht, zieht sie mich in die Arme. "Rosa. Oh mein Gott. Geht es dir gut? Franci hat uns gerade informiert." Plappert sie, während sie mich an den Schultern von sich drückt und mich von oben bis unten anschaut. Ich muss echt lachen. Sie ist die reinste Löwen-Mama. Auch Enzo grinst und zuckt entschuldigend mit der Schulter. "Sorry, fürs reinplatzen. Ich konnte sie nicht aufhalten." Erklärt er. Das denke ich mir. Sie ist einfach der Wahnsinn. Zusammen sitzen wir noch bei einem Kaffee und ich erzähle ihnen die ganze Story. Alice hat sich gut gefangen und scheint es jetzt zu realisieren. Ich bin wirklich froh, dass mein Papa auf eine Selbstverteidigungsausbildung bestanden hat.

Hola y adios bebe - Hallo und Tschüss, Baby!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt