Teil 65

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Rosa

Ich habe tatsächlich etwas im Flugzeug geschlafen. Die ganzen Verabschiedungen haben mich echt geschafft. Doch als ich die Tür zur Hauptkabine öffne, fällt mir alles aus dem Gesicht. Diese blonde Stewardess sitzt halb auf Mario's Schoß und küsst ihn. Er hat die Augen geschlossen. Erschrocken fährt er hoch. Anscheinend hat er geschlafen und ist genauso überrumpelt wie ich. Mir ist das gerade zu viel. Schnell schlüpfe ich in die Kabine zurück und verschließe dir Tür. Mario versucht sich sofort zu erklären. Es ist nicht so, dass ich ihm nicht glaube. Aber, es wird immer solche Situationen geben, wo sich Frauen an ihn ran schmeißen.... Gesunde Frauen. Irgendwann bin ich ihm lästig und er wird auf eine Anmache eingehen. Und dann bricht mein Herz komplett. Genau das ist es, was ich meine. Ich sollte die Reißleine ziehen bevor es zu spät ist... Naja, wenn wir ehrlich sind, ist es ja schon zu spät. Verdammt. Was mach ich bloß. Wütend über mich selbst laufen mir stumme Tränen die Wangen hinunter. Was soll ich bloß machen?

Kurz bevor wir landen, setze ich mich zu ihm. Er versucht es zu erklären. Ich will nicht darüber reden, daher sage ich einfach dass es ok ist. Er zuckt bei meiner Antwort zusammen, so als ob es ihm weh getan hätte. Aber darum kann ich mich gerade nicht kümmern.

Claire und Enzo haben uns abgeholt. Ich freue mich wirklich alle wieder zu sehen, auch wenn ich es im Moment vielleicht nicht so zeigen kann. Vor allem freue ich mich Alvero zu sehen, der sich anscheinend schon Bestens eingelebt hat.

Doch schnell merke ich, dass das alles etwas viel ist. Alle fragen natürlich wie es mir geht. Was soll ich schon sagen? Ich bin misshandelt und vergewaltigt worden. Außerdem bin ich keine richtige Frau mehr. Zum Glück zieht Mario mich schnell aus dem Trubel und bringt mich in mein Zimmer. Das selbe wie damals. Ich erinnere mich an jedes Detail. Verrückt, dass das alles weg war. Und noch verrückter, dass Mario hinter mir her gereist ist und wir uns wieder ineinander verliebt haben. Also ich mich zumindest, er hat es ja gewusst. Verdammt. Mario ist echt toll. So gerne würde ich mit ihm zusammen bleiben. Aber was habe ich ihm schon zu bieten? Ich denke an unsere vielen Male, wo wir uns geliebt haben. Ob ich ihm das je wieder bieten kann?

Völlig vergessen, dass Mario noch immer im Raum ist, schrecke ich hoch als jemand Fremdes ins Zimmer kommt. Ein typischer Italiener. Dunkle Haare, braun gebrannt, gut aussehend mit diesem typischen Charme. Er stellt sich als Dr. Morganti vor. Anscheinend ist er der Arzt, den Enzo angeheuert hat. Mario lässt uns schließlich alleine. Etwas unwohl fühle ich mich schon mit diesem fremden Mann. Doch ich versuche den Mann auszublenden und nur den Arzt zu sehen. Er will mir helfen und ich brauche dringend Hilfe. Mein Rücken bringt mich nämlich um. Es wäre wahrscheinlich doch besser gewesen, wenn ich den Rücken während des Fluges eingecremt hätte.

Nachdem wir meine Krankenakte durchgegangen sind, schaut er sich zunächst meine Naht am Bauch an. Dann meine Verletzungen im Gesicht, bis wir schließlich zum Rücken kommen. Er übernimmt die Versorgung professionell und vor allem labert er mich nicht zu. "Wir sehen uns jetzt morgens und abends zum Wunden versorgen. Ich wohne zurzeit im Gästezimmer direkt gegenüber. Also, wenn du was brauchst, Schmerzmittel oder ein offenes Ohr. Klopf einfach an." Lächelt er mir freundlich, aber nicht aufdringlich zu. Dann schließt er die Tür hinter sich. Da ich nun eh mindestens eine halbe Stunde auf dem Bauch liegen muss, beschließe ich ein kleines Nickerchen zu machen. Endlich Ruhe. Kein Krankenhauslärm auf dem Flur, kein Mario der um mich herum schleicht und keine Geräte die piepen. Herrlich.

Und tatsächlich. Ich habe geschlafen. Sogar ohne Albträume. Es ist bereits Abend als ich mir frische Kleidung anziehe und beschließe mal nach unten zu gehen. Wie erwartet finde ich alle in der Küche beim Abendessen. Alle... Auch Claire's Baby. Verdammt. Daran hatte ich gar nicht mehr gedacht. Wie erstarrt bleibe ich in der Küchentür stehen. Alle bemerken natürlich meine Reaktion und sind ebenfalls zu Salzsäulen erstarrt. Claire fängt sich als erstes. Steht mit dem kleinen Wurm auf und kommt auf mich zu. "Darf ich dir vorstellen. Dein Patensohn Riccardo Mancini. Riccardo das ist deine starke, kluge und tapfere Patentante Rosa." Lächelt sie uns beide an. Der kleine strahlt und brabbelt vor sich hin. Gott ist der süß. Ich nehme seine kleine Hand in meine. Urplötzlich kommen mir die Tränen. Ich kann sie gar nicht aufhalten. Gott, ist das peinlich. Sofort stürme ich aus der Küche. Ich höre Mario hinter mir her rufen. Doch ich will ihn nicht sehen. Statt in mein Zimmer, laufe ich in den Keller. Im Poolbereich bleibe ich stehen. Noch mehr Erinnerungen prasseln auf mich ein. Die Party.... Matteo... Oh Gott.... Er ist Tod.

Ich lasse mich auf eine der Lounge Liegen fallen und schaue dem ruhig vor sich hin plätschernden Wasser zu. Wieder und wieder kommen Erinnerungen hoch. Der Heiratsantrag und der Überfall von Claire's Familie. So viel ist geschehen und ich hatte es einfach vergessen.

"Hey, hier bist du." Höre ich plötzlich Claire's Stimme. Ich zucke kurz zusammen, da ich nicht mitbekommen habe, wie sie herein gekommen ist. "Darf ich mich zu dir setzen?" Fragt sie vorsichtig und deutet auf den Platz neben mir. Ich nicke nur. So sitzen wir jetzt hier und starren beide vor uns hin. "Ich wollte dich nicht überrumpeln. Es tut mir leid." Beginnt sie. "Er ist echt süß. Habt ihr toll hinbekommen." Versuche ich abzulenken. Claire lächelt verträumt. "Ich weiß gar nicht was ich sagen soll. Es ist bestimmt blöd, gerade jetzt mit einem Baby zusammen zu wohnen." Spricht sie den Elefanten im Raum an. Ich schlucke schwer. Auf gar keinen Fall möchte ich, dass sie ein schlechtes Gewissen hat, weil sie ein Baby hat. "Es ist okay. Ich war nur nicht drauf vorbereitet..." Lüge ich. Einige Zeit ist Claire still und denkt angestrengt nach. "Du weißt, dass du immer mit mir reden kannst." Sagt sie den typischen Satz in dieser Situation. Ich zwinge mich zu einem Lächeln. "Danke. Das ist lieb." Entgegne ich ihr. "Also, willst du Riccardo's Patentante werden?" Ändert sie das Thema, worüber ich wirklich mehr als dankbar bin. "Liebend gerne." Antworte ich ehrlich. Denn das will ich wirklich. Es ist schließlich die einzige Chance einem kleinen Menschen beim Wachsen zuzusehen. Näher komme ich da nicht dran.

Wir sitzen noch einige Zeit zusammen und quatschen. Wir reden über die Zeit in Los Angeles. Und sie erzählt mir von ihrer Hochzeit, die ich leider verpasst habe. "Enzo hat mir versprochen, wir feiern noch eine Hochzeit, wenn du dabei sein kannst.... Also, werde wieder fit, dann können wir nochmals heiraten." Witzelt sie. Claire's unbeschwerte lockere Art tut mir gerade wirklich gut. Schon dafür hat es sich gelohnt nach Italien zu kommen. 

Hola y adios bebe - Hallo und Tschüss, Baby!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt