Fifty Nine

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Habt ihr euch auch schon einmal gefragt, wie es wäre, jemand anderes zu sein? Beispielsweise ein Superheld, oder eine Hauptrolle aus einem Blockbuster. Selbstbewusst, beliebt, klug, gutaussehend, gesund und mutig. So werden die vollkommenen Helden doch immer beschrieben oder? Alles wäre so viel einfacher, wenn man eine Wahl hätte. Was würde ich nur für ein bisschen Mut geben, oder Hoffnung.

Grübelnd starre ich die Wolken an, die im Schneckentempo von dem Wind weiter geweht werden. Seit knapp einer dreiviertel Stunde, versuche ich in den Wolken etwas zu erkennen. Mein Dad lag früher immer mit mir auf der Wiese und hat in den weißen Wattebäuschchen immer so viel gesehen. Mal rief er, "Schau, eine Giraffe!" Dann hatte er etwas anderes entdeckt und zeigte auf eine andere Wolke. Früher hab ich die Giraffe erkannt. Heute erkenne ich nur eine Wolke. Eine stinknormale unförmige Wolke.

"Was machst du?", fragt Dylan und lässt sich neben mir ins Gras sinken.
"Ich suche nach förmigen Wolken", antworte ich ihm leise, wende den Blick aber nicht vom Himmel ab.
"Interessant", höre ich in murmeln.
Ich nicke, "Ja, richtig entspannend, findest du nicht auch?"
Dylan lacht leise, "Tiefenenspannend."

Warum finde ich nichts? WO SIND DIE GIRAFFEN?! Es sind einfach nur blöde normale Wolken.
"Da ist ein Herz", ich folge Dylan's Finger und sehe... eine Wolke! Wo ist das Herz?
"Siehst du irgendwo auch eine Giraffe?", frage ich.
Er sucht mit zusammengekniffenen Augen den Himmel ab, schüttelt dann aber den Kopf, "Ich sehe keine und du?"
"Ich auch nicht", sage ich.
Neugierig sieht er mich an,"Was siehst du?"
Ich zucke mit den Schultern, "Nichts."
"Irgendetwas musst du doch sehen!", empört sieht er mich an.

Genervt zeige ich wahllos auf andere Wolken, "Ein Skalpell, Blut, eine Lei-", Dylan hält mir mit seiner Hand den Mund zu.
"Was soll das?", verständnislos schnipst er mir gegen die Stirn.
"Was soll was?", frage ich unschuldig.
Er schüttelt den Kopf, "Was ist nur los mit dir? Seit du verkündet hast, dass du die OP machst, hast du dich richtig abgeschottet. Bereust du deine Entscheidung etwa? Willst du dir was antun?"
Stumm blicke ich an ihm vorbei hoch zu den Wolken. Seufzend schließe ich die Augen, "Du verstehst das nicht. Keiner versteht das. Aber nein, ich bereue nichts und ich will mir auch nichts."
Er drückt sich an mich, "Wenn du jemanden zum reden brauchst, ich bin da, okay?"
"Danke", flüstere ich und gebe ihm einen Kuss auf die Wange.

Dylan zeigt mir eine Wolke nach der anderen.
"Was siehst du jetzt?"
Ich versuche mich ganz auf die Form der Wolke zu konzentrieren. Plötzlich sehe ich etwas, lachend freue ich mich, endlich etwas entdeckt zu haben.
"Es ist eine Pizza mit Salami und extra viel Käse", grinse ich.
Dylan blinzelt, "Eine Pizza?"
"Ja", bestätigend nicke ich.
"Hauptsache du siehst etwas", lacht er und wuschelt mir durch die Haare.

Nach einer Weile geht Dylan und ich bin wieder alleine mit mir selbst. Ich schließe die Augen und atme leise ein und aus. Es wird schon dunkel, aber das macht mir nichts aus. Die Stille ist schön und erfrischend und ich sauge jeden Moment auf. Mein Kopf pocht und Schmerzen machen sich in meinem Körper breit, doch selbst dass ist mir im Moment egal. Was jetzt zählt, sind die Stille, die Sterne, die langsam sichtbar werden und ich.

Ich liege schon so lange hier draußen auf der Wiese, meine Eltern haben mich auch schon gebeten rein zukommen, aber ich will noch nicht. Auch als es stockduster ist, bleibe ich liegen. Fragt mich nicht warum, aber mir gefällt es, im Gras zu liegen und einfach nur nach oben in den Himmel zu schauen. Nicht nachzudenken, sondern nur die Sterne zu beobachten und auf eine Sternschnuppe zu warten. Ich habe noch nie wirklich nach oben geguckt, für mich war derr Himmel nie etwas besonderes gewesen. Das kann ich jetzt nicht mehr nachvollziehen. Ich meine, schon allein der Gedanke, dass der Himmel bis , keine Ahnung vohin, geht und danach das Weltall kommt, ist faszinierend.

Steps of WeatherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt