Ninety Two

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Verzweifelt versuche ich ruhig zu werden und meine Atmung wieder zu kontrollieren. Tief einatmen... und ausatmen. Ist doch gar nicht so schwer. Wieso bekomme ich es dann trotzdem nicht hin? Mein Herz schlägt so hart gegen meine Brust, dass ich Angst habe, dass es raus hüpft.

Mit rasendem Puls sehe ich zu, wie sein Auto zum stehen kommt und er lässig aussteigt. Wie kann er nur so ruhig sein? Sein Blick gleitet über den Schulhof, seine Augen suchen nach jemanden. Nach mir. Als er mich entdeckt, nickt er mir mit dem Kopf zu, was ich als eine Aufforderung verstehe, zu ihm zu kommen. Also greife ich mit zittrigen Armen und nassgeschwitzen Händen meine Räder und rolle langsam zu ihm.

Du kannst das. Du schaffst das.

Sei lässig. Sei genauso ruhig wie er. Sag einfach 'hey, Zach. Wie gehts'.

Kurz vor ihm komme ich zum stehen. Okay das bekomme ich hin, hey Zach,wie gehts, hey Zach wie gehts, hey zach-

"Zach wie gehts, hey?", plapper ich drauf los und verstumme sofort. Was war das denn bitte? Oh Gott, am liebsten würde ich im Boden versinken.

Zachary tut meinen kleinen Satzverdreher mit einem leichten Lächeln ab und öffnet mir die Tür zur Beifahrerseite.
"Bewölkt", murmelt er und nimmt meinen Rollstuhl, als ich mich im Beifahrersitz sinken lasse.

"Wie meinst-", mitten im Satz knallt Zach die Tür zu. Mein Herz fängt an, weh zu tun und ich beiße mir auf die Lippe. Beruhige dich, Kai. Alles wird wieder gut. Das gerade hat nichts zu sagen.

Ich zucke zusammen, als die Fahrertür geöffnet wird und Zach sich Sekunden später auf dem Sitz niederlässt. Etwas lauter als gewohnt, knallt er die Autotür zu und startet den Motor.

Ich ringe im inneren mit mir selbst, ob ich nun mit ihm sprechen soll oder nicht. Diese Stille ist nicht zu ertragen. Ich öffne leicht den Mund und warte darauf, dass ich zu sprechen anfange, doch nichts passiert.

"Ist dir kalt? Soll ich die Sitzheizung anstellen?", fragt er plötzlich mit einem Seitenblick zu mir.

Ich schüttel den Kopf und ignoriere, die Sterne, die sich vor meinen Augen bilden.
"Wieso?", frage ich so leise, dass ich mir nicht sicher bin, ob er es überhaupt gehört hat.

Doch er antwortet eben so leise, "Du zitterst wie Espenlaub."

Achso, das. Wenn er wüsste. Seufzend blicke ich auf meine Hände, welche wirklich stark zittern und beiße mir in die Innenseite meiner Wange. Am liebsten würde ich schreien, dass ich nur wegen ihm so zittere, aber irgendwas hält mich davon ab. Es fühlt sich an wie eine riesen Kluft zwischen uns und alles was ich sagen will, verschwindet in dieser.

Als ich nichts weiter sage, macht Zach das Radio an, aber nur um es nach wenigen Minuten wieder leise zu schalten.
"Bewölkt aber mit eventueller Aussicht auf etwas Sonnenschein", sagt er schließlich.

"Eh... danke für den Wetterbericht?", murmel ich unsicher und ziehe meine Augenbrauen zusammen.

Auf einmal hält das Auto an und erst jetzt bemerke ich, dass wir schon da sind. Das ging aber schnell.
Dennoch macht keiner von uns Anstalten auszusteigen.

"Zach ich...", ich verfalle in Schweigen, wie soll ich nur anfangen?

"Zach ich weiß, dass so viel passiert ist und es-"

"Ich habe für uns gekocht", unterbricht er mich und steigt aus dem Wagen.

Perplex gucke ich aus dem Fenster und versuche aus seiner Reaktion schlau zu werden. Vielleicht geht es ihm ja doch so wie mir? Aber warum weicht er mir denn aus? Es ist wichtig, dass wir das endlich klären.

Steps of WeatherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt