Sixty Six

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Ich kann das nicht! Ich hab es versucht, immer und immer wieder, aber es funktioniert einfach nicht. Böse funkel ich das Drecksteil an, welches neben meinem Bett steht. Ein weiteres mal versuche ich mich in den Rollstuhl zu hieven, aber das Mistding rollt nach hinten, weshalb ich nach vorne auf den Boden falle. Wütend schnaube ich und ziehe den Rollstuhl wieder zu mir. Mit all meiner Kraft ziehe ich mich daran hoch, doch ich rutsche mit der Hand ab und knalle wieder auf den Boden zurück. Scheiß drauf, dann bleibe ich eben hier liegen.

"Kai? Was ist das für ein Lärm? Alles in Ordnung bei dir?", ruft meine Mutter und stürmt in mein Zimmer, ehe ich ihr antworten kann. Mitfühlend kommt sie zu mir und will mir hoch helfen, aber ich schlage ihre Hände weg.
"Ich krieg das auch alleine hin", brumme ich und setze mich mühsam auf.
Sie seufzt, "Weißt du, es ist nichts schlimmes, Hilfe anzunehmen."
Ich rolle die Augen, "Ich brauche aber keine Hilfe!"
Ohne Mom weiter zu beachten, hieve ich mich am Bett hoch und rolle mich in die Mitte meines Bettes.
"Übrigens hat Zachary schon wieder angerufen. Du solltest wirklich mit ihm reden. Es ist nicht seine Schuld und das weißt du. Trotzdem behandelst du ihn, wie den Schuldigen", sagt sie und setzt sich zu mir auf das Bett.
"Ich behandel ihn nicht wir den Schuldigen. Ich kann ihm nur nicht ins Gesicht sehen, keine Ahnung wieso", murmel ich.

Die Operation ist nun schon etwas länger her und ich habe mich in den letzten 2 Wochen von Zach distanziert, nicht mit Absicht versteht sich. Es ist nur so, das ich mich immer unwohler fühle, wenn er und ich alleine sind. Dabei gebe ich ihm doch überhaupt nicht die Schuld an allem. Oder doch?
"Dann sprech mit ihm darüber. Ich weiß, das es dir nicht gut geht, aber Zachary geht es auch nicht viel besser. Ein Gespräch wird euch beiden gut tun, Spätzchen", meint Mom und tätschelt meine Schulter. Ich nicke, wahrscheinlich hat sie recht. Ach was, Mom hat immer recht. Mit einem letzten Lächeln geht sie aus dem Zimmer.

Soll ich ihn anrufen? Ich meine, ich muss ihn ja nicht sofort sehen. Oder hat er überhaupt gerade Zeit um zu telefonieren? Vielleicht sollte ich ihm erstmal eine Whatsapp-Nachricht schreiben? Ja, ich glaube das wäre am besten.

Kai: Hi, hast du Zeit und Lust mit mir zu telefonieren? Ist auch Okay wenn nicht.

Ohne groß nachzudenken, klicke ich auf senden und warte. Nicht mal eine halbe Minute später ist Zach Online und hat meine Nachricht gelesen. Aber er antwortet nicht, sondern geht wieder Offline. Enttäuscht lasse ich die Schultern fallen, das habe ich mir selbst zuzuschreiben. Wenn ich ihm nicht aus dem Weg gegangen wäre, würde er mich jetzt nicht ignorieren. Plötzlich klingelt mein Handy und Zachs Name erscheint auf dem Display. Zögerlich drücke ich auf den grünen Hörer und halte mir das Handy ans Ohr.

Telefongespräch:

Zach: Hey Weather, ist alles in Ordnung? Wieso hast du meine Anrufe die ganze Zeit ignoriert? Soll ich zu dir kommen? Oder willst du mich nicht sehen? Ist es wegen d-

Kai: Vergiss das Atmen nicht. Es tut mir leid. Ich weiß selbst nicht was mit mir los ist. Momentan fühlt sich alles Falsch an und ich kann nicht mehr. Ich weiß, ich reagiere wahrscheinlich über und ich sollte mich nicht so anstellen, aber du kannst es dir nicht vorstellen, jeden Tag aufzuwachen und gegen die Tränen ankämpfen zu müssen, weil du für einen Moment vergessen hast, das du deine Beine nicht bewegen kannst.

Zach: Bitte hör auf zu weinen. Du hast jedes Recht, so zu reagieren und dich so zu fühlen. Du kannst ja vielleicht heute bei mir übernachten... ich meine... da können wir besser reden und ich kann uns etwas zu Essen machen, um zu zeigen, wie leid mir das alles tut.

Kai: I-ich weiß nicht. Ich würde lieber sagen, ich koche uns etwas und du guckst zu und lernst?

Zach: Sehr witzig, von mir aus, kannst du kochen. Warte. Heißt das, du kommst?

Steps of WeatherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt