Wer es wagt zu lieben, wird verletzt.
Ist das war?Langsam streiche ich mit dem Gegenstand über mein Bein und sehe dabei zu, wie ein roter Strich entsteht.
Ich habe eins erkannt.
Schmerz macht lebendig. Schmerz lässt mich wissen, dass ich noch Beine habe. Schmerz übertönt alles andere. Aber, ich kann es nicht. Oder will ich es nicht?Ich setze den roten Stift wieder an und ziehe eine weitere Linie. Und noch eine. Ich ziehe soviele Linien bis mein ganzes Bein schließlich voll mit roter Farbe ist. Doch dieses dumpfe Gefühl in mir lässt nicht nach, also mache ich mit meinem anderen Bein dasselbe, bis meine Beine kein einziges Stück nackte Haut mehr freigeben.
Stumm betrachte ich mein Kunstwerk. So viele Linien. So viel Schmerz. So viele Gedanken, die sich festbeißen. So viel Leere in mir.
Die letzte Woche verlief wie in Zeitlupe. Zach hat alle meine Anrufe und Nachrichten ignoriert, Jai kam die ganze Woche nicht zu Schule, dafür kam Austin jeden Tag betrunken zur Schule und ich? Ich hocke auf dem Boden, wie jeden Tag seit einer Woche und male rote Striche auf meine Beine, um sie anschließend wieder weg zu schruben.
Ein leises Klopfen ertönt an meiner Tür. Kurz darauf kommt meine Mom mit einem Teller ins Zimmer.
"Ich habe Lasagne gemacht, mit extra viel Käse. Die magst du doch so gerne. Wir haben dich gerufen, aber du bist nicht gekommen, also dachte ich mir, ich bringe dir einen Teller", sagt sie mit einem warmen Lächeln und stellt den Teller auf meinen Schreibtisch.Besorgnis spiegelt sich in ihren Augen, als sie meine Beine sieht.
"Das machst du in letzter Zeit ziemlich oft", murmelt sie."Es hilft", flüstere ich und nehme den Schwamm, aus dem Eimer.
Sie lässt sich auf den Boden sinken, "Das musst du mir erklären."
Meine Hand führt den Schwamm zu meinem Bein, wo ich leicht ansetze. Die Linien sind an dieser Stelle nun blassrosa. Wie eine Narbe, die für immer bleibt. Doch als ich das Nächste mal darüber streiche, sind die Striche fast weg. Ein weiteres Mal und sie sind ganz verschwunden. Ausgelöscht, als hätte es sie nie gegeben. Dafür ist meine Haut jetzt strahlend rot und wund.
"Es hilft mir zu verstehen. All diese Striche, das sind Gedanken, Gefühle und Schmerzen die mich von innen verbluten lassen. Mit den Strichen bringe ich diese Dinge nach Außen. Ich male sie auf meine Beine und dann mache ich sie wieder weg. Das gibt mir Hoffnung. Hoffnung darauf, dass nichts für die Ewigkeit ist", bei den letzten Worten wird meine Stimme leiser und ich konzentriere mich wieder auf den Schwamm, der die Linien verschwinden lässt.
"Von welchen Schmerzen redest du?", fragt Mom und nimmt mir den Schwamm aus der Hand.
Ich schaue ihr in die Augen, "Jede erdenkliche Art von Schmerz."
"Schatz, ich weiß, dass die Trennung dir sehr weh tut, aber du bist noch so jung. Mag sein, dass er deine Erste Liebe ist, aber vielleicht gibt es da draußen jemanden, der besser zu dir passt. Es kann natürlich auch sein, dass du und Zach wieder zusammen kommen werdet. Aber so etwas kann man nicht vorher wissen", mit einer behutsamkeit wischt sie die Linien mit dem Schwamm weg und übergibt ihn anschließend wieder an mich.
Ich schüttel den Kopf, "Es ist nicht nur die Trennung. Es ist... ich kann es nicht beschreiben. Es ist einfach viel verstrickter."
"Ich habe Zeit", entgegnet sie geduldig.
Erneut schüttel ich den Kopf, "Ich... ich möchte jetzt bitte alleine sein."
Nickend gibt sie mir einen Kuss auf die Stirn und steht auf.
"Bitte iss etwas", sagt sie noch und schließt dann die Tür hinter sich.Anstatt zu essen, wie Mom es wollte, ziehe ich erneut Striche. Striche der Verzweiflung. Alle Art von Schmerz. Zach will nichts mehr von mir wissen. Meine besten Freunde stürzen und ich weiß nicht, wie ich sie auffangen kann. Mein Leben war schon immer ein Minenfeld gewesen. Erst der Tumor, jetzt meine Beine und ständig ist diese Angst da, diese Paranoia, dass die kleinsten Kopfschmerzen die Rückkehr des Tumors bedeuten. Und ständig dieses Gefühl, welches einen nicht glücklich sein lässt. Dieses scheiß Gefühl, was einen an alles Schlechte denken lässt. Dieses Drecksgefühl, welches einen immer nur runterziehen will. Und verdammt! Ich will dieses Gefühl nicht fühlen. Aber es ist in mir. Es wird immer in mir bleiben. Es ist in jedem drinne. Es steckt in uns, weil wir selbst dieses Gefühl sind. Wir sind es, die nie Zufrieden sind. Wir sind diejenigen, die denken, sie seien nichts wert. Und wir sind es, die uns selber zerstören, weil wir nicht aufhören können, perfekt sein zu wollen.
Mein Blick wandert wieder zu meinem Bein und erstaune als ich sehe, dass es wieder ganz mit Strichen bedeckt ist. Aber anstatt, wie jedes mal, zum Schwamm zu greifen, lasse ich ihn im Eimer schwimmen, rutsche zum Bett und ziehe mich mit meinen gelernten Armen nach oben. Als ich mein Handy entdecke, schnappe ich es mir.
Keine neuen Nachrichten.
Und wie jedes mal, kann ich nicht anders und schreibe ihm.
Wenn ich wenigstens wüsste, weshalb du mich verlassen hast, dann könnte ich es vielleicht nachvollziehen. Ich liebe dich.
Ohne die Nachricht noch einmal zu überfliegen, schicke ich sie ab.
Er hat mir nie den Grund genannt und ich habe ihn auch nie absichtlich einen Grund gegeben. Das einzige was ich weiß ist, dass es ohne ihn noch schwerer ist, nicht von den bösen Buben eingeholt zu werden. Und da ist auch schon wieder dieses Gefühl, die Angst. Mein Herz pocht, meine Augen brennen, meine Gedanken werden immer lauter.
Es muss einen Grund geben. Sonst hätte er nicht mit mir schluss gemacht. Er hätte mich nicht verlassen.
Oder doch?
Vielleicht brauchte er nur etwas, weswegen er mit mir schluss machen konnte. Ja, vielleicht hat er nur so lange gewartet, weil er mitleid mit mir hatte. Vermutlich wollte er einfach nicht mehr einen Knüppel als Freund haben. Ich kann ihn verstehen. Ehrlich. Trotzdem tut es mir im Herzen weh und wieder könnte ich neue Linien ziehen.Linien lösen keine Probleme. Das taten sie nie und werden sie auch nie tun. Selbst in Mathe brauch man mehr als eine Linie. Vielleicht aber auch nicht, ich bin da nicht der Hellste.
Ich nehme meinen Ring vom Finger und drehe ihn zwischen meinen Fingern.
"Ich habe noch etwas für dich", fängt er an und holt eine kleine Box aus der Jackentasche.
"Das wird kein Antrag. Aber es ist ein Versprechen. Ein Versprechen das ich dich, egal wie du dich entscheidest, ob für oder gegen die OP, immer unterstützen werde. Ein Versprechen das ich immer zu dir Halte, dir Zuhöre, dir die Aufmerksamkeit schenke die du verdienst. Ein Versprechen, das ich dich, wenn du dich für die OP entscheidest, sobald du 18 Jahre alt wirst, heiraten werde. Ein Versprechen das ich für dich da bin. Ein Versprechen dafür das ich bis zu letzten Sekunde bei dir sein werde. Ein Versprechen dafür, das ich mich unsterblich in dich verliebt habe", er öffnet die Box und zum Vorschein kommt ein Schmaler Goldener Ring mit einer Schlaufe in Form eines Knotens.
"Ich liebe dich", flüstert er und nimmt den Ring aus der Schachtel. Ich reiche ihm meine Hand, so das er mir den Ring anstecken kann.
Er hat sein Versprechen gebrochen. Nur warum?
Als mein Handy eine neue Nachricht anzeigt, setzt mein Herz einen Schlag aus. Doch nicht, weil Zach mir geschrieben hat, sondern weil mein bester Freund sich von einer Brücke gestürzt hat.
Und plötzlich überwiegt der Schmerz und der Stift verliert an Macht.
Wer es wagt zu lieben, wird verletzt.
Jeder der liebt, öffnet jemanden sein Herz und manchmal, selbst wenn sich zwei Menschen von ganzem Herzen lieben, sind sie dafür bestimmt sich zu verletzen, ohne es selbst zu wissen._______________________________________
Hallo Spongies :)
Leider habe ich es nicht geschafft, eher ein Kapitel hochzuladen.
Bitte bringt mich wegen dem Ende nicht um xD
Wer glaubt ihr, ist gesprungen?Lebt Bunt, eure Michelle ♡
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Steps of Weather
Teen FictionFang nie an aufzuhören, hör nie auf anzufangen. Kais Leben ist nicht einfach, war es nie, wird es nie. Er kam mit starken Kopfschmerzen ins Krankenhaus und ging nach Hause mit einem Gehirntumor. Wer hätte gedacht, dass Dr. Google einmal richtig lie...