20.12.2014

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Max

         
"Essen ist fertig!", verkündete meine Mutter von der Küche aus, während ich noch auf der Couch im Wohnzimmer saß und mir irgendwelches belanglose Zeug im Fernsehen ansah. Jedoch erhob ich mich sofort und schaltete ab, sobald meine Mutter mit einem dampfenden Topf in den Händen den Esstisch ansteuerte.
Es gab mal wieder Spaghetti mit Tomatensoße. Das roch ich schon von Weitem, bevor ich mich überhaupt an den Tisch setzen konnte. Außerdem war es wirklich nicht sehr überraschend. Immerhin gab es dieses Gericht in den letzten Tagen ziemlich oft. Was entweder daran lag, dass Mama einfach keine Lust hatte etwas anderes zu kochen oder daran, dass sie keine Kraft hatte etwas anderes zu kochen. Beides wäre nicht unmöglich.

"Lass es dir schmecken.", sagte sie, nachdem ich mir ein paar Nudeln auf den Teller gehäuft und sie es mir gleich getan hatte. Das Lächeln, das auf ihrem Gesicht verweilte, wirkte aufgezwungen. Wie den ganzen restlichen Monat schon. Ich wusste, dass es ihr nicht gut ging. Ich wusste, dass sie sehr unter dem heftigen Streit mit meinem Vater litt, welcher ganz nebenbei bemerkt immer noch nicht wieder aufgetaucht war. Und genau das machte sie so fertig. Durch ein aufgesetztes Lächeln versuchte sie ihre Trauer immer wieder zu überspielen, doch das klappte nicht. Und das wusste sie auch. Uns beiden war klar, dass es nicht so weiter gehen konnte. Dass wir etwas ändern mussten. Jedoch fiel genau das meiner Mutter so unheimlich schwer. Sie gab ohnehin schon alles, um nicht in sich zusammenzubrechen. Um stark zu sein. Stark zu sein für ihren jüngsten Sohn. Doch dieser hatte dieses ganze Theater langsam echt satt.

Weihnachten stand vor der Tür, doch es lag auf der Hand, dass es für uns diesmal kein Fest der Liebe sein würde.

Nachdem ich ungefähr die Hälfte der Nudeln vertilgt hatte, ließ ich mein Besteck im Teller sinken. Ich hatte eindeutig genug von dem Zeug. Das gab es zurzeit einfach viel zu häufig. Und war eigentlich auch voll die Verschwendung, wenn man bedachte, dass wir jedes Mal die Hälfte wieder wegschmeißen mussten. Einfach aus dem Grund, dass Mama in letzter Zeit genauso wenig hinunter brachte wie ich.

"Mama. Komm, ich weiß, dass es dir nicht gut geht. Du brauchst mir nichts vorzuspielen. So dumm bin ich auch wieder nicht.", fing ich an, nachdem ich meinen halbvollen Teller beiseite geschoben hatte. Darauf hielt sie in ihrer Bewegung inne, sich weitere Nudeln in den Mund zu schieben, und legte die Gabel samt Löffel vorsichtig zurück an die Seite ihres Tellers. "Ich hatte nie behauptet, dass du dumm wärst..", murmelte sie und wischte sich unauffällig den Mund ab. "Das hab ich auch so nicht gesagt. Aber das ist jetzt auch egal. Viel wichtiger ist, dass du nicht vom Thema abweichen sollst. Mama, ich meine es ernst. Das kann nicht so weiter gehen und das weißt du!" Flehend sah ich sie an. Sie sollte verstehen. Doch alles was ich von ihr zurück bekam, war ein zugleich wütender, als auch trauriger Blick. "Du weißt ganz genau, dass ich nicht mehr kann!", schrie sie nun. "Aber dann lass dir doch helfen! Ruf Florian an und lade ihn mal wieder zu uns ein oder such dir einen Therapeuten.. auf jeden Fall LASS DIR HELFEN!!! Ich mach die ganze Scheiße langsam nämlich auch nicht mehr mit!", konterte ich, außer mir vor Wut. Ich hatte eindeutig die Schnauze voll von der verdammten Sturheit meiner Mutter.

Diese starrte mich nun entgeistert an, so als könnte sie nicht fassen, was ich da gerade gesagt hatte. "Sag mal in welchem Ton sprichst du mit mir?!", empörte sie sich, ihr Gesicht war bereits knallrot angelaufen.

"Florian wollte immer unabhängig sein und seit seinem Umzug nicht mehr in nervige Familienangelegenheiten hinein gezogen werden, das weißt du ganz genau! Und wie tief meinst du, bin ich bitte gesunken, dass ich gleich zu einem Therapeuten gehen muss!", schrie sie zurück. Dazu sollte man vielleicht erwähnen, dass mein Bruder bereits 21 Jahre alt war und seit guten zwei Jahren nicht mehr Zuhause lebte. Sondern in einer akzeptablen kleinen Wohnung in der Speicherstadt mit seiner Freundin Marina.

Aus dem Leben eines Mädchens..~♥Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt