04.04.2015

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Brett

       
Ich nahm einen großen Schluck aus dem Glas, in dem frischer Orangensaft enthalten war, ehe ich es wieder auf den kleinen Nachtisch neben dem Bett abstellte. Dieser hatte mehrere Ablageflächen, welche bis zum Boden gingen und auf denen ich sämtliche Sachen abstellen konnte. Zum Beispiel meinen Rucksack, der mir vor einiger Zeit gebracht wurde, besser gesagt, einen Tag nachdem ich hier ankam. Sobald fest stand, dass ich noch ein Weilchen länger hier bleiben musste. Dort befanden sich jetzt nicht unbedingt die weltbewegendsten Dinge, jedoch welche, die ich doch ganz gut gebrauchen konnte, wenn ich schon länger als einen Tag hierbleiben musste. Wie beispielsweise frische Klamotten zum Anziehen, Deo, Zahnputzzeug, mein Handy mit Ladekabel und meine schwarz grünen Kopfhörer (meine Eltern kannten mich einfach). Die normalsten Dinge der Welt eben. Die Operation an sich verlief einwandfrei, soweit ich gehört hab, denn besonders viel davon habe ich nicht mitbekommen. Das letzte, woran ich mich erinnerte, war, wie ich auf einer harten Unterlage lag, ehe mir Narkosemittel injiziert wurde. Danach war alles weg. Nur noch schwach erinnerte ich mich daran, wie Mum und Dad nach der OP in den Raum kamen, um mich zu sehen. Doch in dem Zeitpunkt war ich noch so schläfrig gewesen, dass die Erinnerungen daran mehr als verschwommen waren. Und obwohl alles so reibungslos geklappt hatte, musste ich dennoch einige Tage hierbleiben zur Überwachung. Besser gesagt eine Woche, heute würde ich wieder entlassen werden. Der Arzt meinte nämlich, dass es sicherer wäre, wenn ich vorerst hierbleiben würde. Immerhin war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass innere Blutungen auftreten könnten, da ja erst kürzlich etwas aus mir herausgeschnitten wurde, oder sich am Darm etwas entzünden könnte. Jeden Tag wurden an mir sämtliche Untersuchungen gemacht, die genau dem nachgegangen waren, jedoch hatten sie nie etwas gefunden. Selbst nicht vorhin, als die letzte Untersuchung durchgeführt wurde. Wenn es um meinen Darm ging war ich kerngesund und da war ich auch ziemlich froh. Mittlerweile war ich auch wieder fit genug. Fit genug um entlassen zu werden.

Aufmerksam sah ich mich in dem kleinen Raum um, indem ich mich befand. Dieser war nicht sonderlich groß, hatte die Form eines Rechtecks, ganz vorne gab es eine Tür, rechts daneben befand sich eine weitere, die in ein kleines Bad führte. Die Wände waren allesamt weiß, ohne großartig viel Verzierung oder Bildern. Neben meinem Bett in der Mitte des Zimmers befand sich ein zweites, welches ungemacht hinterlassen wurde. Ich teilte mein Zimmer mit einem über siebzig Jahre alten Mann, bei dem vor einiger Zeit Lungentumor festgestellt wurde. Knapp seit einem halben Jahr war er ununterbrochen im Krankenhaus, da der Tumor rasend schnell gestreut hatte. Laut Ärzten hätte er nicht mehr allzu lange zu leben, wie er mir erzählt hatte. Was mich irgendwie traurig machte, da ich mich in der Woche ziemlich gut mit ihm verstanden habe und wir sozusagen Freunde geworden waren. Er war sehr nett und lebensfroh, machte absolut nicht den Anschein, als würde er bald nicht mehr unter den Lebenden weilen. Im Vergleich zu vielen anderen, denen das gleiche Schicksal drohte, ging er eher positiv damit um, genoss sein restliches Leben noch in vollen Zügen und das fand ich toll. Wenn man schon sterben musste, dann wenigstens glücklich. Oft haben wir die Abende damit verbracht, wenn nichts mehr zu tun war, wir nirgends mehr hinmussten, gemeinsam fernzusehen, wenn es mit den kleinen Dingern hier überhaupt möglich war. Insofern das nicht gerade die neuesten waren. Tja, typisch Krankenhaus eben. Unsere Interessen an verschiedene Fernsehsender gingen ebenso ziemlich weit auseinander, dennoch fanden wir immer irgendetwas, das uns beiden passte. Wenn nicht, dann haben wir uns währenddessen einfach unterhalten. Weshalb ich auch bald erfuhr, dass er Richard hieß, 73 Jahre alt war und schon sein gesamtes Leben lang in Hamburg wohnte. Einfach aus dem Grund, da diese Stadt seine Heimat war und er sie so sehr liebte wie seine drei Enkelkinder.

Ach ja. Außerdem haben mich Mum und Dad öfter besucht, unteranderem auch Mikayla, David, Tess, Austin und Justin mit deren Eltern, worüber ich mich immer sehr gefreut hatte. Hauptsächlich kamen sie nach der Schule, wann anders ging es auch gar nicht. Vom Unterricht wurde ich natürlich entschuldigt, da ich so natürlich auch nicht zur Schule gehen konnte. Wenn meine Freunde da waren, redeten wir meistens nur und gingen entweder runter in das kleine Café oder gleich raus und setzten uns auf eine Bank. Mein Blick glitt zu dem großen Fenster, bei diesem direkt daneben mein Bett stand. Der rote durchschimmernde Vorhang war zur Seite gezogen, weshalb man wunderbar nach draußen sehen konnte. Knapp unterhalb meines Fensters befand sich die riesige Anlage mit einer großen Grünfläche. Schon nach wenigen Tagen, nachdem ich hier ankam, war der Schnee wieder verschwunden und das Wetter wurde wieder freundlicher. Gerade war der Himmel strahlend blau, keine einzige Wolke war zu sehen. Die Sonne schien nur so vom Himmel hinunter. Ein Traumwetter. Und das für Anfang April. Oh, es war ja schon April.. bald war mein Geburtstag. Das realisierte ich jetzt erst. Überhaupt hatte ich es nicht so mit dem Zeitgefühl. Oft hatte ich keinen Plan, was für einen Tag geschweige denn welches Datum wir heute hatten. Erst recht, wenn ich nicht in der Schule war.
Ich seufzte. Ich liebte diese Anlage. Die Bäume ringsum, der Springbrunnen in der Mitte und die ganzen Parkbänke, die verteilt in im Gras standen. Dort war ich ziemlich oft draußen, meistens um Musik zu hören und einfach zu entspannen. Oder um mich mit meinen Freunden zu unterhalten, wenn sie da waren.

Aus dem Leben eines Mädchens..~♥Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt