Fabian
Der Therapieraum leerte sich immer mehr, während ich nach wie vor stumm auf meinem Stuhl sitzen blieb und nachdenklich zu Boden schaute, die Hände ineinander verschränkt. Ich schaute erst wieder auf, als die Stuhlreihen fast komplett leer waren, als nur noch Mark ein paar Stühle weiter den Inhalt seines kleinen Rucksacks überprüfte. Auf der gegenüberliegenden Seite an einem kleinen weißen Tisch stand der Therapeut und nahm gerade einen großen Schluck aus seinem Kaffee. Natürlich. Er hatte immer irgendwie eine ganze Thermoskanne von diesem Zeug dabei, sonst würde er die ganzen Sitzungen mit wehleidigen Menschen, die sich über ihre Sucht beklagten, auch wohl kaum überleben. Das konnte ich nur nachvollziehen... Immerhin war das bestimmt nicht immer einfach. Genauso, wie ich es bewunderte, wie ruhig Lukas bleiben konnte, obwohl gerade irgendein Jugendlicher vollkommen am Rad drehte. Und im Gegensatz zu meinem Therapeuten hatte ich die letzten zwei Male bei ihm nie irgendwo Kaffee rumstehen sehen.Seufzend erhob ich mich ein paar Sekunden später, noch immer ziemlich ausgepowert vom Frühsport, von meinem Stuhl. Bevor ich vergaß, was ich eigentlich vorhatte und keiner mehr da war, den ich fragen konnte. Denn ich hatte vor, mich nach den Medikamenten beziehungsweise Hilfsmitteln zu erkundigen, die ich schon ganz am Anfang hier bekommen hatte und seitdem auch regelmäßig nahm. Ich wollte fragen, wie lange ich die noch nehmen müsste, vor allem brauchte, und ob das auch noch nach meiner Zeit hier Zuhause notwendig war. Denn es interessierte mich und war auch nicht gerade unwichtig.
Ich schaute zu Mark, welcher nach wie vor mit seinem Rucksack beschäftigt war. Stirnrunzelnd beugte er sich darüber, holte irgendwas raus, das so aussah wie ein zusammengeknülltes schwarzes T-Shirt, und stopfte es anschließend wieder hinein. Nachdenklich beobachtete ich ihn dabei. So wie es aussah, hatte da jemand vor gleich danach Sport zu machen.
Kopfschüttelnd wandte ich mich ab, um mich wieder auf's Wesentliche zu konzentrieren und schaute wieder nach vorne an den Tisch, wo mein Therapeut mittlerweile saß, Kaffee trank und in aller Ruhe seine Bild-Zeitung aufschlug. Ich atmete einmal aus und ging dann zu ihm. Es tat mir ja Leid ihn gerade jetzt in seiner Pause zu stören, aber ich musste das einfach wissen.
"Ähm... Entschuldigung? Tut mir Leid für die Störung, aber ich möchte gern was wissen... Dauert auch nicht lange.", begann ich. Überrascht hob er den Kopf und sah mich an. Überhaupt nicht genervt oder gelangweilt, sondern eher verständnisvoll und neugierig. "Schieß los.", forderte er mich auf. Ich begann meine Gedanken zu ordnen, suchte nach einem Satzanfang, solange, bis ich fündig geworden war. "Die Medikamente... der Traubenzucker, die Beruhigungstabletten, die Chili... wie lange brauch ich das noch? Muss ich das auch noch nehmen, wenn ich wieder Zuhause bin?", fragte ich bedächtig und sah ihn dabei abwartend an. Seufzend klopfte der Therapeut auf die gegenüberliegende Seite des Tischs. "Setz dich, mein Junge." Zögernd tat ich das, was er verlangte, schob den Stuhl zurück und setzte mich hin. Hatte ich irgendetwas Falsches gesagt?"Also erst mal: Es ist von jedem selbst abhängig, wie lange du das ganze Zeug überhaupt brauchst. Vielleicht brauchst du es auch jetzt schon nicht mehr. Es liegt an dir, wie du deine Sucht siegreich bekämpfen willst. Entweder du stopfst dich weiter sinnlos mit Medikamenten voll, oder eben mit Traubenzucker, was nur halb so schlimm wäre, oder du setzt irgendwo einen Schlussstrich und versuchst irgendwie anders weiter zu machen. Hör viel Musik, treibe Sport oder zeichne. Setz dir irgendwo anders deine Droge. Eine, die wesentlich ungefährlicher ist. Verstehst du?" Aufmunternd lächelte er über sämtliche Falten in seinem Gesicht hinweg. Zum ersten Mal, seitdem ich hier war, kam mir mein Therapeut nicht länger vor wie ein Therapeut, sondern eher wie ein liebevoller Opa, der gerne uralte Weisheiten und Tipps für's Leben seinen Enkelkindern mitgeben wollte. Einer Person, die sich wirklich darum scherte, was mit dir passierte und wie es dir ging. Ähnlich, wie Lukas an unserem ersten Treffen, fast schon eine Vaterrolle übernommen hatte. Zumindest kam es mir so vor. Die Menschlichkeit hier in dieser Klinik überraschte mich immer wieder auf's Neue.

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Aus dem Leben eines Mädchens..~♥
Romance》"Du hasst Menschen grundlos. Du gehst zu leichtfertig damit um. Ich meine, was bringt dir der Hass? Wenn du dich weiterhin so verhältst, will definitiv keiner je mit dir befreundet sein."《 September 2012 Im Leben des Mädchens Mikayla Ashley Simpson...