06.02.2015

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Max


Nervös näherte ich mich der Haustür, die ich schon kannte, seitdem ich noch ganz klein war. Ja, ich sprach von meinem Zuhause, das ich nach über einem Monat endlich wieder besuchte. Es fühlte sich sowohl ungewohnt als auch befremdlich an, gleichzeitig aber auch so vertraut wie nie zuvor. Und obwohl ich keine Ahnung hatte, was mich, sobald ich an der Tür klingelte, erwarten würde, stand ich jetzt um kurz nach halb zwei hier. Mitsamt meinem Schulrucksack, da ich gleich von der Schule aus hergekommen war. Klar, ich wusste, dass meine Eltern an einer Paartherapie teilgenommen hatten und dass soweit wieder alles gut zwischen den beiden war. Dennoch lebte mein Vater vorerst bei einem guten Bekannten von uns, da es so für's Erste besser für die Familie war. Das hieß, dass ich wieder einmal alleine mit meiner Mutter lebte, was hoffentlich kein Problem mehr darstellen würde, da alle Streitigkeiten soweit aus der Welt geschafft wurden. Und obwohl alles gut zu sein schien, war ich unglaublich nervös. So nervös, als würde ich mich gleich meinen größten Ängsten stellen müssen. Was in diesem Fall ziemlich übertrieben war..

Zitternd näherte ich mich der Türklingel, während mein Herzschlag locker um das dreifache schneller schlug. Als ich es geschafft hatte und das allbekannte Klingeln im Inneren des Hauses hörte, ließ ich die Hand sinken und atmete einmal tief durch. Mein lauter Herzschlag dröhnte mir in den Ohren.

Es dauerte gar nicht lange, bis ich Schritte hörte, die sich näherten, bis sie plötzlich direkt vor der Tür standen. Da unsere Tür eine kleine Glasfläche hatte, durch die man hindurchschauen konnte, sah ich meine Mutter auf der anderen Seite. Wer denn auch sonst? Und sie sah mich auch. Gleich darauf öffnete sie schwungvoll die Tür, sodass ich sie nun ganz sehen konnte. Sie hatte sich kein Stück verändert, mit der Ausnahme, dass sie nun wieder viel gesünder und glücklicher aussah. Außerdem bemerkte ich Tränen in ihren Augen, die sich leise einen Weg aus ihren Augen bahnten, als sie auf mich zu kam und mein Gesicht in beide Hände nahm. Ihr Gesichtsausdruck wirkte so, als könne sie nicht fassen, dass ich hier und jetzt direkt vor ihr stand.

"Max..", flüsterte sie und nahm mich nun ganz in den Arm. "Mein Junge." Sie strich mir vorsichtig über den Rücken, während ich ebenfalls mit den Tränen kämpfte. "Es tut mir alles so leid.. Der Streit zwischen uns.. überhaupt das mit Papa. Und dass ich dich unkontrolliert angeschrien habe, obwohl du gar nichts dafür konntest.", murmelte sie, angestrengt ihre Stimme zu behalten. Ich musste lächeln. Nun brach auch bei mir der Damm und die ersten Tränen liefen über meine Wangen. "Schon okay, Mama.. Ich hab' dich doch lieb und ich bin froh wieder hier zu sein.", sagte ich, und meinte es auch wirklich so. "Ich dich auch..", erwiderte sie und gab mir einen Kuss an die Schläfe, während sie sich langsam von mir löste. Ein letztes Mal strich sie mir über beide Arme, bevor sie mich endgültig losließ. "Und jetzt komm. Du hast doch sicher Hunger. Es gibt frittiertes Hühnchen mit Kartoffeln und Salat."


"Wie war's bei Flo so? Hast du dich bei ihm wohl gefühlt?", fing sie ein Gespräch mit mir an, sobald wir am Esstisch saßen. "Gut.. wirklich. Ja, habe ich und ich war für keinen eine Last. Zumindest.. hat mir das keiner gesagt." Ich grinste, während ich mir die nächste Kartoffel in den Mund schob. Mama lächelte. "Na dann ist ja alles gut." Und so ging es weiter. Ich erzählte ihr einiges darüber, was ich bei Flo so erlebt hatte und sie mir im Gegensatz etwas über ihre Zeit in dieser Therapie. Ja, sogar erzählte ich, dass ich wesentlich früher aufstehen musste, da ich ja nur mit den Bus in die Schule fahren konnte. Sogar davon, wie ich diesen einmal fast verpasst hätte.. Und wie sehr ich darauf angefangen habe Bus fahren zu hassen. Mama lachte, während ich ihr das alles so erzählte. "Tja, so ging es mir früher auch öfter, als ich noch zur Schule ging. Ich konnte ja nur mit dem Bus fahren."

Darauf erzählte sie mir ebenfalls etwas von ihrer Therapie mit Papa. Sie meinte, dass sie sowohl mit verschiedenen Psychologen immer wieder geredet haben, hauptsächlich um diese über ihre Fortschritte zu informieren, als auch hin und wieder verschiedene Tests absolvieren mussten, um die Gemeinschaft zwischen ihnen wieder zu stärken.

"Klingt anstrengend.", bemerkte ich, wobei ich zu ihr nach oben schielte, während ich mir eine weitere Gabel samt Hühnchen und einen Stückchen Kartoffel in den Mund schob. Mama stöhnte. "War es auch." Ich grinste. Darauf dachte ich eine Weile länger darüber nach und bemerkte, dass es mich an das Projekt, das wir vor wenigen Wochen hatten, erinnerte. Ich erzählte ihr davon. Mama lächelte. "Na, hoffentlich hattet ihr anständige Kinder. Mit wem warst du denn in einer Gruppe?", fragte sie. "Mit keinem. Ich war allein." Ich verdrehte die Augen. Mama sah mich überrascht an. "Ja. Aber mein Kind war eigentlich in Ordnung. Ich hatte nen Jungen namens Alexander und wir kamen gut miteinander aus."

Wenige Zeit später waren wir auch schon fertig mit Essen und räumten gemeinsam unsere Teller in die Spülmaschine.

Als das geschafft war, entschuldigte ich mich kurz bei meiner Mutter, da nach wie vor die große Tasche, die ich dabei gehabt hatte im Flur stand und ich diese gerne noch aufräumen wollte. Also ging ich mit dieser unseren langen Flur entlang, auf dem Weg zu meinem Zimmer, als ich kurz davor auf einmal ein Bild an der Wand hängen sah. Dieses hatte ich noch nie zuvor gesehen, also musste es neu sein. Der Hintergrund war dunkelblau und dort stand in cremefarbigen Buchstaben ein Schriftzug in schnörkeligen Buchstaben geschrieben: Home sweet Home. Ich musste lächeln. Wie wahr.

David

"Du schläfst nächsten Freitag übrigens bei den Simpsons. Gehe wieder mit meinen Mädels weg. Da hast du doch nichts dagegen, oder?", fragte mich Mum, als wir beide nach dem Mittagessen in der Küche standen und unser Geschirr aufräumten. Ich lächelte. "Natürlich nicht." Mum grinste. "Das dachte ich mir schon." Ich erwiderte ihr Grinsen. "Wo geht ihr denn dieses Mal schon wieder hin?", fragte ich leicht ironisch, während ich ihr half das Geschirr abzutrocknen, da momentan unsere Spülmaschine defekt war. "Ach.. zu einem Junggesellinnenabschied.", erwiderte sie, und klang dabei so, als wäre so etwas ja alltäglich. Ich zog beide Augenbrauen in die Höhe. Natürlich war mir klar, was Frauen bei benannten Junggesellinnenabschieden so machten. "Ach ja? Wer heiratet denn?", hakte ich nach, während ich die Teller aufräumte. "Bettina und Thomas.", erwiderte sie knapp. "Verstehe.." Ich legte den Kopf schief um meiner Mutter ins Gesicht sehen zu können. Diese hatte den Kopf gesenkt und war gerade dabei Gabel und Messer zu verstauen. Ich wusste doch genau wie es ihr bei so etwas ging. Da brauchte sie mir nichts vorzumachen. Ich wusste schon lange, dass sie sich einen Partner wünscht, der auch bei ihr blieb. Nicht so wie ihr letzter, der zudem ein richtiger Mistkerl war, und erst recht nicht so einer wie mein leiblicher Vater. Sie wünscht sich schon lange die perfekte Hochzeit mit dem perfekten Partner. Ja, ich bekam sehr viel mit als alleinerziehendes und zudem auch Einzelkind. Meine Mum und ich haben schon sehr viele Stunden alleine verbracht. Da kam man leicht in Versuchung sich solch persönliche Sachen zu erzählen.. Ich kam da genauso wenig vorbei. Da ich ja ohne Vater aufgewachsen bin, musste ich wohl oder übel zu meiner Mutter, wenn ich Fragen hatte. Zum Beispiel als ich in die Pubertät kam, was noch gar nicht so lange her war.. Das Band, welches uns mit der Zeit, immer mehr zusammenschweißte, war unglaublich stark. Und keiner wird dieses je so leicht zerreißen können. Egal welcher Kerl, der noch kommen mag, meine Mum und ich halten zusammen. Für immer.

Darauf lächelte ich meine Mum einfach an, ohne genau zu wissen warum, während diese nach wie vor den Kopf gesenkt hielt und das Geschirr ordnete. "Mum..", begann ich, in der Hoffnung ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. Und das tat ich. Augenblick schnellte ihr Kopf nach oben. Ihr Blick fand meinen. "Du findest schon noch den Richtigen. Irgendwann wird er kommen und bis ans Ende deiner Tage bei dir bleiben. Du wirst deine perfekte Hochzeit noch bekommen. Ganz sicher. Du darfst nur nicht die Hoffnung aufgeben." Ein breites Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht und in ihren Augen bildeten sich Tränen. "Denkst du wirklich?", flüsterte sie. Ich lächelte. "Ja." Darauf kam ich auf sie zu und drückte sie. Einfach so. Das machten wir öfter. Wenn wir merkten, dass es den anderen nicht gut ging oder uns gerade danach war. Eigentlich gab es dazu keinen festen Grund. Wir taten es einfach, weil es sich gut anfühlte.

Als ich sie kurz darauf wieder losließ, sagte ich: "Genieß den Junggesellinnenabschied. Mach dich nicht von deinen eigenen Gedanken verrückt. Ich kenne dich. Entspann dich einfach. Aber tu ja nichts, was du noch bereuen wirst! Ich weiß, was da abgeht. Mehr oder weniger.." Darauf langte Mum ins noch volle Abspülbecken und spritze mir einfach so Wasser ins Gesicht. Ich sah sie entsetzt an. Doch sie grinste nur. "Tja, selbst Schuld, wenn du deiner eigenen Mutter sowas zutraust." Ich starrte sie nach wie vor ungläubig an. "Was..", machte ich, bevor ich eine weitere Ladung Spritzer abbekam. Mum lachte. Jetzt reichte es mir. Ich grinste zwar auch, doch nur, da ich es nicht unterdrücken konnte, in der Hinsicht darauf, was ich gleich vorhatte. Unauffällig beugte ich mich etwas nach vorne, während meine Mum sich wieder dem Geschirr gewidmet hatte. Meine Hände formte ich zu einer Art Schale und legte diese ins Wasser. Mein Blick wanderte zu ihrem Kopf. Ich grinste immer breiter. "Na warte."

Aus dem Leben eines Mädchens..~♥Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt