Kapitel 6: Trautes Heim - Glück allein? (Teil 2)

64 6 0
                                    

Nachdem ich Aisu zu ihrem Zimmer gebracht habe, gehe ich zum Stall, wo ich auch auf Julio treffe, den ich gleich verstimmt zur Rede stelle.

"Wieso hat du denn nun damit angefangen? Du weißt doch wie sehr ich die Erinnerung daran hasse."

Er erwiedert meinen Blick ganz ruhig und antwortet völlig gelassen: "Du musst es ihr sowieso irgendwann verraten. Und den ganzen Rest auch. Auch die ganze Geschichte mit den Schatten."

Ich gleite an der Wand des Stalles herunter und setze mich mit hängenden Schultern hin. Ich bin plötzlich völlig erschöpft. "Sie wird mich hassen wenn sie alles weiß... Verdammt. Ich hasse mich für das, was ich getan habe."

Julio setzt sich mir gegenüber und schüttelt den Kopf. "Wie oft denn noch. Es ist nicht deine Schuld, aber das erzähle ich dir doch schon seit Jahrhunderten. Außerdem musst du endlich mal jemandem von all dem erzählen und damit meine ich jemand anderem als mir. Vertrau dich ihr an, ich bin mir sicher, dass sie es verstehen wird. Sie hat doch alles andere bisher auch ziemlich relaxt aufgenommen."

"Du weißt genau, dass ich das nicht tun kann. Es könnte wieder passieren."

"Wird es nicht."

"Wieso bist du dir da so sicher? Ich hatte doch schon nach dem ersten mal geschworen, dass es nie wieder passieren wird. Und dann ist es vor sieben Jahren wieder passiert."

"Was genau ist eigentlich vor sieben Jahren geschehen? Wir waren zu der Zeit nicht sehr viel zusammen unterwegs und du hast noch nicht mal mit mir darüber geredet", fragt Julio ehrlich besorgt.

Ich schüttel meinen Kopf als Zeichen, dass ich nicht daüber reden möchte. "Du wirst es demnächst schon noch erfahren... Wie kannst du dir nun so sicher sein, dass es nicht wieder dazu kommt? Dass ich nicht wieder durchdrehe? Du musst es doch auch bemerkt haben als wir mit den Detektive Boys im Park waren."

Er seufzt und an seinem Blick merke ich schon, dass er versteht was ich meine. Er versteht mich eigentlich immer. "Natürlich habe ich das bemerkt. Du meinst, dass allein durch ihre Gegenwart deine Kontrolle schon flöten geht. Du hast Angst sie komplett zu verlieren."

"Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen - wie immer."

"Das wirst du nicht", sagt Julio voller Überzeugung.

"Wie kannst du dir da so sicher sein?", frage ich leicht frustriert zurück.

Er wirft mir allerdings nur einen wissenden Blick zu. Ich verstehe ihn allerdings immer noch nicht, weshalb ich ihn verwirrt anschaue.
Nach ein paar geschlagenen Minuten bemerkt er endlich, dass ich ihn nicht verstehe, schüttelt fassungslos den Kopf und redet mit einem Seufzen weiter. "Glaub mir einfach und versprich es mir."

Jetzt verstehe ich es noch weniger...
"Was versprechen?"

"Versprich mir einfach, dass du sie beschützen wirst und nicht zulässt, dass ihr Schaden zugefügt wird. Du hältst deine Versprechen immer und bei diesem bin ich mir zu einhundert Prozent sicher, da du das ja sowieso vor hast."

Ich denke nach... Eine Minute vergeht und dann noch eine. Mehrere Minuten vergehen ohne, dass einer von uns etwas sagt.
Irgendwann wechselt mein Blick von erschöpft zu relativ entschlossen - ich habe beschlossen ihm zu glauben.
"Okay, meinetwegen! Ich verspreche es dir. Ich werde dafür sorgen, dass ihr nichts passiert. Ich will nicht zulassen, dass nochmal einem meiner Freunde etwas zustößt."

Wir beide stehen auf und er grinst mich frech an. "Genau das wollte ich von dir hören! So gefällst du mir besser als mit deinen ganzen Zweifeln."

Bevor er noch weiter reden kann, stelle ich noch etwas klar: "Danke! Aber das heißt nicht, dass ich ihr alles erzählen werde. Vielleicht irgendwann aber noch nicht jetzt, vielleicht aber auch gar nicht..."

Er schüttelt fassungslos den Kopf, grinst mich dennoch an. "Na, wenn du meinst."

Ich grinse ihn erleichtert und leicht verwirrt an und sage: "Dann sollten wir jetzt alles für unsere Reise vorbereiten."

Er nickt und geht aus dem Stall, um schonmal nach den Vorräten zu schauen. Ich bleibe jedoch vorerst im Stall um nach den Pferden zu schauen. Dort stehen insgesamt drei Pferde - drei zottelige kleine Ponys. Drei Waldläuferpferde, die besten Pferde, die es gibt - meiner Meinung nach. Zuerst gehe ich zu Kage - meinem Pferd -, einem zähen dunkelbraunem sturen Tier. Er hat mich noch nie im Stich gelassen.

Ich überprüfe seine Hufe, striegel ihm sein Fell und gebe ihn zum Schluss noch einen Apfel.
Als nächstes gehe ich rüber zu Kaze - Julios Pferd - und mache bei ihm das selbe. Kazes Fell ist heller, als das von Kage. Insgesamt sehen sie sich jedoch sehr ähnlich.

Das letzte Pferd im Stall ist eine zottelige Stute mit einem sehr hellen Fell, das schon fast weiß wirkt. Dementsprechend heißt sie auch Ice. MeinPlan ist, dass Aisu sie reitet. Auch um das letzte Pferd kümmere mich und breite dann vor allen drei etwas Futter aus.

Anschließend gehe ich vom Stall wieder in meine Hütte, bereite das Frühstück vor und wecke dann Aisu. Sie ist noch recht verschlafen, aber viel Schlaf hatte sie ja nicht.

Beim Frühstück fällt mir noch eine wichtige Frage ein. "Du Aisu, kannst du eigentlich reiten?"

---------------------

Der Wächter der DimensionenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt