Kapitel 19: Der Dark Angel tritt aus dem Schatten (Teil 3)

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Da sie nickt, nehme ich meine zwei Schwerter wieder in die Hand und lasse mich rückwärts vom Dach fallen.

Für ein paar kurze Augenblicke genieße ich den freien Fall, ehe ich meine Flügel ausbreite. Als erstes statte ich meinem eigenen Zimmer einen Besuch ab und verstaue meine Schwerter. Mein nächstes Ziel wird Miros Krankenzimmer. In Schatten gehüllt hangel ich mich außen an der Burg entlang und finde das Zimmer recht schnell. Er ist allein und wach - gut.

Neben ihm lasse ich den Schleier der Schatten fallen und stehe offen vor ihm. Miro versucht sich aufzusetzen, doch ich halte ihn zurück.
"Beantworte mir nur eine Frage: Wenn es dir befohlen würde, hättest du dann mitgeholfen Astral zu töten?"

Offensichtlich von der Frage verwirrt antwortet er empört: "Was? Nein! Niemals. Nicht einmal wenn der König selbst es befehlen würde."
Diese offensichtliche Empörung und irgendwas in seinem Blick überzeugen mich davon, dass er die Wahrheit sagt. Ich konnte ihn noch nie wirklich leiden, aber seine Pflicht hat er immer ernst genommen. Und seine Aufgabe ist es die Mitglieder der königlichen Familie zu schützen.

"Wieso hast du dann heute gesagt du wärest auch Schuld an seinem Tod?"

"Weil euer Vater mir den Auftrag gegeben hat auf euch aufzupassen und euch im Notfall zu beschützen. Ich erinnere mich nicht mehr was dann bei der Schlacht geschah. Aber da Astral tot ist, habe ich ganz offensichtlich versagt."
Bei diesen Worten blickt er traurig zur Seite. Ich horche auf seinen Herzschlag und weitere Anzeichen für eine Lüge, kann allerdings keine entdecken. Er sagt die Wahrheit.

Ich ziehe mich einen Schritt zurück.
"Ich glaube dir", gebe ich zu. "Und tut mir leid... Ich war vorhin einfach wütend..."

"Dazu hattest du jedes Recht..", murmelt Miro leise.

Ich schüttel den Kopf. "Du hattest uns in der Schlacht aus den Augen verloren und weiter versucht deine Pflicht zu tun. Nur leider hast du die falsche Person beschützt", sage ich leicht traurig. "Auch wenn diese Person einer der unseren war, hat er meinen Bruder erschossen. Du konntest es nicht wissen."

An seinem betroffenen Ausdruck erkenne ich, dass auch er mir glaubt.
"Ach so war das... Wieso hast du die Energie genutzt und deine eigenen Leute angegriffen?", hakt er vorwurfsvoll nach. Mittlerweile hat Miro sich aufgesetzt und lehnt am Kopfende des Bettes. Seine Wunden wurden versorgt und nur sein linker Arm ist noch in einen Verband gehüllt. An seiner Stirn ist immer noch eine leichte Linie zu erkennen - eine Narbe wird also vermutlich bleiben.

"Letzteres war nicht meine Absicht, aber dazu bald mehr. Die Sonne geht gleich unter und bevor der Mond aufgeht muss ich noch etwas erledigen", weiche ich aus.
Damit verlasse ich das Zimmer wieder und lasse Miro verwirrt zurück.

Mein nächstes Ziel liegt ein paar Stockwerke weiter oben. Kurz darauf hocke ich auf dem Festerbrett bei Lucian.
"Tut mir leid", begrüße ich ihn.
Lucian schaut nicht von den Shogi-Brett auf, vor dem er gerade sitzt, während er antwortet. Anscheinend geht er irgendeine alte Partie durch. "Ich wusste, dass du vorbei kommst. Aber du musst dich nicht entschuldigen."

"Ich hätte mich schon längst entschuldigen sollen. Schließlich bin ich dafür verantwortlich, dass du nicht mehr laufen kannst", wiederspreche ich.
"Ja und?", fragt Lucian und dreht sich endlich zu mir um. Er... lächelt? "Dass du der Dark Angel bist, weiß ich doch schon längst. Ich habe es von Anfang an gewusst..."

"Woher? Und wieso hast du dann nie etwas gesagt?", unterbreche ich ihn.

"Ich habe alles gesehen", antwortet Lucian ruhig. "Ich wollte dir nicht noch mehr Sorgen machen. Ich kann nicht mehr laufen - was solls? Ich habe mich damit abgefunden. Ohne dich wäre ich vermutlich gestorben."
"Du klingst ja schon wie Julio."
"Manchmal solltest du auf ihn hören", rät er mir. "Aber jetzt solltest du dich beeilen. Der Vollmond geht gleich auf."

"Ich weiß. Ich bin auch gleich weg, aber könntest du meinem Vater eine Nachricht überbringen? Er dürfte im Moment nicht gerade gut auf mich zu sprechen sein."
Lucian nickt, also fahre ich fort: "Morgen. Drei Stunden nach Sonnenaufgang vor den Haupttoren. Er soll mich erwarten."

"Du willst doch wohl nicht...", fragt er entsetzt. Wie immer hat er sofort seine Schlüsse gezogen.

"Doch genau das habe ich vor", antworte ich mit einem verschmitzten Grinsen und verschwinde auch schon wieder von hier. Nur diesmal mache ich mich auf den Weg in den Wald. Nachdem ich tief genug in den Wald geflogen bin, lande ich und verwandel mich in einen Wolf.

Am nächsten Morgen erwache ich auf auf einer Lichtung. Die Sonne ist anscheinend erst vor einer Stunde aufgegangen - naja wenn man bedenkt, dass immernoch ziemlich dunkle Wolken am Himmel hängen, hinter denen die Sonne bloß zu erahnen ist. Wenigstens regnet es nicht mehr so stark.
Meine verbliebene Zeit nutze ich noch um etwas zu essen und wieder in Richtung der Drachenburg zu fliegen.

Kurz nach der von mir angesagten Zeit lasse ich mich direkt von oben vor die versammelten Truppen fallen. Sie stehen im Halbreis um mich herum. Die königliche Familie - meine Familie- direkt vor mir. Lucian, Julio und Aisu stehen bei ihnen. Mit den Händen in den Hosentaschen gehe ich noch ein paar Schritte auf sie zu. Obwohl ich unbewaffnet bin, weichen einige zurück.
"Ich bin hier um euch einen Angebot zu machen", kündige ich laut an. Ich bezweifle, dass jetzt irgendeiner Lust auf Smalltalk hat, weshalb ich direkt zum Punkt komme und fortfahre ehe mich noch irgendein Trottel (wie zum Beispiel Fallatas) unterbrechen kann.

"Ich fordere ein vollständiges Groß-Tribunal!"

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Der Wächter der DimensionenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt