Kapitel 8: Shadow (Teil 4)

45 4 2
                                    

"Dann lass es uns schnell hinter uns bringen", ergebe ich mich.

Ich weiß jetzt schon, dass ich das ganz sicher nicht mögen werde, was Thomas jetzt sagen wird. Vermutlich werde ich es sogar hassen.

"Ich möchte, dass du mit anderen Bundesbehörden als Berater zusammen arbeitest", bringt er es auf den Punkt.

Ja, ich kann das ganz und gar nicht leiden. Außerdem ist die Idee lächerlich.

"Dein Ernst?", frage ich skeptisch. "Ich, eine Legende unter Auftragsmördern und Dieben, soll Bundesbehörden beraten? Das ist doch lächerlich."

Thomas scheint das nicht ganz so lächerlich zu finden. "Das ist mein voller Ernst. Fürs erste müsstest du dem FBI bei einem speziellen Fall helfen. Außerdem wirst du sie als Yuya und nicht als Shadow beraten."

"Aus welchem Grund sollte ich das tun? Und wie verkaufst du dem FBI Yuya Shadowhunter, einen normalen jungen Restaurantbesitzer, als Berater? Also ohne, dass du verrätst, dass ich Shadow bin?", hinterfrage ich das Ganze.

So gerne ich auch mit ihm plauder, sollte ihm dieses Geheimnis jemals über die Lippen kommen, dürfte das für ihn sehr unangenehm werden. Und das weiß er auch nur zu genau. Aus genau diesem Grund ist er auch der einzige von der gesamten CIA, der weiß wer ich bin. Soweit ich weiß zumindest.

Thomas erbarmt sich dazu mir alles ein wenig zu erklären.
"Das FBI bearbeitet einen Fall, der mit Shadow zu tun hat. Sie haben eine Suchanfrage danach gestartet und das hat bei uns natürlich einen Alarm ausgelöst. Deine Akte würde ihnen nicht weiterhelfen, da etwa 90% davon geschwärzt sind. Also soll ich ihnen jemanden an die Seite stellen, der ihnen helfen kann den Täter zu finden, gleichzeitig aber nicht zu viel über Shadow verrät. Und zufälligerweise bist du der einzige, der bestimmt, wer was wissen soll. Okay, der einzige, der überhaupt genug über Shadow weiß."

Da hat er - leider - recht. Selbst Thomas weiß nur das was in der Akte steht und halt meine Identität. Allerdings habe ich immer noch keine Lust auf diesen Auftrag.
"Sie würden niemals mit meiner Vorgehensweise klar kommen. Geschweige denn sie genehmigen."

"Damit meinst du Mord, Folter, Drohungen, Einbruch und Diebstahl. Ach ja und Hacking nicht zu vergessen", präzisiert Thomas.

"Du hast das ziemlich schön zusammengefasst", lobe ich ihn.

"Ich habe dafür gesorgt, dass du alles was dir nötig erscheint tun kannst. Allerdings solltest du in Zukunft etwas subtiler vorgehen."

Sie scheinen meine Hilfe ja dringend zu benötigen, wenn sie bereit sind mir eine solche Vollmacht zu erstellen. Eben diese Vollmacht gibt er mir und ich verstaue sie mir in meinen Gürtel.

"Klingt zwar ganz verlockend, aber ich habe keine Lust dauernd für irgendwelche Behörden zu arbeiten", stelle ich ganz deutlich klar. Ich arbeite generell lieber für mich allein. Das mit der CIA ist auch nur durch einen ungünstigen Zufall entstanden.

"Ich scheine mich nicht richtig ausgedrückt zu haben", sagt Thomas nachdrücklich. "Das war keine Bitte, sondern ein Befehl."
"Von oben", fügt er auf meinen wütenden Blick hinzu.

"Und was, wenn ich mich weigere?"

"Dann sehe ich mich gezwungen öffentlich zu machen wer hinter Shadow steckt", droht er mir.
Ach, stimmt ja. Interpol sucht immer noch nach mir. Und ihm scheint sein eigenes Wohlergehen gerade ziemlich egal zu sein.

"Du hast dafür keinerlei Bewise, es würde niemals so weit kommen, dass ich verhaftet werde. Und selbst wenn, du solltest wissen, dass ich aus den so ziemlich sichersten Gefängnissen der Welt bereits ausgebrochen bin. Aus den meisten mehrmals. Du solltest dir die Akten dieser Aufträge vielleicht nochmal durchlesen", erkläre ich ihm wütend. Ich lasse mich nicht gerne zu etwas zwingen.

Er antwortet ruhig und total im Agent Harper Modus: "Es geht auch nicht darum, ob du verhaftet wirst. Ich habe etwas nachgeforscht. Vor einigen Jahren bist du fort gegangen, doch jetzt bist du wieder hier. Etwas - oder jemand - scheint dir wichtig genug zu sein, dass du wieder her kommst. Shadow hat sehr viele Feinde. Was würde wohl passieren, wenn alle Medien berichten du seist Shadow. Du wirst dann verlieren, was dir wichtig ist oder du musst wieder verschwinden. Keines von beidem dürfte dir gefallen. Also was tust du nun?"

Na toll. Jetzt droht er mir mit dem einzigen was mir wirklich wichtig ist. Und er hat Recht. Es gibt viele - sehr viele - Leute, die nur noch darauf warten, dass es einen Hinweis auf meine Identität gibt. Leute, die allein schon aufgrund eines Verdachts töten würden. Leute, die von Aisu erfahren würden. Die sie töten würden - selbst wenn ich von hier verschwinden würde. Das kann ich auf keinen Fall zulassen.

Mit zusammengebissenen Zähnen antworte ich Agent Harper: "Du bedrohst gerade indirekt das Einzige was mir noch groß etwas bedeutet.  Ich nehme diesen Job an. Schicke das Team vom FBI bitte zu morgen Abend ins Dragons. Ach ja, und sag ihnen, dass ich eine Hängematte an meinem Arbeitsplatz haben möchte und ich werde immer noch hauptsächlich im Dragons arbeiten."

Ich stehe auf, nehme mir einen Bonbon zur Beruhigung, schiebe meinen Schal hoch und öffne das Fenster .
Meine vorhin abgeschossenen Pfeile, die uns einer der Wachleute netterweise vorbeigebracht hat, während wir Smaltalk betrieben haben, habe ich schon wieder eingesteckt. Bevor ich noch mehr tun kann, entschuldigt Thomas sich leise: "Tut mir leid, dass ich dir das androhen musste, aber mir wurde befohlen mit allen möglichen Mitteln dafür zu sorgen, dass du diesen Job annimmst und das war die einzige Möglichkeit."

Ich stelle mein Bein auf das Fenstersims und sage: "Das und unsere jahrelange Zusammenarbeit ist der einzige Grund dafür, dass du noch am Leben bist. Die meisten anderen hätte ich dafür umgebracht und solltest du mir noch einmal derartig drohen, bringe ich dich um. Jahrelange Zusammenarbeit hin oder her. Ach ja, das ist keine Drohung - es ist ein Versprechen."

Mit diesen Worten springe ich aus dem Fenster, breite meine Flügel aus und gleite auf dem Wind - nach einem kleinen Umweg - nach Hause.
Als ich ankomme, ist es bereits kurz nach Mitternacht. Julio wartet dennoch auf mich und wir gehen gemeinsam nach unten.

----------------------

Der Wächter der DimensionenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt