Kapitel 19: Der Dark Angel tritt aus dem Schatten (Teil 2)

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"Ich verstehe dich nicht. Ich glaube, dass du immer noch nicht ehrlich zu mir bist. Aber ich hasse dich nicht. Das was du gesehen hast waren nicht meine Gefühle, sondern deine."

"Das ist unmöglich", stelle ich fest. "Wie kannst du dir da so sicher sein?"

"Nachdem du aufgehört hast, spürte ich Gefühle, von denen ich ganz sicher wusste, dass sie nicht meine eigenen waren...", beginnt Aisu zu erklären. "Ich war mir irgendwie ganz sicher, dass sie von dir kamen. Da ich keine Ahnung hatte was da los war, habe ich Mila und Lucian gefragt."

Guter Plan. Mila kennt sich hervorragend mit den Fähigkeiten der Wassernutzer aus und Aisus Eis gehört auch irgendwie dazu. Lucian hingegen kennt mich sehr gut und weiß generell sehr viel.

"Mila meinte, dass manche Wassernutzer die Gefühle anderer spüren können. Genau wie sie", fährt sie fort. "Allerdings hat es sie gewundert, dass ich ausgerechnet deine Gefühle und die keines anderen spüren konnte. Auch wenn es nur kurz war. Jetzt spüre ich schon wieder gar nichts mehr von dir kommen. Sie erzählte mir, dass es noch nie einer geschafft hat. Lucian hat mir verraten, dass du vermutlich hier oben bist."

"Wie kommt es dann, dass Julio dich her gebracht hat?", ignoriere ich erst mal alles andere.

"Ich habe ihn gefragt, was genau passiert ist. Laut ihm konntest du deine Handlungen nicht kontrollieren und das liegt an diesem Drachenmal, das du bekommen hast als du zu Shadow wurdest. Er fand die Idee, dass ich mit dir rede, ganz gut und hat mich deshalb her gebracht", antwortet sie mir bereitwillig.

Typisch Julio.
"Aber...", fährt Aisu nach einem Moment der Stille fort. "...eins verstehe ich einfach nicht. Du warst nicht nur wütend und traurig. Da war auch noch nicht wenig Hass und Schuld. Du hasst dich für das was du getan hast und gibst dir für irgendetwas die Schuld. Aber du bist als Dark Angel bekannt, der den letzten Krieg beendet hat. Für viele bist du ein Held. Wofür gibst du dir die Schuld? Wieso warst du überhaupt so wütend und traurig?"

"Ein Held?", frage ich verächtlich. "So etwas war ich nie und werde ich nie sein. Dir wurde vielleicht erzählt, dass der Dark Angel einen großen Teil der gegnerischen Armee - der Kitari - vernichtet hat. Aber hat dir auch einer gesagt, dass dabei auch mehr als halb so viele unserer eigenen Kämpfer getötet wurden? Wären wir zu dem Zeitpunkt nicht bereits deutlich in der Unterzahl gewesen, dann wären es noch deutlich mehr geworden. Wenn ich die Kontrolle verliere dann töte und verletze ich jeden in meiner Umgebung. Ob Freund oder Feind ist dabei völlig irrelevant. Lucian hat noch Glück gehabt und wird trotzdem nie wieder laufen können. Und glaub mir - ich habe bereits noch schlimmeres getan."

"Jetzt verstehe ich dich gar nicht mehr", murmelt Aisu leise und schaut mir forschend in die Augen. "Du meistest du würdest wieder zu Shadow werden, wenn du nochmal die Wahl hättest. Aber wieso, wenn du doch hasst, was deshalb passiert?

"Ich hasse es nur, wenn ich nicht mehr kontrollieren kann was ich tue, aber ansonsten mag ich meine Arbeit. Die Zeit hat Narben hinterlassen, aber ich habe auch wichtige Lektionen gelernt. Zudem habe ich dort endlich gelernt richtig zu kämpfen. Hätte ich das nicht, hätte ich vieles nicht schaffen können. Ich glaube kaum, dass du das verstehst, aber für mich ist das halt so", versuche ich ihr zu erklären.

"Tue ich auch noch nicht so ganz, aber ich werde es versuchen. Was ist vorhin eigentlich passiert? Wir konnten nicht hören, was ihr gesagt habt, aber du schienst mit einem mal sehr wütend geworden zu sein." An ihrem Blick erkenne ich, dass sie anfängt die ernste Seite der Dimensionen zu verstehen, weshalb ich ihr auch ehrlich antworte.
"Das vor sieben Jahren ist geschehen nachdem ich gesehen hatte, wie Astral von Pfeilen getötet wurde. Der Schütze wurde von einem Soldaten gedeckt während er schoss. Vorhin habe ich anhand von Miros Art zu kämpfen erkannt, dass er das damals war."
"Das erklärt immerhin einiges", sagt Aisu ruhig, fast schon ein wenig traurig. Vielleicht fängt sie wirklich langsam an etwas zu verstehen. "Aber", wirft sie ein. "Wie kannst du dir da so sicher sein?"

"Die Bewegungen im Kampf sind fast schon so wie ein Fingerabdruck. Nur jemand der das Sharingan beherrscht, ist in der Lage so etwas zu kopieren. Aber das beherrscht hier ja keiner."
Mein Blick senkt sich als ich mir alles nochmal durch den Kopf gehen lasse.
"Aber eigentlich war ich viel zu voreilig", gebe ich zu.
Erstaunt fragt Aisu nach: "Hm... Wie meinst du das?"
"Der Schütze trug unsere Farben. Also kann es sein, dass er nichts davon wusste und einfach nur einen Verbündeten in der Schlacht beschützte. Genauso gut kann es sein, dass er beauftragt wurde für dessen Schutz zu sorgen und genau Bescheid wusste."

"Dann solltest du das zunächst einmal herausfinden", schlägt Aisu vor. "Wo wir schon mal dabei sind. Was hast du jetzt überhaupt vor? Jetzt wo alle wissen, dass du der Dark Angel bist. Die wollen dich verhaften und suchen dich bereits."

Da hat sie Recht. Nicht nur damit, dass ich mal mit Miro reden sollte, sondern auch, damit dass die königlichen Wachen nun auf der Suche nach mir sind. Als Dark Angel habe ich eines der größten Verbrechen begangen, die man in Yao begehen kann. Mal ganz davon abgesehen, dass tausende Soldaten durch meine Hand starben. Ich habe die Energie verwendet. Das Gesetz, dass dies verbietet gibt es bereits seit Generationen. Wieso es erlassen wurde, weiß keiner mehr so genau. Die Strafe für den Einsatz jedoch ist üblicherweise der Tod.
Als wäre das nicht genug, ist ihnen bereits aufgefallen, dass der gesetzlose Shadow und Dark Angel eine Person sind. Noch ein Grund weshalb ich gesucht werde.

Nach und nach nimmt ein Plan - okay, eine Idee - Gestalt an. Ja, so werde ich es machen.
Mit einem zufriedenen Lächeln stehe ich auf und drehe mich zu Aisu um. "Danke Aisu. Du hast mir sehr geholfen. Ich weiß jetzt, was ich tun werde, aber vorher muss ich noch etwas erledigen. Wir sehen uns dann morgen. Julio holt dich ab, wenn ich hier verschwinde, oder?"

Da sie nickt, nehme ich meine zwei Schwerter wieder in die Hand und lasse mich rückwärts vom Dach fallen.

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Der Wächter der DimensionenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt