Kapitel 7: Eine kleine Drohung nebenbei und eine Einladung zum Duracel (Teil 7)

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Sie nickt und beginnt mit ihrem Training, während Julio und ich uns zum Training vorbereiten. Schuhe, Socken, Hemden und Schwertscheiden landen bei den Satteln an der Seite und wir stellen uns gegenüber auf - jeder mit seinen Waffen in der Hand.

Durch die Sonne, die uns von der Seite bescheint, glitzert die Kette um seinen Hals. Eine schlichte goldene Kette, auf der zwei Ringe aufgefädelt sind. Der eine ist etwas größer als der andere, ansonsten sind sie völlig identisch.
Wir nehme unsere Angriffshaltung ein.
"Du trägst sie noch immer?" Meine Frage stelle ich natürlich auf Altägyptisch und in der Sprache setzen wir das Gespräch auch fort.

"Ja, aber ich werde jetzt ganz sicher nicht mit dir darüber reden."
Mit diesen Worten greift er an - ein deutliches Zeichen dafür, dass er tatsächlich nicht weiter darüber reden will. Er ist noch schneller als sonst, weshalb ich alles an Geschwindigkeit nutzen muss, was ich habe um seine Angriffe noch abzulenken und meinerseits zurück schlagen zu können.

"Irgendwann müssen wir darüber reden", entgegne ich nachdem unsere Klingen mehrmals aufeinander geprallt und dabei Funken geschlagen haben.

"Nicht hier und nicht jetzt."

Dieses Gespräch führen wir nicht zum ersten Mal. Seit damals habe ich das Thema schon öfters zur Sprache gebracht, vor 58 Jahren das letzte Mal. Jedes Mal blockt er ab, sodass wir uns noch nie ausführlich darüber unterhalten haben. Ich habe immer noch eine ganze Menge Fragen und er ist der Einzige, der sie mir beantworten könnte. Allerdings ist das immer noch ein Tabuthema zwischen uns.
Na gut! Wir reden beide nicht gerne darüber. Jeder hat seinen Aspekt an dem Ereignis damals, über den er nicht reden möchte, weshalb wir gar nicht darüber reden wollen.
Einer von uns beiden macht irgendwann immer dicht.

Wieso bringe ich es gerade jetzt zur Sprache? Vermutlich weil ich wieder Zuhause bin und mir diese Schlacht von vor sieben Jahren wieder in den Kopf kommt.
"Du weißt schon, dass wir dieses Gespräch schon ewig vor uns her schieben, oder?", frage ich Julio, während ich einen starken Hieb von Julios Schwert mit meinen beiden zur Seite lenke.

"Was nicht allein an mir liegt." Julio wehrt meinen Konter grazil ab.

Wo er Recht hat, hat er Recht. Ich schweige.
Julio duckt sich unter einem Hieb hinweg, während er mit seinem Schwert meine andere Klinge zur Seite schlägt.

Die beiden Ringe an Julios Kette klimpern und glitzern kurz in der immer höher stehenden Sonne. Sofort fühle ich mich schuldig, was Julio mir auch sofort ansieht.
"Es war nicht deine Schuld."
Ich schnaube. "Das sagt du mir jedes Mal und ich werde es dir niemals glauben."

Mehrere Minuten lang kämpfen wir schweigend weiter, bis Julio das Thema wechselt.
"Was ist deine Strategie im Kampf gegen Miro? Willst du den Kampf wirklich innerhalb von Sekunden gewinnen?"
Das Thema gefällt mir durchaus besser. Ich will nicht über meine Schuldfrage von damals diskutieren. Naja... Eine Frage hätte ich dazu noch, aber die wird er mir nicht so schnell beantworten...

Zurück zu Miro und meinem Duracell.
"Ich habe nicht vor schnell zu gewinnen. Außerdem bezweifel ich, dass ich das so schnell schaffe. Miro hat in den letzten Jahren sicher hart trainiert. Ich werde ihn nicht einfach nur besiegen - ich werde ihn vernichten." Wut blitzt kurz in meinem Auge auf.

"Du willst ihn vernichten? Ist es weil er dir vorgeworfen hat, dass dir die Gefühle anderer völlig egal sind?", fragt er.
Ein Feuer der Wut wird in meinem Auge entfacht.
"Keiner der das vorwirft, kommt ungeschoren davon!"Ich beschleunige meine Angriffe nochmal.
"Ich akzeptiere es als Feigling, ..." Mit links wehre ich Julios von oben geführten Hieb ab, während ich mit rechts angreife.
"...als Dieb, ..." Julio kann gerade noch so ausweichen und ich beschleunige erneut noch etwas - Julio wird jedoch ebenfalls - recht spielend - schneller.
"...als Mörder, ..." Unsere Klingen kreuzen sich mehrmals - Funken sprühen.
"...oder als Monster..." Julio wird erneut schneller und ich auch - er ist jedoch immer noch nicht an seinem Maximum angelangt.
"...bezeichnet zu werden." Julio wird immer schneller und ich schaffe es kaum noch mit seiner Geschwindigkeit mit zu halten.

"Aber ich lasse niemanden..." Ich werde noch ein wenig schneller als ich es zuvor gekonnt hätte. Miro macht mich einfach wahnsinnig, sodass mir das zuerst gar nicht auffällt.
"...davonkommen, der behauptet..." Mit meiner Linken schlage ich Julios Hieb nach oben links. Ich schlage so stark zu, dass ihm sein Schwert aus der Hand fliegt und halte die Spitze des anderen Schwertes an sein Herz.
"...meine Freunde und Familie und deren Gefühle seien mir egal!", beende ich meinen kurzen Monolog auf Altägyptisch.

Ein paar Sekunden ist es auf der Lichtung vollkommen still. Das einzige Geräusch sind die im Wind raschelnden Blätter - selbst Aisu hat innegehalten und unseren letzten Schlagabtausch verfolgt. 

Julios erschrockener Gesichtsausdruck verwandelt sich nun in ein breites Grinsen. "Du warst schnell. Ein klein wenig schneller als sonst." Er hat wieder die Sprache gewechselt, sodass auch Aisu uns wieder versteht.

"Hast Recht", grinse ich ihn an.
Aisu schaut uns verdattert an und fragt: "Worüber habt ihr gerade geredet? Und ist es nicht gefährlich so zu trainieren?"
Ich ziehe mein Schwert zurück, stelle mich bequem hin und Julio und ich grinsen Aisu breit an.
"Das macht das ganze doch erst so interessant", antwortet Julio ihr.

"Ihr seid völlig verrückt", stellt Aisu in völlig neutralen Ton fest.

Wir stimmen ihr einfach nur grinsend zu.
Seid wir sie kennen sind wir irgendwie viel fröhlicher als früher.

Julio rappelt sich auf und holt sich sein Schwert wieder, während Aisu wieder auf ihre erste Frage zurück kommt: "Worüber habt ihr eigentlich geredet?"

Mein Blick wird wieder ernst. "Ich habe Julio nur erklärt, dass ich nicht vorhabe Miro schnell zu besiegen, sondern ihn zu vernichten." Auf ihre unausgesprochene Frage nach dem Grund, fahre ich fort. "Er hat mir vorgeworfen, dass mir meine Freunde und Familie völlig egal sind und das ist etwas, dass ich nicht hinnehmen kann!"

Sie nickt sprachlos, sagt nach einigen Sekunden jedoch noch: "Dann lasst und weiter trainieren!"


Wir trainieren bis nach Sonnenuntergang. Aisu schießt weiterhin auf ihre Ziele und wird immer besser, während Julio und ich unseren Kampf immer mal wieder in den Wald verlegen.
Nun stehen wir gemeinsam in meinem Zimmer und sind bereit die Dimensionen zu wechseln.

Lucian hat dafür gesorgt, dass Durcerion anderwertig beschützt wird - er wollte damit ja sowieso nur bewirken, dass ich wiederkomme.
Seufzend ergreife ich die Hände meiner beiden besten Freunde und gemeinsam wechseln wir die Dimensionen - zurück zu Aisu nach Hause.

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Der Wächter der DimensionenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt