Kapitel 18: Erde und Feuer treffen aufeinander - der Sturm bricht aus (Teil 1)

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Nun, etwa zur Mittagsstunde am Dienstag, betrete ich den großen sandigen Kampfplatz vor der Burg. Zeitgleich mit Miro, der von der anderen Seite kommt - die Zeit für unser Duracel ist endlich gekommen. Unter der Kapuze meines schwarzen Umhanges muss ich grinsen.
Genau wie ich trägt Miro einen Umhang - dies gehört zur Tradition. Allerdings ist seiner rot und hat keine Kapuze.

Bereits am Morgen konnte man die dunklen Wolken, die nun den Himmel bedecken, am Horizont sehen. Bald wird ein Sturm aufziehen. Der Wind wird mein Feuer verstärken, während der darauffolgende Regen nicht so günstig wäre.
Der Platz ist ziemlich groß und umgeben von vollbesetzten Tribünen. Links von mir ist der reservierte Platz der königlichen Familie. Neben meinem Vater und meinen Geschwistern, sitzen auch Aisu und Lucian dort.

"Zu diesem Duracel wurde Miro Tairiku, Anführer der königlichen Leibgarde, herausgefordert. Den Waffen und der Rüstung sind keine Beschränkungen auferlegt. Wer das Blut seines Gegners zuerst auf seiner Klinge hat, wird dieses Duracel für sich entscheiden", beginnt der Herold (auch auf meiner linken Seite) mit der kurzen traditionellen Einführung samt Zusammenfassung der Regeln. Seine Stimme lässt er von der Luft bis zu allen Zuschauern tragen, ansonsten hätte ihn an diesem gigantischen Platz kaum einer gehört. Ansonsten (also bis auf den Herold und den tosenden Wind) ist es in vollkommen still - alle sind viel zu gespannt auf den folgenden Kampf. Und garantiert haben nicht wenige Wetten auf den Ausgang dieser Begegnung abgeschlossen.
Warum zuerst der Herausgeforderte vorgestellt wird? Das war schon immer so. Hat sich wohl irgendwann jemand ausgedacht. Die genauen Gründe scheint keiner mehr zu kennen.

"Herausgeforderter zeige uns deine Wahl der Ausrüstung", fordert der Herold Miro auf.

Hinter meinem Gegenüber taucht aus den Schatten des Eingangs ein weiterer Veteran auf und trägt einen großen Schild, einen einfachen Helm und ein hierzulande klassisches Schwert in einer schlichten Scheide. Miro löst seinen Umhang und übergibt ihn dem anderen Mann, der als sein Sekundant fungiert. Sollte einer der beiden Teilnehmer des Duracel sterben, wird sich sein Sekundant anschließend um dessen Nachlass und dergleichen kümmern. Im Allgemeinen ist das eine große Ehre.
Jetzt (ohne Umhang) ist auch Miros Rüstung deutlich zu sehen. Sie ist ziemlich schlicht, aber unglaublich stabil und vom besten Schmied des Landes gefertigt - genau wie sein Schwert und Schild. Dies sind schlichte, aber höchst funktionale, Werkzeuge. Im Prinzip genau das, was ich erwartet habe.
Nachdem Miro seine Waffen an sich genommen und den Helm aufgesetzt hat, verschwindet sein Sekundant wieder.

"Herausgefordert wurde er von Yuya 'Shadowhunter' Dracoshāshǒu, totgeglaubter Königssohn", fährt der Herold nun fort.
"Herausforderer zeige uns deine Wahl der Ausrüstung."

Grinsend leiste ich seiner Aufforderung folge und lege noch während Julio, mein Sekundant, hinter mir auftaucht meinen Umhang, indem ich vor (hier) nur wenigen Tagen angekommen bin, ab und zeige meine Wahl der Rüstung.
Oder sollte ich besser sagen der Wahl keiner Rüstung?
Ich trage eine lockere schwarze Hose und mein Cape. Dazu nur noch meinen Schuppenschal. Mein Oberkörper und meine Füße sind frei. Die Überreste meiner Wunden sind genauso deutlich zu sehen, wie meine restlichen Narben und Tattowierungen - inklusive des Drachen. Die standartmäßige Kleidung eines Schatten bei einem öffentlichen Zweikampf halt. Der einzige Verband, den ich noch trage, ist an meinem Hals unter dem Schal nicht zu sehen.

Ein Raunen geht durch die Zuschauermenge. Seitdem irgendein Vorfahre die Tradition der Duracelle begründet hat, hat es noch nie ein Kämpfer gewagt so ungeschützt  in den Kampf zu treten. Mich stört das Risiko nicht. Im Gegenteil - ich liebe es.

Nach einigen Sekunden scheinen die Zuschauer ihren Blick auf meine Waffen zu richten und das Raunen verstärkt sich, als ich meine beiden Schwerter aus den Scheiden ziehe, die Julio mir hinhält.

Klassisch ist es bei uns im Königreich einen Einhänder in Verbindung mit einem Schild zu verwenden. Es gibt einige wenige, die lieber ohne Schild mit nur einem Einhänder oder gar einem Zweihänder kämpfen.
Es gab bereits viel Gemurmel, da ich bisher nie mit Schild gekämpft hatte. Allerdings bin ich bisher auch nie mit einem zweiten Schwert in den Kampf gezogen. In der finalen Schlacht des letzten Krieges hatte ich mir irgendwann den Einhänder eines gefallenen Soldaten geschnappt, aber alle die dies gesehen haben könnten sind damals vermutlich gestorben - oder haben nie ein Wort darüber verloren. Ich habe gerne noch ein unbekanntes Ass im Ärmel.

Nun hatte ich entschieden, dass dieser Kampf es wert ist, mein Ass zu offenbaren - zumindest dieses eine.
So gesehen ist es das erste Mal, dass die Bevölkerung Yaos einen Schwertkämpfer mit einem Beidhändigen Stil zu sehen bekommen.

Selbstbewusst drehe ich mich wieder zu Miro herum, während Julio mit den Scheiden meiner Schwerter und meinem Umhang verschwindet. Kurz darauf taucht er wieder auf der Tribüne auf einem zuvor leeren Platz neben Aisu auf.

"Im Namen Yaos möge der Kampf nun beginnen."
Der Herold eröffnet mit diesen letzten Wörtern den Kampf und ich stürme gleich vorwärts. Möge der Spaß beginnen.

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Der Wächter der DimensionenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt