Kapitel 19: Der Dark Angel tritt aus dem Schatten (Teil 5)

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"Nein, nein geht schon", winkt er ab, nachdem sein Hustenanfall vorbei ist. "Aber das erklärt natürlich einiges. Eins beschäftigt mich allerdings immer noch. Dir hätte es leicht fallen müssen zu fliehen. Also warum bist du dann hier?"

Ich mustere mein Gegenüber sorgfältig ehe ich antworte. Trotz seiner kränklichen Erscheinung strahlen seine Augen scharfsinnig.
"Stimmt, du hast recht. Ich hätte fliehen können. Aber was hätte es mir gebracht? Ich wäre stets auf der Flucht gewesen und rein gar nichts würde sich ändern. Ich habe allen Oberen dieses Landes etwas zu sagen und ich bin die einzige Gegenleistung durch die ich ein Groß-Tribunal erzwingen kann."

"Moment, moment", werde ich unterbrochen. "Was ist das Groß-Tribunal? Und wieso antwortest du mir so entspannt auf meine Fragen, obwohl wir uns noch vor kurzem bekämpft haben?"

Einen Augenblick schaue ich ihn nachdenklich an, ehe ich zu einer Gegenfrage ansetze, mich dann doch dazu entscheide ihm zuerst etwas zu beantworten. "Ja und? Jetzt sitzen wir beide hier unten. Außerdem war ich ja das Ziel deines Auftrags und nicht mein Bruder. Auch wenn ich es nicht unbedingt gut finde, dass du ihn als Köder benutzt hast."

"Woher weißt du das?", fragt er mit einem weiteren Husten.
"Du hast mich ohne zu zögern angegriffen sobald du mich entdeckt hast. Hättest du es tatsächlich auf Durcerion abgesehen, wärest du wohl eher wieder verschwunden. Außerdem hattest du zuvor mit den Wachen gespielt und hattest gar nicht ernsthaft vor durch die Tür zu kommen. Zuletzt waren deine Klingen mit einem betäubenden Gift bestrichen, was vermuten lässt, dass du von Anfang an geplant hast zu kämpfen und nicht bloß ein Attentat zu begehen."

"Du warst echt aufmerksam."

"Nein." Ich setzte mich nun wieder auf (aus meinem Nickerchen wird jetzt wohl sowieso erst mal nichts) und schüttel meinen Kopf. "Ich wäre lediglich genauso vorgegangen."

"Wie heißt du eigentlich?", frage ich nach ein paar Augenblicken.

"Rico"

"Na dann Rico. Du kommst sicher aus einem der Dörfer an der Grenze, sonst hättest du vom Groß-Tribunal zumindest schon mal etwas gehört." Rico nickt nur und ich fahre fort. "Das Groß-Tribunal wurde von meinem Ururgroßvater ins Leben gerufen, der auch dieses Land gegründet hat. Neben dem König und seinem Nachfolger hatte auch jeder Fürst seinen Sitz. Auch jemand der nicht in den Adel geboren wurde, kann daran teilnehmen. Jeder Fürst hat das Recht einen Berater mitzubringen, der allerdings dann kein Stimmrecht hat. Zusätzlich haben noch der Anführer der königlichen Leibgarde und auch der oberste Berater des Königs einen Platz mit vollem Stimmrecht. Da es allerdings keinen Zwang dazu gab, kam es mit der Zeit immer seltener zusammen und nach dem Tod des Gründers hat es nie wieder jemand zusammen gerufen. Der König hat mit seinen Beratern die Entscheidungen in der Regel eigenständig getroffen. Trotzdem hat noch immer jeder Gefangene das Recht auf ein Urteil durch das Groß-Tribunal zu bestehen, was heutzutage aber keiner mehr weiß. Jetzt werde ich dafür sorgen, dass es seit Ewigkeiten wieder vollständig zusammen kommt."

"Davon habe ich noch nie gehört", gibt Rico (mit einem leisen Husten) zu.

"Das glaube ich gerne", erwieder ich. "Selbst einigen Fürsten ist das nicht mehr so bekannt und vom Volk wissen viele noch nicht einmal mehr, dass es das überhaupt gibt. Besonders in den entlegenen Dörfern in der Nähe der Grenzen."

"Kann ich dich auch noch etwas fragen?", schiebe ich noch hinterher.

Rico meint nach ein paar Momenten ein wenig entschuldigend: "Ja klar, aber ich kann dir nicht versprechen, dass ich dir die Antworten geben kann."

Ich ahne wo sein Problem liegt, weshalb ich ihn gleich beruhigen kann. "Keine Sorge ich will gar nicht wissen wer dich beauftragt hat."
"Nicht?", fragt er überrascht.
"Es gibt so viele die mich umbringen wollen, da macht einer mehr auch nicht viel aus. Was mich viel mehr interessiert ist woher er wusste, dass ich noch lebe. Es hätte keiner wissen dürfen."

"Das war um ehrlich zu sein auch meine erste Frage, als ich beauftragt wurde. Wie sollte man schließlich einen Toten töten? Er hatte anscheinend einen Informanten, der sich zu einhundert Prozent sicher war, dass du noch lebst. Und irgendwie muss der es geschafft haben meinen Auftraggeber zu überzeugen. Tut mir leid, mehr weiß ich auch nicht."

"Schon okay." Wer kann dieser Informant bloß gewesen sein? Fallatas hat allen glaubhaft gemacht, dass ich tot bin. Er hat es ja selbst geglaubt. Nur Lucian und Julio wussten sicher, dass ich noch am Leben bin. Beide würden nichts verraten und Julio wusste noch nicht mal wer ich hier bin. Es ist auch eigentlich nicht möglich, dass mich jemand erkannt hat als ich unterwegs war. Als dritter Sohn des Königs (ja Astral war hier ein wenig älter) kannte keiner außerhalb der Hauptstadt wirklich mein Gesicht. Zumindest nicht gut genug um der Nachricht meines Todes zu misstrauen. Und von der Drachenburg habe ich mich immer fern gehalten. Woher konnte er das also wissen? Und wer ist es?

"Ist das ein Bonbon?" Eine verwirrte Frage unterbricht meine Gedankengänge und ich schaue mit einem verwunderten "Hä?" wieder auf. Ohne es wirklich zu bemerken hatte ich wieder nach einem Bonbon aus einem der Beutel meines Gürtels gegriffen, um ihn mir in den Mund zu schieben, wie ich es so häufig mache wenn ich nachdenke.
"Ähm ja", antworte ich ihm mit dem Bonbon im Mund. "Das hilft mir beim Nachdenken. Willst du auch einen?"

"Gerne", nickt Rico und ich werfe ihm einen zwischen den Gittern hindurch zu. Er fängt ihn gekonnt auf. "Das scheint dir ja echt zu denken zu geben."

"Stimmt", gebe ich zu. "Rico. Ich weiß. Ich habe gesagt ich frage nicht, aber könntest du mir zumindest etwas über deinen Auftraggeber verraten. Zumindest ob es ein Kitari oder ein Yaoraner war?"

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Der Wächter der DimensionenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt