Kapitel 10: Ruhe? Wer braucht schon so etwas? (Teil 1)

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Das ganze Zimmer riecht nach Aisu und ich werde immer müder, bis mir nach einer halben Stunde schließlich die Augen zufallen.

Das erste, was ich (vermutlich) ein paar Stunden später wahrnehme ist der Geruch von starken Kaffee. Da es nur eine Person gibt, die mich mit Kaffee weckt, murmel ich verschlafen: "Julio! Was willst du?"
Er bringt mir nur Kaffee ans Bett, wenn er etwas von mir will.

Warum riecht es hier so ungewohnt?
"Ich bin zwar nicht Julio, aber ich hätte gerne, dass du endlich aus meinem Bett kommst", bekomme ich als Antwort.

Langsam öffne ich blinzelnd die Augen, setzte mich auf und schaue mich im mittlerweile lichtdurchfluteten Zimmer um. Ich sitze in einem Bett, das nicht meins ist und Aisu sitzt mit einem gut riechendem Becher neben mir auf einem Stuhl. Erst jetzt fällt mir wieder ein, dass ich gestern Abend eingeschlafen bin, während ich auf Aisu gewartet habe.
"Tut mir leid, dass ich hier einfach so dein Bett belegt habe. Ich wollte gestern auf dich warten und bin dann wohl einfach eingeschlafen. Du hättest mich doch einfach wecken können, als du nach Hause gekommen bist", entschuldige ich mich.

"Ach kein Problem! Ich habe einfach in einem der Gästezimmer geschlafen. Kaito hat mir schon erzählt, dass ihr euch unterhalten habt, aber komm doch einfach zum Frühstück", winkt sie ab.
Ich nicke, schiebe meinen rechten Ärmel runter (Wieso ist der denn hochgeschoben? Hat sie nach der Wunde gesucht, die Shadow zugefügt wurde? Na egal, zumindest war sie bereits verheilt), nehme den Kaffee und trinke einen großen Schluck. Hm... Lecker! Der ist schön stark, genauso wie ich ihn mag. Nach ein paar weiteren kräftigen Schlücken, lächel ich Aisu breit an und sage: "Könnte ich noch kurz duschen gehen? Ich bin dann in fünf Minuten unten."

"Klar, kein Problem. Du weißt ja sicher noch wo alles ist", antwortet Aisu.
Ich nicke und wir verlassen beide ihr Zimmer - ich biege ab Richtung Badezimmer und sie hüpft die Treppe runter. Bei dem Anblick muss ich lächeln. Er erinnert mich an früher. Ich bin hier so oft eingebrochen, dass ich das Haus in und auswendig kenne. Immer wenn  wir wussten, dass ihre Eltern weg waren, habe ich übernachtet und jeden morgen ist sie genauso die Treppe hinunter  gehüpft. Grinsend dusche ich mich kurz ab und sitze etwas mehr als fünf Minuten später mit meinem dampfenden Becher Kaffee bei Aisu und Kaito am Frühstückstisch.

Wir unterhalten uns total schön und gehen alle gemeinsam gut eine Stunde später los. Kaito bringen wir zum Dragons, wo wir ihn Julio vorstellen. Anschließend erkläre ich Julio noch kurz, dass ich gestern Abend bei Aisu eingeschlafen bin und dann machen Aisu und ich uns auf den Weg zum Büro des FBI, wo wir uns mit Don treffen sollen.
Sie will mir gerade davon erzählen, dass sie gestern abend angegriffen wurde, doch ich winke ab und sage: "Ich weiß. Deshalb war ich ja eigentlich auch bei dir. Ich wollte schauen, ob es dir gut geht. Mehr dazu, aber erst später wenn wir bei den anderen sind."

Wir laufen ein paar Minuten schweigend weiter, bis sie leise murmelt: "Ich habe ihn kämpfen sehen... Er sah dir dabei so unglaublich ähnlich..." Sie mach ein paar Sekunden Pause ehe sie fortfährt: "...dass ich fast dachte du wärst es."
Sie hatte also wirklich nach der Wunde gesucht, die Shadow zugefügt wurde. Meine beschleunigte Heilung hat sie dabei wohl vergessen.
Da ich sie nicht direkt anlügen möchte, antworte ich bloß schulterzuckend: "Wir haben einen sehr ähnlichen Kampfstil."

Den Rest des Weges legen wir schweigend zurück. Zur Sicherheitskontrolle am Eingang, schiebe ich gleich wortlos meinen linken Ärmel hoch, sodass wir uns den Metalldetektor gleich sparen können. Nach dieser äußerst nervigen Sicherheitskontrolle, können wir endlich hoch in Dons Büro und treffen den Rest seines Teams.

Sie wirken alle ziemlich sympathisch. Zum einen ist da ein dunkelhäutiger glatzköpfiger Mann in Dons Alter namens David Sinclair. Daneben auf dem Tisch sitzt ein - schon wieder - dunkelhaariger Mann, dem man direkt ansieht, dass er bei der Army war. Er scheint noch nicht lange im Team zu sein und heißt Colby Granger.

Zuletzt stellt mir Don die einzige Frau dieses Teams vor, die Psychologin Megan Reeves. Sie unterhält sich gerade mit Charlie, Amita und dem älteren Professor, mit dem sie auch schon vor ein paar Tagen unterwegs waren. Er heißt Larry Fleinhardt und ist einer von Charlies Kollegen.
Die drei sind des öfteren als Berater für das FBI tätig.

Don stellt uns beide noch kurz vor und dann setzen wir uns alle um einen Tisch, auf dem eine Karte von L.A. liegt, auf der die Tatorte von gestern markiert sind.

"Wieso hast du uns keine genaueren Zielorte genannt? So zielgerichtet wie Shadow eingegriffen hat, müsst ihr die doch ziemlich genau gewusst haben, wo Angriffe erfolgen werden. Wir hätten mit dem FBI helfen können!", kommt Don gleich vorwurfsvoll zur Sache.

Schnaubend lehne ich mich zurück. "Das FBI und helfen? Nichts für ungut Leute, aber wir haben schon so unsere Erfahrungen mit Bundesbehörden - unter anderem auch dem FBI - gemacht und die standen uns eher im Weg, als dass sie geholfen hätten. Außerdem ist das ganze unsere Schuld, also biegen wir das auch wieder gerade. Ich bin nur hier, weil mir das befohlen wurde."

Don schüttelt den Kopf und Colby murmelt kaum hörbar: "Na das kann ja heiter werden."

"Hast du uns deshalb auch nicht gesagt, dass es an der CalSci zwei Angriffe geben würde?", fragt Amita relativ ungehalten. In ihren Augen lese ich, dass sie es nicht gut findet, dass ich (und Shadow) das FBI außen vor gelassen haben und somit Aisu in Gefahr geraten ist.

Ich schüttel den Kopf und antworte ehrlich ein wenig zerknirscht: "Das habe ich ehrlich nicht gewusst. Hätte ich auch nur geahnt, dass sie Aisu ins Visier nehmen, hätte ich es euch gesagt. Glaubt mir! Ich würde sie nie absichtlich in Gefahr bringen. Und Shadow auch nicht."

"Das heißt ich wurde nicht zufällig angegriffen?", fragt nun Aisu völlig überrascht. Sie scheint es ziemlich verdrängt zu haben, dass vor ihr gemordet wurde.

Ich nicke. "Ja, aber könntest du mir noch kurz erzählen, was genau du gestern Abend gesehen hast." Für das FBI hat sie mit ziemlicher Sicherheit bereits gestern eine Aussage abgegeben.

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Der Wächter der DimensionenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt