Kapitel 19: Der Dark Angel tritt aus dem Schatten (Teil 6)

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"Stimmt", gebe ich zu. "Rico. Ich weiß. Ich habe gesagt ich frage nicht, aber könntest du mir zumindest etwas über deinen Auftraggeber verraten. Zumindest ob es ein Kitari oder ein Yaoraner war?"

Rico überlegt. Ich verstehe ihn. In unserem Metier ist Geheimhaltung mitunter das wichtigste. Aber diese Information könnte mir schon mal deutlich weiter helfen.
Nach fast drei Minuten senkt Rico seinen Blick und murmelt: "Na gut... Da du mir so bereitwillig antwortest, werde ich dir diese eine Sache verraten."

"Danke", sage ich aufrichtig.

"Es war ein Kitari..." Ricos Flüstern ist so leise, dass ich es fast nicht höre.

Verdammt. Klar dass die Kitari mich hassen. Ich habe so viele von ihnen förmlich abgeschlachtet. Aber so ist wenigstens klar, dass mich dieser Informant gar nicht kennen kann. Jeder Kitari der wissen könnte, dass ich der Sohn des Königs oder gar der Dark Angel bin ist in der Schlacht damals ums Leben gekommen und nach dem Krieg bezweifle ich, dass einer aus Yao ihnen helfen würde. Zu viele sind damals gestorben. Zu viele haben ihre Familien und ihr Zuhause verloren. Und das auf beiden Seiten. 

"Sag mal...", fragt Rico leise nach zehn Minuten des Schweigens. "Nach allem was passiert ist... Hasst du die Kitari nun?"

Ich lasse mir alles was passiert ist nochmal durch den Kopf gehen. Die ewigen Auseinandersetzungen an der Grenze. Der Krieg. Die Zeit danach und alles was ich in den letzten Jahren gesehen habe. Einfach alles.
"Nein", antworte ich ihm schlussendlich. Rico wirkt überrascht. "Ich habe schon genug Leid und Zerstörung gesehen, als dass ich glauben könnte an dem hätte nur eine Seite Schuld. Mich hassen beide Seiten. Also wieso sollte ich einen großen Unterschied zwischen ihnen machen? Nur weil ich hier in Yao geboren wurde? Das ist doch Schwachsinn."

"Du hast eine interessante Denkweise."

Daraufhin zucke ich mit den Schultern. "Wie stehst du dazu? Da du zur Hälfte Kitari und zur anderen Yaoraner, dürftest du in keinem der beiden Länder freudig begrüßt worden sein."
Mein Nickerchen kann ruhig noch etwas warten.

"Stimmt... Wie du bereits vermutet hast, komme ich aus einem kleinen Dorf direkt an der Grenze. Die Yaoraner haben mich deutlich spüren lassen, dass ich nicht zu ihnen gehörte. Mit elf bin ich nach Kitoya abgehauen, doch dort lief es im Prinzip genauso. Erst mehr als ein Jahr später bin ich auf einen Kitari getroffen, den es nicht interessierte was ich war. Er wurde mein Lehrer und wenige Jahre danach brach der Krieg aus. Im Prinzip sind mir beide Länder ziemlich gleichgültig. Ich wünschte nur, dass Halb-Kitari akzeptiert würden. Aber das wird wohl nicht so bald geschehen..."

Wo er recht hat... Die Nachwirkungen des Krieges sind noch immer deutlich zu spüren.

Wir schweigen eine Weile bis Rico das Thema wechselt: "Was ist eigentlich mit deinen Augen los?"

Ich schaue ihn verwirrt an. "Was soll denn damit sein?" Also momentan müssten die eigentlich ganz normal aussehen.

"Dein linkes Auge ist komplett blau und dann hast du dort auch noch diese lange Narbe. Was ist damit passiert? Und dann ist da noch dein rechtes Auge... Es wirkt eigentlich ganz normal, aber als wir gekämpft haben wurde es rot mit so schwarzen Punkten drin. Und dann hast du dich ganz anders bewegt", erklärt er.

Das linke Auge hat er gesehen als ich vorhin vom Bett runter hing und dass ich das Sharingan gegen ihn verwendet habe, hatte ich fast schon wieder vergessen. "Gut beobachtet."

"Irgendetwas muss das Kitariblut ja bringen", hustet Rico.

"Das hier ist kein richtiges Auge, sondern ein Kristall", fange ich an zu erklären und klopfe mit dem linken Knöchel dagegen. "Wieso das so ist und woher ich die Narbe hab, weiß ich nicht so genau."

"Wie kannst du das nicht wissen? Und wie ist das mit diesem roten Auge? Es war als hättest du meine Bewegungen vorhersehen können."

Ich kratze mir am Hinterkopf und verzichte darauf ihm auf seine erste Frage zu antworten. "Konnte ich ja auch. Dieses rote Auge ist eine spezielle Technik. Sie wird Sharingan genannt und es ist - soweit ich weiß - nicht möglich sie zu erwecken, wenn man nicht mit der Veranlagung dazu geboren wurde. Mithilfe des Sharingans kann man die Bewegungen und Techniken des Gegners durchschauen, vorhersehen und auch kopieren - sofern man die Vorraussetzungen dafür erfüllt."

"Wow! Davon habe ich noch nie etwas gehört."
"Kein Wunder. Schließlich gibt es das hier eigentlich nicht", erwieder ich.

"Hä? Wie meinst du das?", fragt Rico zurecht verwirrt.
"Weder in Yao noch in Kitoya habe ich jemanden außer mir mit diesen Augen getroffen", antworte ich mit einem ernsten Blick. Dass es aus einer anderen Dimension kommt, kann ich ihm ja schlecht sagen...
"Puh", pfeift der halbe Kitari. "Schon ein wenig unfair."

"Kann sein", gestehe ich. "Aber jeder hat etwas das ihn ausmacht und das er besser kann als andere. Außerdem hat alles eine Schwäche."

Wir unterhalten uns noch eine Weile über unwichtigere Dinge bis mir beinahe die Augen zu fallen und ich beschließe, dass ich mein Nickerchen doch brauche. Bereits nach wenigen Sekunden schlafe ich tief und fest.

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Der Wächter der DimensionenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt