Kapitel 22: Die Worte eines Toten bringen die Entscheidung (Teil 3)

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Wir weichen aus, blocken und kontern. Es geht immer weiter hin und her, mein Gegner behält jedoch weiterhin die Oberhand.

Der Nebel lichtet sich langsam ein wenig, als Heath in die Hocke geht und versucht mir die Füße weg zu fegen. Um dem auszuweichen, springe ich hoch und konter mit einem Tritt, den er ziemlich gut weg steckt. Nahezu sofort landet er wieder auf den Füßen und schlägt mit beiden Händen auf den Boden. Dadurch erschafft er einen gewaltigen Wirbelwind, der mich hoch in die Luft hebt und zusätzlich noch ein großes Loch in den Nebel reißt, sodass mir die mittlerweile recht hoch am Himmel stehende Sonne ins Gesicht scheint.
Als der Wind gerade nachlässt erscheint Heath über mir und greift mich mit einem Tritt von oben an. Ich kann ihn zwar mit meinem linken Unterarm abblocken, werde allerdings dennoch wieder in Richtung Boden befördert. Er ist in der Luft. Also dürften mich auf der Brücke keine Steinstacheln erwarten, da er Erde oder Stein nur dann verformen kann, wenn er Kontakt zu ihnen hat. Zusätzlich hülle ich mich in Feuer, um Eis gegebenenfalls zum schmelzen und Wasser zum verdampfen zu bringen.

So waren zumindest meine Gedanken... Dass ich etwas übersehen habe, wird klar als mich zahlreiche schwarze Ranken durchbohren. Schatten. Die Erkenntniss schießt mir blitzartig durch den Kopf. Als Heath gerade schwankend wieder auf den Füßen landet, lösen sich die Ranken auf und ich falle die restlichen paar Zentimeter auf den steinernen Boden der Brücke. Während Heaths Augen langsam klarer werden, stehe ich wieder auf.
"Du kannst aber auch nicht einfach liegen bleiben, oder?", fragt er völlig außer Atem auf ein Knie gesunken. Anscheinend war seine letzte Aktion für ihn recht anstrengend.
"Nö, warum auch. Wäre dann doch nicht so lustig", antworte ich leichthin, gehe in Gedanken jedoch die neuen Verletzungen durch. Meine Beine und auch mein Arm wurden mehrmals durchbohrt. Meinen Oberkörper hat es allerdings wesentlich stärker getroffen. Ein paar Organe hat es ebenfalls erwischt und auch meine Lunge blieb nicht verschont.

Heath hat dadurch zwar meine verbleibende Zeit bis mein Körper einfach zusammenklappt erheblich verringert, aber noch dürfte es ausreichen.
"Wirst du dich nun endlich nicht mehr zurück halten?", fragt Heath.
Ich will gerade den Kopf schütteln, als eine Schmerzenswelle meinen ganzen Körper durchzuckt. Ehe ich mich versehe, bin ich auf den Knien und spucke Blut auf die Brücke. "Das waren vorhin nicht bloß Schatten, oder?", vermute ich im Bezug auf seinen letzten Angriff.

"Sie waren mit Gift getränkt", bestätigt er meine Vermutung.
"Was bewirkt es?"
"Weiß ich gar nicht so genau", gibt er zu. "Diese Fähigkeit habe ich genau wie die Schatten noch nicht wirklich lange und habe sie bisher nur bei Menschen eingesetzt. Es hat ihr Schmerzempfinden deutlich verstärkt. Ich kann leider weder die Schatten noch das Gift heute noch einmal einsetzen. Auch du kannst nicht ewig weiter kämpfen. Was auch immer das Gift nun genau bewirkt... Ich bin mir ziemlich sicher, dass es deine Zeit reduziert."

"Stimmt. Auf Zeit spielen kann ich nicht mehr", sage ich und stehe wieder auf. "Ich kann allerdings immernoch weiter kämpfen, also lass uns noch ein wenig Spaß haben, ehe es vorbei ist."
Nun steht auch Heath wieder auf und funkelt mich wütend an. "Du wirst verlieren. Trotzdem willst du weiter kämpfen und dich dabei zurückhalten? Wieso?!? Du hast mir einen Kampf versprochen, in dem wir beide mit allem kämpfen was wir haben. Also fang endlich damit an!", schreit er mir entgegen.
Anstatt zu antworten schaue ich bloß betreten auf den Boden. Ich würde ja gerne, aber...
"'Schau ihm in die Augen. In ihnen wirst du die Trauer und den Schmerz sehen, die er durchlebt hat. Diese Erlebnisse haben ihn stärker gemacht und das ist bloß die Spitze des Eisbergs.' Das hat er zu mir gesagt. Er sagte, sobald ich das in deinen Augen sehe sei der Kampf endgültig entschieden. Was meinte er? Was ist es, das du noch immer zurück hältst?"

Heath redet weiter auf mich ein, doch bei mir kommt nichts mehr an. Seine ersten Worte, die er anscheinend zitiert hat, sind eingeschlagen wie ein Blitz. Ich kenne diese Worte.
"Wer hat dir das gesagt? Von wem hast du diese Worte?", unterbreche ich ihn.
"Wann hast du ihn getroffen", werfe ich noch hinterher, da ich bereits einen sehr begründeten Verdacht habe wer es gewesen sein könnte.

"Es war Shisui", bestätigt er meine Vermutung. "Ich bin ihm nur wenige Wochen vor seinem Tod begegnet. Vermutlich ahnte er zu dem Zeitpunkt bereits, dass er bald sterben könnte. Er bat mich nämlich, falls dies eintreffen sollte, mit dem Kampf gegen dich noch ein paar Jahre zu warten."

"Hatte Shisui dir das wortwörtlich so gesagt?", hake ich nach.
Als Anwort nickt Heath bloß.
"Hast du ihm dabei auch nur einmal in die Augen geschaut?"
Heath nickt erneut.
Also habe ich jetzt wohl die Erlaubnis von dir, Shisui?

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Der Wächter der DimensionenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt