Kapitel 11: Ein elektrisierendes Duell (Teil 4)

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Nun denke ich nicht mehr nach. Ich handel einfach nur noch. Selbst weitere Blitze, die Rai auf mich harabfahren lässt, sind auf einmal nicht mehr so unangenehm. Ich spüre den mittlerweile so gut wie aufgegangenen Mond. Mein Körper sehnt sich danach sich zu verwandeln.
Nach ein paar weiteren Angriffen, drehe ich mich aus einem Stich von Rai und ramme ihm mein rechtes Schwert rückhändig ins Herz.

Den Knauf meines anderen Schwertes ramme ich ihm vor die Brust, sodass er hinfällt und ich ihn mit dem ersten Schwert an den Boden nageln kann.

Rai versucht es noch einmal mit seinen Blitzen, doch durch die Mischung aus dem Drachenmal und dem Vollmond spüre ich ihn kaum, obwohl er erneut durch das Wasser verstärkt wird. Rai scheint das zu bemerken und schüttelt bloß resigniert den Kopf.
Das Wasser um uns herum färbt sich rötlich. Sowohl mein als auch Rais Blut vermischt sich mit dem Fluss. Auch meine Füße sind von den spitzen Steinen des Flusses etwas aufgerissen.

"Ich habe verloren, nicht wahr?", fragt Rai mit brüchiger Stimme. Augenscheinlich hat er Probleme damit nicht das Bewusstsein zu verlieren. "Ich habe dich unterschätzt und nun muss ich den Preis dafür bezahlen."
"Ja."
"Verdammter Mist." Rai spuckt erneut Blut.
"Das war nicht dein einziger Fehler", erzähle ich ihm und streiche sein Bild in meinem Bingobuch mit seinem Blut durch, wie ich es immer tue. Zudem erhitze ich es kurz, sodass das Blut trocknet und stecke das Buch wieder ein.
Er seufzt."Hätte ich mir denken können. Willst du mir verraten was ich falsch gemacht habe?"

Wir beide wissen, dass er so gut wie tot ist und einfach nur wissen möchte was er falsch gemacht hat, um in Ruhe sterben zu können. Diesen Gefallen werde ich ihm gerne tun.

"Weißt du ich könnte einfach gehen. Du wärst zwar ziemlich verletzt, aber würdest in wenigen Stunden wieder aufwachen und nach einiger Zeit auch wieder vollständig genesen", fachsimpel ich.

"Pah", schnaubt Rai und hustet wieder. "Du könntest, aber wir wissen beide, dass du das nicht tun wirst. Und dass nicht nur weil es gegen all unsere Prinzipien verstoßen würde."
Wie recht er doch hat.
"Da hast du recht", antworte ich und lasse mich neben ihm in den Fluss fallen. Das kalte klare Wasser tut in den Wunden gut. "Ich würde dich schon töten, einfach weil es zur Ehre eines Dämons gehört sowas zuende zu bringen, allerdings wurde ich auch noch mit deinem Tod beauftragt und ein Dämon erledigt seine Aufträge immer zuverlässig. Aber du hast auch ein paar grundlegende Fehler gemacht. Erstens: Falsche Zeit. Keiner sollte mich am Vollmond herrausfordern. Da habe ich immer Lust zu kämpfen. Dein größter Fehler war jedoch, dass du meine Freunde, meine Familie bedroht hast. Das kann ich niemanden durchgehen lassen."

"Letzteres war ja mehr oder weniger Absicht, schließlich wollte ich ja, dass du kommst", hustet Rai. "Ich hätte nur nie erwartet, dass ein einfacher Halbdämon so stark sein könnte..."

Ich hebe meine Augenbrauen. "Hast du erreicht. Du hast verloren... Also was hast du mit Heath am Hut?"
Sich an solche Abmachungen zu halten gehört auch zu der Ehre der Dämonen dazu, weshalb Rai mir nun auch ganz brav antwortet. Das Gespräch scheint ihm dabei zu helfen sich zu konzentrieren und bei Bewusstsein zu halten. "Er hat herausgefunden, dass ich gegen dich kämpfen wollte. Dafür dass ich dich heute herrausfordere, habe ich Informationen bekommen. Zum Beispiel das mit deinem Kettchen."

Ich bin mir ziemlich sicher, dass Heath an den Problemen schuld ist, die Aisu und Julio haben. Ich muss morgen sofort zurück nach Konoha.
"Er wollte nie, dass du mich besiegst. Du solltest mich lediglich beschäftigen und von meinen Freunden fern halten", analysiere ich laut.
"Hab ich nun auch bemerkt." Die Flammen spiegeln sich im Wasser und tauchen sein gequältes Gesicht in ein flackerndes orange.
Der Vollmond drängt mich immer mehr dazu mich zu verwandeln, weshalb ich aufstehe und mein Schwert ein wenig in der Hand herum wirbel. "Ich muss so langsam los." Meine Sicht ist bereits schärfer, meine Zähne länger und meine Finger immer mehr zu Klauen geworden.

Ich setze gerade zum endgültig tödlichen Stich an, als Rai mich noch einmal unterbricht. "Könntest du mir noch einen letzten Gefallen tun und mir verraten wieso du keinerlei Anstalten gemacht hast, um dein Kettchen zu schützen."
Hm... Die paar Sekunden habe ich noch und danach ist er sowieso tot, also antworte ich ihm mit einem Lächeln.
"Weil es mir egal ist. Ob ich lebe oder sterbe ist nicht wichtig."
Zuerst sieht er ziemlich geschockt aus, schließt dann jedoch lächelnd die Augen und sagt: "Ach so ist das."
Ich lasse mein Schwert in seine verletzliche Stelle unterhalb seiner Brust fallen und Rai löst sich mit einem zufriedenen Ausdruck auf. Wenn ein Dämon stirb, löst er sich auf und wird als ein beliebiges Tier wiedergeboren.
In dem Moment, in dem Rai stirbt, fängt mein rechter Unterarm an zu brennen. Aus dem Augenwinkel sehe ich wie Rais Name sich langsam einbrennt und sich somit in die lange Liste meiner Opfer einreiht. Da steht er. Schwungvoll und - im Gegensatz zum schwarzen Rest - in einem frischen Gelb.
Schon wieder spüre ich den Vollmond an mir, ich muss mich verwandeln und das wenn möglich sofort. Ich habe es schon zu lange hinaus gezögert.

Hastig schnappe ich mir meine Schwerter und laufe über die Lichtung, während ich das Feuer wieder in mich hinein ziehe und es somit lösche und anschließend die ganzen Bannkreise löse - jetzt kann ja nichts mehr anbrennen. Meine Schwerter, die ich im Fluss kurz abgespült habe, lasse ich in ihre Scheiden fallen und werfe sie mir über den Rücken. Den Umhang und meine Tasche gleich hinterher. Meine Konzentration, mit der ich die Verwandlung zurück gehalten habe, ist nun - da die ganze Aufregung und Ablenkung weg sind - völlig im Eimer und ich kann die Verwandlung keinen Moment mehr aufhalten. Ich hätte mich vielleicht doch nicht ganz so lange mit Rai unterhalten sollen.
Ein Ruck geht durch meinen ganzen Körper und ich verwandel mich. Nach der ersten Verwandlung verläuft sie eigentlich vollkommen schmerzfrei und auch innerhalb eines Augenblicks. Normalerweise muss sich ein Werwolf bei Vollmond gar nicht verwandeln - es ist einfach nur deutlich angenehmer. Ich bin da - wie eigentlich immer - die Ausnahme. Ich muss mich verwandeln und dann übernehmen auch immer meine Instinkte die Kontrolle über mich. Mag ich nicht. Aber gleichzeitig fühle ich mich so unheimlich frei.
Der nicht unangenehme Schmerz hört auf und die Verwandlung ist abgeschlossen.

Als schwarzer Wolf heule ich den unverhüllten Mond an und verschwinde im Gebüsch des Waldes.

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Der Wächter der DimensionenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt