Kapitel 44: wunderschön

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Wir nahmen den letzten Zug, der zurück in unsere Stadt fuhr.

Greta war wieder eingeschlafen und hatte sich dieses Mal ans Fenster gesetzt, an welches sie nun auch ihren Kopf angelehnt hatte. Ich saß neben ihr und war ebenfalls total müde. Doch meine Gedanken drifteten immer wieder ab und hielten mich so vom Schlafen ab.

Das einzige Geräusch, das ich hören konnte, war das Trommeln von Jonas' Fingern auf seinem Handy im Takt der Musik, die er und Leo eine Reihe hinter uns hörten.

Sofort musste ich wieder daran denken, was Jonas vorhin zu mir gesagt hatte. Vorhin in der Menge hatte er direkt hinter mir gestanden und als erneut eine Ladung der bunten Farbe über die Menge gestreut wurde, hatte ich aus Reflex lachend zu ihm hoch gesehen. Für kurze Zeit hatten wir uns angelächelt, bevor ich mich wieder umgedreht hatte, um mich wieder auf das Geschehen auf der Bühne zu konzentrieren. Dann auf einmal hatte Jonas wie aus dem Nichts angefangen zu reden. Er sah mich nicht an, als er es sagte und es war auch nur ein Satz. Aber genau dieser Satz hatte mich so durcheinander gebracht, aber mich irgendwie auch auf eine merkwürdige Art und Weise gefreut.

„Du bist so wunderschön, wenn du glücklich bist.", hatte er gesagt und dabei in die Ferne geguckt. So, als würde er garnicht mit mir reden, sondern mit dem Universum oder dem Himmel oder der ganzen restlichen Welt.

Genau daran musste ich jetzt denken. Warum hatte er das gesagt? Es konnte doch auch sein, dass er garnicht über mich gesprochen hatte. Okay, das machte wenig Sinn. Ach, es würde eh nichts bringen, wenn ich so lange darüber nachdenken würde und zu müde, um mir den Kopf darüber zu zerbrechen, war ich noch dazu.

Ich lehnte mich in meinem Sitz zurück und versuchte wie Greta zu schlafen. Wahrscheinlich hätte eine Bombe in diesem verlassenen Zug hochgehen können und es hätte mich nicht interessiert. So müde war ich.

Der Zug hielt und stumm stiegen wir aus. Greta war mittlerweile aufgewacht, sah aber noch ziemlich verschlafen aus. Ich hatte es einfach nicht geschafft, auch einzuschlafen. So sehr ich es auch versucht hatte, es wollte mir nicht gelingen. Umso mehr freute ich mich jetzt darauf endlich in meinem Bett zu liegen. Doch dann erinnerte ich mich an etwas.

Heute Morgen hatte meine Mutter mich zum Bahnhof gefahren. Doch da es nun schon weit nach Mitternacht war, konnte und wollte ich weder sie noch Felix wecken, damit einer von beiden mich abholte. Also musste ich wohl oder übel nach Hause laufen, egal wie fertig ich war.

Leise verabschiedete ich mich am spärlich beleuchteten Bahnhof von meinen Freunden und lief schließlich alleine in die Dunkelheit.

Weit kam ich jedoch nicht, denn schon bald hörte ich Schritte hinter mir, die mir immer näher kamen. Wäre ich jetzt nicht so müde gewesen, hätte ich es wahrscheinlich mit der Angst zu tun bekommen und wäre panisch weggerannt, aber jetzt hatte ich einfach keine Energie mehr mich um irgendwas zu sorgen.

Wie in Trance drehte ich mich um und konnte beobachten, wie sich ein Lächeln auf Jonas' Gesicht ausbreitete.

„Jonas?", fragte ich verwundert.

„Wettschulden sind Ehrenschulden.", erklärte er lächelnd und ehe ich mich versah, hatte er mich auf seinen Rücken gehoben und trug mich nach Hause. „Außerdem kann ich dich doch nicht nachts alleine in der Gegend rumlaufen lassen. Dein Bruder bringt mich um, wenn dir noch was passiert."

„Wir müssen mal öfter wetten, Jonilein.", erklärte ich schläfrig und legte meinen Kopf erschöpft auf seinen Rücken.

„Lieber nicht, sonst verliere ich wieder.", lachte er, was mich zum schmunzeln brachte.

„Und nenn mich nicht so!", beschwerte er sich gleich danach.

„Doch, ich find das klingt süß.", erklärte ich.

Sein schallendes Lachen erhellte die Dunkelheit der Nacht und ich fühlte mich direkt zu Hause. Obwohl es bis dahin noch ein paar Meter waren. So liefen wir durch die von Sternen erleuchteten Straßen. Beziehungsweise er lief und ich wurde von ihm getragen. Und er beschwerte sich heute nicht ein einziges Mal, dass ich zu schwer war. Grenzte ja fast an das achte Weltwunder.

„Wir sind da.", erklärte Jonas und ließ mich runter.

„Na dann", flüsterte ich und schaute Jonas tief in seine blauen Augen, in denen sich die Straßenlaterne spiegelte.

„Na dann", wiederholte er und sah mich mit dem selben intensiven Blick an.

Ich wusste, dass es jetzt wohl Zeit wäre mich zu verabschieden, aber irgendetwas hielt mich davon ab, obwohl ich selbst nicht mal hätte sagen können, was es war.

Eigentlich hätte ich Jonas dankbar sein müssen, dass er mich heute noch nach Hause getragen hatte, aber irgendwie verspürte ich die plötzliche Lust, ihn ein bisschen damit aufzuziehen, dass ich die Wette gewonnen hatte? Wenn ich schonmal die Gelegenheit dazu hatte.

„Wir sehen uns dann, du Loser.", stichelte ich, bevor ich mich umdrehte und ohne ein weiteres Wort im Haus verschwinden wollte. Doch ich kannte Jonas mittlerweile gut genug um zu wissen, dass er mir das nicht durchgehen lassen würde.

Schlagartig packte er mich am Handgelenk und wirbelte mich herum. „Was hast du da gesagt?", fragte er mit ruhiger Stimme und sah mir dabei mit seinen blauen Augen tief in meine.

„Du hast mich schon verstanden, Loser.", erklärte ich breit grinsend. Ich würde mich doch nicht von Jonas einschüchtern lassen, obwohl er mit seinen zerstrubbelten Haaren und den dunkel schimmernden Augen schon echt gefährlich aussah. Aber auch ziemlich heiß. Oh Gott, was redete ich wieder. Konzentration, Mia.

„Sag das nochmal!", zischte er bedrohlich.

„Warum sollte ich?", fragte ich mit bester Laune, um ihn noch mehr zu provozieren.

Augenblicklich verstummte ich, als er einen Schritt näher an mich herantrat und ich reflexartig zurückwich, sodass ich direkt an die Hauswand gedrückt wurde.

Gebannt sah ich in seine blauen Augen, aus denen er mich nun betrachtete. Es vergingen bestimmt ein paar Minuten, in denen wir beide uns einfach nur schweigend gegenüber standen, bevor Jonas schließlich die Stille brach. „Gute Nacht, Miachen.", verabschiedete er sich und lächelte mich noch einmal kurz an, bevor er wieder in der Dunkelheit der Nacht verschwand und mich alleine zurückließ.

Ich find dieses Kapitel ja einfach immer noch sooo mistig, aber wenn ich das jetzt nicht hochlade, geht es nie weiter😂

Der letzte SommerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt