Kapitel 47: Julia

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Die Trauung war wirklich wunderschön. Ich beobachtete, wie Sannes Vater ein paar Tränen verdrückte. Wie ein Blitz durchlief es mich nun und ich realisierte, dass ich niemals einen Vater haben würde, der an meiner Hochzeit weinen würde. Oder der mich zum Altar führen würde. Einfach, weil seine Kinder ihm egal waren. Weil ich ich ihm egal war. Normalerweise war ich ziemlich gut darin auszublenden, dass ich keinen Vater hatte. Oder zumindest niemanden, der diesen Titel verdient hätte. Aber das eben hatte irgendetwas in mir ausgelöst. Augenblicklich verkrampfte ich mich. Jonas schien das zu bemerken und sah mich fragend an.

„Alles in Ordnung?", fragte er leise. Ich nickte etwas zu schnell. Doch er war taktvoll genug, nicht weiter nachzufragen. Zumindest vorerst.

Wenig später verließen wir die Kirche und während Sanne und Theo mit Glückwünschen überhäuft wurden, hörte ich eine mir bekannte Stimme an meiner Schulter.

„Da sind wir.", begrüßte uns Lina mit einer Leichtigkeit, die gerade alles andere als angebracht war. Automatisch sah ich mich um und noch bevor ich dazu kam zu fragen, wer „wir" sein sollten, erblickte ich Alex, der mit seiner hässlichen Visage hinter ihr aufgetaucht war.

Als ob es nicht schon zu viel war, dass sie den Kerl hier überhaupt angeschleppt hatte, besaß dieser auch noch die Unverschämtheit hinter dem Rücken seiner Freundin, Greta zuzuzwinkern, die neben mir stand. Der hatte sie doch nicht mehr alle.

Von Greta fing er sich nur einen scharfen Blick ein, den Lina taktvoll ignorierte, doch Leo schien der Kragen zu platzen. „Ist das dein Ernst?!", rief dieser aufgebracht. Er wollte gerade erneut ansetzen, aber wurde von Greta unterbrochen, die ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter legte und erklärte: „Ich möchte nicht streiten. Nicht heute, bitte." Den letzten Teil sagte sie etwas leiser, da er scheinbar hauptsächlich für Leo bestimmt war. Nun wandte sie sich an unsere Freundin: „Freut mich, dass du da bist, Lina.", sagte sie aufrichtig, würdigte ihre Begleitung dabei jedoch keines Blickes.

„Zunächst einmal möchten wir euch allen danken, dass ihr da seid und gemeinsam mit uns feiern wollt.", begann Theo die Rede, die anscheinend das Buffet eröffnen sollte. Zumindest hoffte ich das, da ich seit dem Frühstück, das mittlerweile einige Stunden her war, nichts mehr gegessen hatte.

„Und dann möchten wir uns natürlich noch bei ein paar besonderen Menschen bedanken. Unseren Trauzeugen, meinen Brautjungfern und natürlich bei unseren genialen Hochzeitsplanern.", führte Sanne fort. Doch ich hörte garnicht weiter zu. Ab jetzt würde es eh uninteressant werden.

„Bevor wir nachher aber gleich die Tanzfläche eröffnen und die richtige Party erst anfängt, gibt es natürlich erstmal Essen, damit ihr euch alle ein bisschen fürs Tanzen stärken könnt.", lachte Theo und zwinkerte einmal kurz. Das hörte sich doch schon besser an.

„Dann würde ich sagen: Das Buffet ist eröffnet.", Sanne klatschte erfreut in die Hände und beobachte wie augenblicklich Massen an Hochzeitsgästen geradezu auf das Essen zustürmten. Meine Freunde und mich eingeschlossen.

Als wir uns endlich zum Buffet durchgerungen hatten, war es schon ziemlich leer geräumt, doch die Leute vom Cateringservice füllten zum Glück regelmäßig nach, sobald etwas leer war.

Ich schaufelte mir bergeweise Essen auf meinen Teller. Wenn es schonmal so eine riesige Auswahl an kostenlosem Essen gab, musste das ja wohl ausgenutzt werden.

„Wer soll das denn alles essen?", lachte Jonas und sah mich skeptisch an.

„Ich, wer denn sonst?", gab ich wie selbstverständlich zurück.

„Da will jemand fett werden.", erklärte Leo und deutete auf mich. Ich tat so, als hätte ich ihn nicht gehört und lief bestimmt wieder zurück zu unserem Tisch.

Der letzte SommerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt