Fabian, der noch immer total getrübt darüber war, dass er tatsächlich gegen mich verloren hatte, ging noch während Jonas' und meinem blutigen Autorennens. Und da er erst 15 war, also ohne seinen großen Bruder, dessen Führerschein und Auto nicht von hier wegkam, muste auch Timm los. Die beiden verabschiedeten sich von uns, doch das ganze fiel eher halbherzig aus, da weder Jonas noch ich, aus Angst der andere könnte uns abhängen, riskieren wollten, den Blick von dem Bildschirm zu wenden.
Eigentlich grenzte es fast an Wunder, dass es noch keine Toten gegeben hatte, so wie wir uns bekriegten. Mal war Jonas eine Nasenlänge vorne, bis ich ihn knapp überholte und wieder vorne lag, bis er dann jedoch wieder mit seinem Wagen von hinten kam und mich an die Leitplanke zu drücken versuchte. Doch ich hatte nicht im Geringsten vor, sowas mit mir machen zu lassen, also attackierte ich ihn einfach erneut von der Seite und zog wieder an ihm vorbei. Ich merkte, wie ich nach und nach immer wütender wurde und auch so spielte. Den würde ich fertig machen. Ganz sicher.
"Hallo Mia, komm mal runter.", rief Jonas mir zu, dem anscheinend auch nicht entgangen war, dass ich immer energischer die Tasten des Controllers bediente. Wahrscheinlich mussten schon Rauchschwaden aus meinen Ohren kommen, so sehr wie ich mich mittlerweile dareinsteigerte.
"Mia!", rief Jonas nun etwas lauter, doch ich hörte ihn gar nicht. Ich befand mich in einer Art Tunnel. Alles was ich sah, war die Straße, die sich auf dem Bildschirm vor meinem Auto auftat und alles, was ich wusste, war, dass ich so schnell wie möglich ins Ziel kommen musste. Jonas wollte wahrscheinlich nur ablenken. Natürlich wollte er das. Und dann würde er mich dumm vor der Ziellinie stehen lassen, die er längst überquert haben würde. Doch sowas würde ich mir ganz sicher nicht gefallen lassen. Sollte er sich doch jemand anderen suchen, den er ablenken konnte und der auf seine Masche reinfallen würde. Ich für meinen Teil würde jetzt dieses Rennen gewinnen, koste es, was es wolle. Kampfbereit kniff ich meine Augen zu Schlitzen zusammen und fixierte sie noch mehr auf den Bildschirm, als ich es eh schon tat.
Ich drückte so intensiv auf die Tasten und versuchte alles, um Jonas auszustechen, doch egal was ich tat, am Ende hatte er ganz kurz vor mir die Ziellinie überquert. Ich konnte es nicht glauben. Ich wollte es einfach nicht wahrhaben. Ich hatte alles gegeben, hatte mich auf nichts anderes fixiert, hatte mich nicht eine Sekunde ablenken lassen, aber es hatte nicht gereicht. Weil ich es zu sehr gewollt hatte, weil ich zu verbissen gewesen war, zu aggressiv gespielt hatte. Weil ich nicht genug war, aber mehr als nur genug sein wollte.
Als Jonas es dann auch noch tatsächlich geschafft hatte und das Ziel vor mir erreichte, mich also damit zum knappen Verlierer dieser hitzigen Partie machte, setzte irgendetwas in mir aus. Ohne Kontrolle über mich oder mein Handeln zu haben, knallte ich den Controller auf den Boden und stieß irgendeinen undefinierbaren, aber ziemlich wütend klingenden Laut aus.
"Mialein, hab ich dich da etwa geschlagen?", fragte Jonas in provokanten Tonfall. Er hatte das nicht böse gemeint, das wusste ich selbst, doch in diesem Moment kam er mir fast vor wie der Teufel in Person. Ein ziemlich gut aussehender Teufel, wenn man mich fragte. Und das ließ mich noch zusätzlich aus der Fassung bringen. Ich wollte und sollte ihn absolut nicht toll finden.
Nun drehte ich mich zu seiner Seite um und schaute ihn kampflustig an. Irgendetwas in meinem Blick schien ihm zu sagen, dass das hier ernst war. Dass es hierbei noch um so viel mehr ging, obwohl ich es vielleicht in dem Moment selbst nicht wahrhaben konnte.
Jonas legte seinen Controller zur Seite und sagte in ernstem Tonfall: "Mia. Was ist los?"
„Es war eine dieser echten Fragen. Ein "Was ist los?", dem man nicht mit einer läppischen Ausrede entkommen konnte, keins, dem man entfliehen konnte, bevor der Gegenüber nicht die gesamte Wahrheit kannte, so unschön, wie sie auch sein mochte.
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Der letzte Sommer
Ficção Adolescente"Du bist so wunderschön, wenn du glücklich bist.", hatte er gesagt und dabei in die Ferne geguckt. So, als würde er garnicht mit mir reden, sondern mit dem Universum, dem Himmel oder der ganzen restlichen Welt. Für Mia und ihre Freunde steht das le...