"Mensch Greta, du siehst wunderschön aus.", meinte ich ehrlich, als sie in ihrem leicht roséfarbenen Brautjungfernkleid vor der Kirche stand und aufgeregt darauf wartete, dass wir gleich alle zusammen reingehen würden und anschließend auch ihre Schwester, die heute ihren großen Tag hatte, vor der Kirche vorfahren würde.
Sie errötete leicht und lächelte mich geschmeichelt an. „Danke, Mia. Du siehst aber auch echt toll aus.", gab Greta das Kompliment an mich zurück.
Ich zuckte die Schultern. „Danke, aber ich hab doch garnichts Besonderes an." Ich trug das Kleid, das ich mir für den Abiball gekauft hatte. Ich hatte weder Geld, noch Lust mir für jede Veranstaltung ein neues Kleid zu kaufen und mich deshalb einfach für dieses entschieden.
„Mia sieht immer besonders aus, das wisst ihr doch.", kam es nun in belustigtem Tonfall von Jonas.
„Awww", tönten Greta und ihre Cousine Lynn. Sie war 16, also ein Jahr jünger als wir und lebte mit ihrer Familie in den Niederlanden. Doch wir kannten Lynn schon seitdem wir ganz klein waren, weil sie jedes Jahr Greta und ihre Familie in Deutschland besuchte und wir uns schon immer gut mit ihr verstanden hatten.
Ich kam garnicht dazu, mich zu fragen, welcher Blitz Jonas nun getroffen hatte, denn wenige Sekunde später, machte er wieder seinen Mund auf.
„Besonders hässlich natürlich.", verkündete er neckend, woraufhin er direkt einen Schlag auf den Arm von mir kassierte.
„Mensch Mia, krieg mal deine Aggressionen in den Griff!", beschwerte er sich scherzhaft.
„Krieg du erstmal deine Zunge in den Griff!", forderte ich ihn auf. Doch als Jonas gerade etwas erwidern wollte, tauchte plötzlich Theo, der Bräutigam, hinter uns auf und umarmte zuerst Greta und dann der Reihe nach uns alle zur Begrüßung. Er schien heftig nervös zu sein, doch sah trotzdem übertrieben glücklich aus. „Ich kann es garnicht erwarten, sie zu sehen.", gab er grinsend zu.
„Sie sieht wunderschön aus.", versicherte Greta ihm, die ihrer Schwester heute Morgen als Brautjungfer schon tatkräftig zur Seite gestanden hatte.
„Ich weiß.", lächelte Theo. „Das tut sie immer."
Während wir Mädchen das natürlich übertrieben süß fanden, verdrehte Leo nur genervt die Augen und murmelte so leise, dass es eigentlich niemand hören sollte: „Wie verknallt kann man denn sein, Alter? Peinlich."
Doch ich hörte es trotzdem und konnte nicht anders, als kurz zu schmunzeln. Irgendwann würde Leo schon sein blaues Wunder erleben und dann würden wir mal sehen, was er dann dazu sagte.„Eigentlich wollte ich gleich reingehen, Leute. Geht ihr vor?", fragte Theo uns nun, dessen Trauzeugen etwas weiter am Rand standen und eine letzte Zigarette rauchen, bevor es losgehen sollte.
Wir hatten garnicht mitbekommen, dass sich die restliche Hochzeitsgesellschaft schon auf den Weg in die Kirche gemacht hatte und wir die einzigen waren, die noch draußen standen.
„Eigentlich warten wir noch auf zwei Freunde von uns.", erklärte Greta.
„Eine Freundin und ihren Macker, der ein Arschlcoh ist.", korrigierte Leo, der gleich darauf einen kurzen mahnenden Blick von Greta dafür erhielt.
„Aber wir wollen hier ja auch nichts aufhalten.", meinte Greta nun zu ihrem zukünftigen Schwager. „Die beiden kommen sicher nur etwas später."
Und so schritten wir nun durch die geöffnete prunkvolle Holztür in die überfüllte Kirche. Da wir ziemlich spät waren, mussten wir uns neben ein paar fremde Leute in der hinteren Reihe quetschen. Greta war draußen geblieben und wartete gemeinsam mit ihrem Vater auf das Auto von Sanne und der anderen Brautjungfer Claudia.
„Glaubst du, Lina kommt noch?", flüsterte ich Jonas zweifelnd zu, der links neben mir saß.
„Wenn, dann soll sie ohne diesen Macker hier antanzen. Ich hab nichts dagegen dem Mistkerl nochmal den Arsch zu versohlen.", antworte Leo, der zu meiner Rechten Platz genommen hatte.
„Seit wann bist du denn so empfindlich?", fragte Tom verblüfft. „Sonst juckt dich das doch auch nicht, wenn jemand betrogen wird."
Leo sah Tom so an, als würde dieser nur wirres Zeug reden und die Lösung glasklar auf dem Tisch liegen: „Darum geht's mir doch garnicht. Ist zwar mega scheiße von dem, so mit nicht treu sein und so, aber das dann nichtmal zugeben wollen und sich einfach an Mädchen ranmachen, die weit über seinem Niveau sind und dazu auch noch die beste Freundin von seiner Freundin sind, das grenzt ja schon an Skrupellosigkeit. Also wenn ihr mich fragt."
Tom verzog beeindruckt das Gesicht und nickte, als wäre ihm gerade ein Licht aufgegangen und er hätte dank Leo eine ganz neue Erkenntnis getroffen: „Nicht schlecht, Bruder."
„Ich wusste ja garnicht, dass du so ne krasse Meinung haben kannst.", entfloh es mir. Ich hatte Leo eindeutig unterschätzt. Dieser pflanzte sich nun geradezu mit verschränkten Armen und stolzem Gesichtsausdruck auf die Kirchenbank, während wir anderen einfach nur einen kurzen Blick tauschten.
Wenig später ging die Kirchentür zu, was bedeutete, dass die Braut angekommen war. Doch Lina und Alex waren immer noch nicht da. Ich schaute kurz nach vorne zu Theo, dem man seine Nervösität jetzt doch sichtlich ansehen konnte. Unwillkürlich musste ich bei dem Gedanken lächeln, dass dies der wohl bedeutsamste und schönste Tag im Leben von ihm und Gretas großer Schwester sein würde. Die beiden waren wirklich wie füreinander geschaffen. Ich stellte mir vor, wie in ein paar Jahren vielleicht meine Freunde oder eventuell sogar ich in genau der gleichen Situation sein würden und begann augenblicklich mich unwahrscheinlich darauf zu freuen. Wer von uns wohl als erstes heiraten würde?
Die Kirchenglocken hörten auf zu läuten, die Musik setzte ein und die schwere Holztür wurde wieder geöffnet. Augenblicklich drehte sich die gesamte Hochzeitsgesellschaft und wandte ihre Köpfe, um einen Blick auf die Braut erhaschen zu können. Und da stand sie. Sanne sah wunderschön aus.
Ihr Kleid war oben mit Spitze versehen und ging dann ab der Hüfte gerade herunter. Ihre brauen Haare, die sie mit Greta gemeinsam hatte, waren hochgesteckt. In der Hand hielt sie einen rot-weiss gehaltenen Brautstrauß. Es war auf den ersten Blick nichts besonderes. Doch dadurch, dass alles so schlicht gehalten war, gab es nichts, was von ihrer natürlichen Schönheit und ihrem tollen Lächeln ablenken konnte.
„Sieht sie nicht toll aus?", murmelte ich und erhielt gleich daraufhin einstimmiges Nicken der Jungs.
Gretas Vater übergab seine älteste Tochter an den Mann, den sie nun bald heiraten würde. Dieser sah sie verzaubert an und flüsterte ihr kurz darauf etwas zu, das sie noch mehr zum strahlen brachte. Anschließend begann der Pastor mit dem Gottesdienst. Ohne Lina und ihren Freund.
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Der letzte Sommer
Teen Fiction"Du bist so wunderschön, wenn du glücklich bist.", hatte er gesagt und dabei in die Ferne geguckt. So, als würde er garnicht mit mir reden, sondern mit dem Universum, dem Himmel oder der ganzen restlichen Welt. Für Mia und ihre Freunde steht das le...