Kapitel 95: Tor

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Obwohl wir die restlichen Minuten des Spiels weiterhin hofften, dass Jonas' Tor von eben noch ein Anschlusstreffer folgen würde, damit die Mannschaft doch noch gewinnen würde, ergab sich keine Chance mehr. Unsere Hoffnungen sollte also unerfüllt bleiben. Nichtsdestotrotz konnte Jonas mit seinem ersten Spiel in der Bundesliga mehr als zufrieden sein.

Das Spiel war kam abgepfiffen, da stürzten sich schon die Reporter auf die Spieler. Besonders Jonas war nicht nur aufgrund seiner Rolle als Newcomer ein beliebtes Ziel der Sportjournalisten, sondern wurde jetzt vor allem wegen seines Tores in den Medien angepriesen.

Doch es sollte ein wenig dauern, bis sie ihn für ein Interview vor die Kamera bekamen. Als es dann endlich so weit und er auf dem Bildschirm erschien, konnte ich mich nicht einmal mehr darauf konzentrieren, was er eigentlich sagte. So fasziniert war ich von seinen blauen Augen, die genauso stolz strahlten, wie er selbst, obwohl er versuchte das, so gut es eben ging, vor dem Journalisten zu verbergen. Was hätte ich dafür gegeben, diese blauen Augen jetzt in echt vor mir zu haben?

Nachdem dann auch die letzten Interviews gezeigt worden waren, hatte ich mich wieder auf den Weg nach Hause gemacht. Dort angekommen hatte ich eigentlich vorgehabt, noch die letzen Hausaufgaben zu machen und langsam alles für meinen Geburtstag vorzubereiten, der schon in ein paar Tagen sein sollte. Ich konnte mir fast nicht vorstellen, dass ich bald wirklich schon volljährig sein sollte, aber freute mich unheimlich darauf, wenn es endlich so weit war.

Ich hatte beschlossen, nur mit meinen engsten Freunden und meiner Familie zu feiern. Es reichte mir vollkommen, wenn die Menschen, die mir am wichtigsten waren, den Tag mit mir verbringen würden. Ich hatte mir noch nie viel aus Menschen gemacht, denen ich eigentlich nichts bedeutete. Zwar hatte ich weder meinen Freunden, die hier in der Nähe wohnten, noch Jonas bis jetzt davon erzählt, aber hatte mir vorgenommen, das in den nächsten Tagen zu machen.

Als hätte Jonas meine Gedanken gelesen, leuchtete gerade in diesem Moment mein Handy auf. Sofort griff ich danach. Er hatte mir nach dem Spiel nicht mehr geantwortet. Wahrscheinlich war er zu beschäftigt gewesen, Interviews zu geben und mit seinen Teamkameraden zu feiern. Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet mir, dass er mittlerweile eigentlich schon wieder in seinem Zimmer im Internat sein musste.

"Hoffentlich nur Gutes", las ich auf dem Bildschirm und erinnerte mich daran, dass ich ihm erzählt hatte, das man im Fernsehen über ihn gesprochen hatte.

"Gibts denn über dich auch was Schlechtes zu erzählen?", antwortete ich prompt und fügte noch einen Zwinkersmiley hinzu.

"Natürlich nicht. Guter Einwand, Mialein.", erhielt ich sofort die Antwort, die mich kurz zum Schmunzeln brachte.

"Du hast gut gespielt heute", schrieb ich, ohne auf seine selbstverliebte Bemerkung einzugehen.

"Danke", las ich kurz darauf. Ich setzte gerade zu einer Antwort an, als ich sah, dass Jonas wieder etwas tippte. Dann schien er es wieder zu löschen, nur um wieder etwas zu schreiben.

"Ich wünschte, du wärst heute da gewesen."

Mein Herz machte einen Satz. Genau dieser Gedanke ging mir schon den ganzen Tag nicht aus dem Kopf. Ich hatte mir heute nichts sehnlicher gewünscht, als heute bei Jonas im Stadion zu sein, um ihn bei seinem ersten Spiel in der Bundesliga zu unterstützen. Doch es war schlichtweg unmöglich gewesen. Wir hätten wieder durch das Land fahren müssen und nicht nur die Zugtickets, sondern vor allem die Karten für das Spiel waren so überteuert, dass wir alle nur enttäuscht die Köpfe geschüttelt hatten, als wir die Preise gesehen hatte.

"Ich auch" schrieb ich wenig später, wollte aber nicht, dass unser Gespräch jetzt schon wieder beendet war.

"Weißt du schon, wann du das nächste Mal eingesetzt wirst?", fragte ich also. Diesmal ließ Jonas sich ein bisschen länger Zeit, bis er zurückschrieb. Ich legte mein Handy zur Seite und versuchte, mich auf meine Hausaufgaben zu konzentrieren, erwischte mich aber immer wieder dabei, wie ich kurz zu meinem Handy linste, um zu sehen, ob nicht vielleicht doch eine neue Nachricht darauf eingetroffen war. Umso schneller griff ich danach, als der Bildschirm dann doch aufleuchtete.

"Sorry, Matze hat kurz Stress gemacht.", las ich darauf und schmunzelte kurz, als ich mich an das Telefonat mit Jonas an meinem ersten Schultag erinnerte, das Matze damals unterbrochen hatte, indem er Jonas einfach sein Telefon weggenommen hatte.

"Will er schlafen und dein Handy ist zu hell?", antwortete ich und dachte an Matzes Worte von damals. Wenn du nicht so gut aussehen würdest, hätte ich ihm schon längst sein Handy weggenommen, Mia. Das Licht nervt echt, wenn ich schlafen will.

"Jap, aber er wird's überleben." Ich lächelte und kam nicht dazu, etwas zu erwidern, weil keine Sekunde später die nächste Nachricht von Jonas eintraf.

"Der Trainer meinte wir reden diese Woche irgendwann drüber, wann ich das nächste Mal spiele. Auf jeden Fall soll ich jetzt weiterhin bei den Profis mittrainieren."

"Das klingt doch super!", erklärte ich und freute mich ehrlich, obwohl das noch mehr und vor allem auch härteres Training bedeuten musste.

"Aber das heißt auch, dass du noch nicht weißt, ob du übernächstes Wochenende Zeit hast?", wollte ich wissen und irgendwie merkte ich, wie mein Herz einen Ticken schneller schlug, als sonst, während ich auf seine Antwort wartete.

"Ne, wieso? Was ist denn da?", las ich seine Nachricht und regte mich vor allem über den provozierenden Zwinkersmiley auf. Jonas war doch wirklich unverbesserlich.

"Wenn du jetzt hier wärst, würd ich deinen Arm schlagen, du Idiot."

"Du weißt, dass das nicht wehtut, Mia." Ich schnaubte und wollte gerade den nächsten Spruch in die Tasten hauen, als Jonas wieder etwas Neues schrieb.

"Ich weiß noch nicht, ob ich zu deinem Geburtstag kommen kann. Ich sag dir aber Bescheid, sobald ich mehr weiß. Was hast du denn geplant?"

Genau das mochte ich so sehr an Jonas. Im einen Moment war er selbstbewusst, fast schon arrogant und man musste einfach mit ihm lachen. Doch im nächsten Moment konnte er so ernst sein und gab einem das Gefühl, dass er sich ernsthaft für das interessierte, was man ihm zu sagen hatte. Ich lächelte.

"Einfach nen entspannten Abend unter uns Freunden. Vielleicht danach noch irgendwo feiern gehen, aber das können wir ja vielleicht spontan sehen."

"Klingt gut."

Der letzte SommerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt