Kapitel 93: Bundesligaauftakt

105 6 4
                                    

"Viel Erfolg gleich.", schrieb ich, während ich noch immer leicht lächelte.

"Du bist ja richtig süß, wenn du zur Abwechslung mal nett bist", antwortete Jonas sofort und ich musste schmunzeln. Irgendwie freute es mich, dass er so schnell geantwortet hatte und dass er sich auch so kurz vor dem Spiel noch die Zeit nahm, mir zu schreiben, obwohl er sich wahrscheinlich lieber darauf konzentrieren sollte, dass es nun wirklich gleich losging. Erst überlegte ich, ihm einfach nicht zu antworten, und ihn somit dazu zu zwingen, sich auf Fußball zu konzentrieren. Doch dann erinnerte ich mich daran, dass er ja sowieso nicht von Anfang an spielen würde und redete mir somit ein, dass er dann ja also noch während des Spiels selbst Zeit hatte, sich mental auf seinen Einsatz vorzubereiten.

"Und was bin ich, wenn ich nicht nett bin?", tippte ich und wollte mein Handy eigentlich sperren, damit ich nicht die ganze Zeit nur an meinem Handy hing, wenn ich mit meinen Freunden zusammen war, aber Jonas begann gleich wieder etwas zu schreiben und die Antwort wollte ich noch abwarten. Und als sie dann kam, begannen meine Finger förmlich zu zittern. Es fühlte sich fast so an, als würde jemand mir kurz die Luft zum Atmen nehmen.

"Scheiße heiß"

Ich glaube, mir wird hier auf einmal scheiße heiß. Hoffentlich bekamen die anderen nichts von meiner von jetzt auf gleich kurz veränderten Stimmung mit, denn wie ich erklären sollte, dass meine Finger auf einmal begannen hatten zu zittern und ich ein Kribbeln in meinem ganzen Körper verspürte, wusste ich beim besten Willen nicht. Aber zum Glück war die Aufmerksamkeit der vier so sehr auf den Bildschirm gerichtet, dass sie um sich herum wahrscheinlich rein gar nichts mitbekamen. Doch ich hatte auch gar keine Gelegenheit, mich weiter damit zu beschäftigen, denn ich wurde von Gretas Kreischen aus meinen Gedanken gerissen. "Oh mein Gott, die reden da über Jonas!", schrie sie auf einmal aufgeregt. Augenblicklich wendete ich meinen Blick vom Handy ab und richtete ihn nun auf den viel zu großen Bildschirm vor uns. Tatsächlich wurde in der Sendung gerade über ihn gesprochen. Vor allem beschäftigten die Reporter sich mit seinem schnellen Aufstieg und damit, wie er vor gut einem halben Jahr noch ein ganz normaler Abiturient gewesen war und nun dabei war, sich zum Topspieler hoch zu arbeiten. "Das kann er nur mit einem ganzen Haufen Talent und viel, viel Training geschafft haben.", antwortete einer der Experten, der dem Interviewer Fragen zu Jonas' bisherigem Werdegang beantwortete und erklärte, wie es sein konnte, dass er es in so kurzer Zeit geschafft hatte, überhaupt als Ersatzspieler in Erwägung gezogen und dann auch noch ausgewählt worden zu sein. Irgendwie überkam mich auf einmal eine Welle an Stolz, denn der Typ im Fernsehen hatte mit seiner Aussage genau richtig gelegen. Natürlich war Jonas talentiert, sonst hätte man ihn ja schließlich auch für das Internat des Nachwuchskaders nicht ausgewählt, aber ohne das viele und harte Training, das Jonas mittlerweile schon so gut wie täglich, wenn nicht sogar mehrmals am Tag absolvierte, hätte er es niemals schon so weit geschafft und würde es nicht mehr weiter schaffen. Denn er würde es noch weiter schaffen, da hatte ich keinen Zweifel dran.

"Jetzt geht es für den jungen Nachwuchssportler Jonas Klein also nur noch darum, auf seine Einwechslung in diesem Bundesligaauftakt nach der Winterpause zu hoffen, damit er beweisen kann, dass er einer von den ganz Großen werden kann.", sprach der Moderator locker ins Mikrofon, bevor er an seinen Kollegen im Stadion übergab, der noch kurz ein paar Worte zu der Witterungslage im Stadion verlor, denen ich allerdings schon gar nicht mehr zuhörte. Mir schwirrte immer noch das im Kopf rum, was der Moderator eben gesagt hatte. Das hier war Jonas' große Chance und ich war mir ziemlich sicher, dass er sich dessen bestens bewusst war. Wenn er heute gut spielte, dann konnte es gut sein, dass er auch in späteren Spielen wieder eingesetzt werden würde. Damit ging jedoch natürlich auch einunheimlicher Druck einher. Die Augen der Sportpresse, aber vor allem auch des Trainerteams lagen auf ihm. Wenn er heute also nicht gut spielte, würde ihm das einen ziemlichen Schlag verpassen. Doch damit er überhaupt erst schlecht oder gut spielen konnte, musste er erst eingewechselt werden. Es hing also nun wieder vom Trainer ab.

Auf einmal wurde ich von einem Anfall an Anspannung überrollt. Ich hatte das Gefühl, ich war fast nervöser als Jonas, obwohl ich nicht einmal wissen konnte, wie es ihm gerade ging. Doch wie ich ihn kannte, ließ er sich wahrscheinlich von außen nicht viel anmerken. Nur wer ihn gut genug kannte, könnte erkennen, wie es in seinem Inneren aussehen musste. Ich nahm wieder kurz mein Telefon zur Hand und ließ Jonas wissen, was wir eben gesehen hatten.

"Die reden im Fernsehen über dich"

Doch die Nachricht bekam nur einen Haken, weswegen ich davon ausging, dass er sein Handy einfach schon wieder weggelegt hatte und sich nun wahrscheinlich aufstellte, um ins Stadion einzulaufen. Genau das wurde nämlich gerade auch im Fernsehen gezeigt. Während des kurzen Berichts über Jonas waren wir alle so fokussiert auf den Bildschirm gewesen, dass wir jetzt erst dazu kamen, uns richtig darüber auszutauschen.

"Das war wirklich Jonas da im Fernsehen, oder?", wollte Lina ungläubig von uns bestätigt haben. Ich nickte nur schmunzelnd.

"Ist das nicht total krass?! Ich komm da gar nicht drauf klar!", meinte nun auch Greta aufgeregt. Ich nickte nur und konnte nicht verhindern, dass sich ein kleines stolzes Lächeln auf meine Lippen schlich.

"Unser Jonas, ich glaubs ja nicht.", erklärte Leo, woraufhin Tom zu schmunzeln begann.

"Ruhig! Da ist er schon wieder!", unterbrach Lina und fuchtelte aufgeregt mit den Händen vor unseren Gesichtern herum.

Diesmal wurde gezeigt, wie die Mannschaft ins Stadion einlief. Obwohl es einerseits total surreal war, Jonas auf dem Fernsehbildschirm zu sehen, fühlte es sich andererseits wie das normalste der Welt an, ihn auf dem Fußballplatz zu sehen. Dort, wo er hingehörte.

Der letzte SommerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt