Am nächsten Morgen wachte ich in meinem Bett auf. Ich konnte mich nicht erinnern, wie ich dahin gekommen war. Das letzte, was ich wusste, war, wie Jonas meinte, dass er wohl mal nach Hause gehen sollte. In der Hoffnung ein paar mehr Informationen zu bekommen, griff ich nach meinem Handy, das ich auf dem Nachttisch fand.
„Na gut geschlafen?", hatte Jonas mir schon vor einer halben Stunde geschrieben.
Ich ging gar nicht erst auf seine Frage ein, sondern fragte gleich, was ich wissen wollte.
Mia: „Wie bin ich in mein Bett gekommen?"
Jonas: „Ich wollte dich nicht aufm Sofa schlafen lassen."
Augenblicklich musste ich lächeln und antwortete wenige Sekunden später.
Mia: „Was machst du heute?"
Jonas: „Maries Geburtstag nachfeiern, die ganze Familie kommt."
Genau, ich erinnerte mich. Seine Schwester war letzte Woche 16 geworden. Das hatte ich total vergessen.
Jonas: „Kannst ruhig vorbeikommen. Mama hat eh wieder viel zu viel Kuchen gebacken."
Ich zweifelte. Irgendwie fühlte es sich falsch an, zu einer Familienfeier von Jonas zu gehen. Er musste bemerkt haben, dass ich nicht genau wusste, was ich darauf antworten sollte, denn er war gerade dabei, etwas Neues zu schreiben.
Jonas: „Kannst echt kommen, Leo und Tom wollten später auch noch vorbeischauen."
Mia: „Alles klar, bis nachher."
Ich schrieb schnell zurück, bevor ich aufstand, um mir beim Frühstück Gedanken darüber zu machen, worüber ich mich mit 16 gefreut hätte. Das einzige, was mir einfiel war Alkohol. Irgendwie schon ziemlich bitter.
Aber da ich nicht mit einer Flasche Korn oder Wodka auf einer Familienfeier auflaufen wollte, musste ich mir etwas Neues überlegen. Im Endeffekt hatte ich, unkreativ wie ich war, einfach zu einer Packung Celebrations gegriffen und stand mit dieser jetzt einige Stunden später vor Jonas' Haustür und wartete darauf, dass mir jemand öffnete.
Irgendwie war ich ein bisschen nervös gleich mit Jonas' gesamter Familie Kuchen zu essen. Es war wohl klar, was alle dachten, wenn ich als eine Freundin von Jonas beim Verwandtenkaffee saß.
„Mia", begrüßte Marie mich freudig, als sie mich sah. „Schön, dass du da bist.", sagte sie mit einem breiten Lächeln. Sie trug ein leichtes Sommerkleid, das für den lauen Herbsttag heute zu luftig gewesen wäre, wenn sie nicht einen lockeren Cardigan dazu kombiniert hätte.
„Danke für die Einladung und alles Gute zum 16.,obwohl es erst etwas später kommt.", antwortete ich und drückte ihr die Schokolade in die Hand, nachdem ich sie zur Begrüßung umarmt hatte.
„Bedank dich lieber bei Jonas.", erklärte sie lächelnd und deutete auf ihren großen Bruder, der am Ende des Flures in der Tür zum Wohnzimmer stand und sich gegen den Rahmen gelehnt hatte. „Der Junge hat mich regelrecht angefleht, dass du auch kommen darfst.", erzählte sie. Doch fügte schnell: „Als ob das nötig gewesen wäre.", hinzu und zwinkerte mir zu.
„Komm, ich stell dir mal die Familie vor.", meinte sie und zog mich schneller an Jonas vorbei ins Wohnzimmer, als ich gucken konnte.
Wir setzten uns zu den anderen an den großen Esstisch, wo Marie begann, mir die Verwandtschaftsverhältnisse zu erklären und mir jeden einzeln vorzustellen.
„Und du bist eine Freundin von Marie, Mia?", fragte eine Tante mich, als ich gerade ein Stück Kuchen im Mund hatte.
„Nein, von mir.", erklärte Jonas, der gerade mit einer Flasche Cola an den Tisch kam und sich auf den freien Platz neben mir setzte.
„Jonas, na das wurde ja mal Zeit, dass du auch mal n Mädchen mit nach Hause bringst. Und dann gleich so ein hübsches.", merkte seine Oma begeistert an und nahm einen Schluck aus ihrer Kaffeetasse.
„Wir sind nur Freunde.", wand ich schnell ein, bevor irgendjemand noch anfing Hochzeitspläne zu schmieden. „Aber trotzdem danke.", bedankte ich mich für ihr Kompliment und warf ein warmes Lächeln in ihre Richtung.
„Schade, ich find dich echt nett.", zuckte eine der Cousinen mit den Schultern.
„Was nicht ist, kann ja noch werden.", meinte eine der Tanten unbekümmert und zündete sich eine Zigarette an. „Mensch Vera, wie oft hab ich dir schon gesagt, dass du drinnen nicht rauchen sollst. Oder wenigstens nicht am Tisch.", meldete sich Jonas' Mutter, die gleich aufgestanden war, um das Fenster zu öffnen.
„Ich weiß, ich weiß, Elke. Das ist nicht gut für meine Gesundheit. Das hast du schon oft genug gesagt und ich höre trotzdem nicht auf.", erklärte diese wenig beeindruckt, höchstens ein bisschen genervt. „Erzähl du lieber mal von deiner Schule, Jonas.", lenkte sie von sich ab.
„Cool. Echt cool.", begann Jonas zu erzählen. Dass die ganze Familie sich jetzt auf einen circa zweistündigen Vortrag über diverse Fußballthemen einstellen konnte, war mir wohl bekannt, also nahm ich mir ein weiteres Stück Kuchen. Das meiste davon, wenn nicht sogar alles, hatte ich sowieso schon einmal gehört.
Und ich sollte Recht behalten. Die ganze Familie war für die nächste halbe Stunde damit beschäftigt Jonas zuzuhören. Ich hatte zwar nichts dagegen seine Erzählungen nochmal mitzubekommen, aber ein bisschen unfreundlich fand ich es schon, dass auf Maries Geburtstag alle nur über ihren Bruder sprachen.
Doch dieser Meinung war anscheinend nicht nur ich, denn gerade als ich den Gedanken gehabt hatte, lenkte Jonas die Unterhaltung von sich auf seine Schwester, die von nun an von ihrer Profilwahl für die Oberstufe berichtete.
Im Großen und ganzen wurde es ein lustiger und entspannter Nachmittag, obwohl Leo und Tom ganz schön auf sich warten ließen. Jonas ging später mit seinem kleinen Cousin im Garten Fußballspielen. „Kann ich dich hier alleine lassen, mit den ganzen Verrückten!", flüsterte er mir zu und deutete unauffällig auf seine Verwandten, während er von dem Stuhl aufstand.
Ich hob meinen Kopf und legte ihn in den Nacken, um Jonas, der nun direkt hinter meinem Stuhl stand, ins Gesicht sehen zu können. „Mit denen werd' ich schon fertig.", lachte ich und bedeutete ihm, dass er ruhig gehen konnte.
„Jetzt, wo er weg ist, können wir ja mal Tacheles reden.", meinte die Oma, zwinkerte mir zu und nahm einen dramatischen Schluck aus ihrer Kaffeetasse, bevor sie diese leise klirrend wieder auf der Untertasse absetzte.
„Tacheles, wieso Tacheles?", fragte ich ahnungslos und sah hilflos zu Marie, die sofort die Mundwinkel nach oben zog. „Du hast wirklich keine Ahnung, oder?", fragte sie mich, woraufhin ich zögernd langsam den Kopf schüttelte und mir schnell ein Stück Kuchen in den Mund schob, damit ich nicht auf das antworten musste, was gleich kommen würde.
„Na, wir wollen wissen, was das da mit dir und dem Jonas ist.", erklärte die Oma wie selbstverständlich, woraufhin ich mich fast an meinem Kuchenstück verschluckte, sodass Marie mir besorgt mein Wasserglas hinhielt.
„Mensch, jetzt lasst doch das arme Mädchen.", kam es von Tante Vera in Lederjacke, die sich lässig in ihrem Stuhl zurücklehnte und noch einen Zug von ihrer Zigarette nahm.
„Das find ich aber auch. Mia, du musst denken, wir sind ganz furchtbar.", erklärte Jonas' Mutter mit einem kurzen scharfen Blick zu ihrer eigenen und einem entschuldigenden zu mir, während sie aufstand, um noch ein Stück von der Erdbeertorte abzuschneiden. „Obwohl ich natürlich auch ein bisschen neugierig bin.", fügte sie mit einem freundlichen Gesichtsausdruck hinzu. Nun lagen alle Blicke wieder auf mir. Auf mir, die sich eben gerade erst wieder von ihrem Hustenanfall wegen des verschluckten Kuchenstückes erholt hatte. Das hier konnte eigentlich gar nicht mehr peinlicher werden.
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Der letzte Sommer
Novela Juvenil"Du bist so wunderschön, wenn du glücklich bist.", hatte er gesagt und dabei in die Ferne geguckt. So, als würde er garnicht mit mir reden, sondern mit dem Universum, dem Himmel oder der ganzen restlichen Welt. Für Mia und ihre Freunde steht das le...