Kapitel 36: hässliche Visage

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"Da seid ihr ja endlich mal. Habt ihr noch ne halbe Weltreise gemacht, oder warum kommt ihr jetzt erst?", fragte Tom lachend, als er uns endlich die Tür öffnete und wir nicht länger im Regen stehen mussten.

"Madame konnte ja angeblich nicht mehr laufen und deswegen musste ich sie den ganzen Weg tragen.", beschuldigte Jonas mich der Grund dafür zu sein, dass wir jetzt erst bei Tom angekommen waren.

"Na hör mal! Wenn ich deinetwegen Rückenschmerzen des Todes habe, ist es doch wohl nicht zu viel verlangt, mich hier her zu bringen. Außerdem hättest du doch schneller laufen können, mein Lieber.", antwortete ich schnippisch.

"Jaja, heul mal nicht rum.", sagte Jonas lachend.

"Wer heult denn hier?", schoss ich ebenfalls gut gelaunt zurück.

"Jetzt zieht euch doch erstmal um, bevor ihr euch gegenseitig umbringt.", wies Tom uns an und unterbrach unsere Diskussion.

Jonas lief vorneweg direkt ins Wohnzimmer und ich folgte ihm ein wenig verwirrt von eben. Meine Güte, was war das denn gewesen?

"Ey, ihr Penner. Da seid ihr ja wieder!", rief Leo uns zu, der seine Haltung von vor ein paar Stunden wieder eingenommen hatte und nun wieder auf der Ledercouch herumgammelte. Greta saß davor auf einer der Matratzen, die die drei wohl hergetragen haben mussten, als Jonas und ich noch im Regen gestanden hatten, in eine Decke eingewickelt und starrte auf den Bildschirm, auf dem gerade eine zerstörte Kriegslandschaft zu sehen war.

Ich lief hinter Jonas die Treppe nach oben und verschwand im Badezimmer, während er in Toms Zimmer ging. Ein Blick in den Spiegel verriet mir, dass ich mich besser abschminken sollte, denn meine Mascara war wegen des Regens über mein ganzes Gesicht verteilt.

Als ich in meiner Jogginghose und einem schlabbrigen Shirt wieder die Treppe hinunterlief, saßen alle meine Freunde schon unten im Wohnzimmer. Greta war eingeschlafen und saß an das Sofa angelehnt, auf dem Leo, Tom und Jonas saßen und gerade irgendein Autorennen spielten. Ok, langsam wird es peinlich, denn ich hab absolut keine Ahnung, was die da immer spielen. Tut mir echt leid.

Ohne, dass die Jungs Notiz von mir nahmen, setzte ich mich zwischen Tom und Jonas auf die edle Ledercoach und sah den dreien beim Videospielen zu. Anfangs versuchte ich noch sie davon zu überzeugen, mich mitspielen zu lassen, aber ich glaube, sie hatten alle einfach Angst gegen ein Mädchen zu verlieren, denn die Jungs protestierten heftig, als ich sie bat mir wenigstens für eine einzige Runde einen der Controller zu übergeben. Wäre ich nicht so müde gewesen, hätte ich mich noch aufgeregt. Aber so beschloss ich einfach nur zuzusehen, was ich dann auch nicht besonders lange tat, da meine Lider von Minute zu Minute immer schwerer wurden, bevor sie schließlich ganz zufielen.



Entfernt nahm ich Stimmen wahr, die flüsternd versuchten, sich über irgendwas zu einigen. Erst beim genauen Hinhören erkannte ich, wer da sprach.

"Sollen wir sie auch aufwecken?", das musste Tom sein.

"Nein, spinnst du! Guck doch mal, wie süß die beiden aussehen. Hach, ist das niedlich.", schwärmte Greta.

"Jaja, richtig süß. Kann ich jetzt weiterschlafen?", gähnte Leo, der wie immer genervt zu sein schien.

"Tu, was du nicht lassen kannst, aber ich mache jetzt erstmal ein Foto. Lina rastet aus vor Freude, wenn sie das sieht.", entgegnete Greta gut gelaunt.

"Ach Greta, du bist echt nicht mehr zu retten.", stöhnte Leo wieder und schien sich auf eine der am Boden liegenden Matratzen zu legen oder besser gesagt zu schmeißen, dem Krach nach zu urteilen, den er damit veranstaltete.

"Mensch Leo, jetzt sei doch mal ein bisschen leiser, du weckst sie sonst noch auf!", zischte Greta streng, doch Leo antwortete garnicht mehr. Und wie gerne ich auch in diesem halbwachen Zustand geblieben wäre, ich hielt es nicht mehr länger aus der Müdigkeit standzuhalten. Ich kuschelte mich noch einmal in die starken Arme, die mich umgaben und hörte anschließend ein freudiges aber dennoch leises Kreischen, bevor ich endgültig vom Schlaf überfallen wurde.



Ein paar Tage später sollte Lina endlich von der Wanderung in den österreichischen Bergen mit der Familie ihres Vaters zurückkommen und aus diesem Anlass hatten wir eine Grillparty geplant. Da diese bei mir stattfinden sollte, war ich extra früher aufgestanden, um alles vorzubereiten. Um das Fleisch sollten die Jungs sich kümmern, doch ich hatte mich bereit erklärt ein paar Salate zu machen, während Greta für die Getränke verantwortlich war.

Es war so etwa gegen halb zwei und ich war gerade dabei, alle Zutaten für den Nudelsalat rauszulegen, als es an der Tür klingelte. Ich wunderte mich, denn Mama und Ben waren in den Zoo gefahren und Felix hatte bis jetzt heute weder sein Zimmer noch das Haus verlassen. Wer konnte es also dann sein? Meine Freunde sollten doch erst um sieben kommen.

Rasch lief ich zur Tür und öffnete sie schwungvoll. "Jonas?", sagte ich verwundert, als ich erkannte, wer mich da aus seinen leuchtenden blauen Augen ansah und mir entgegen strahlte.

"Da bin ich Mialein, vielleicht ein bisschen zu früh, aber wir hatten heute früher Schluss beim Training und da dachte ich, ich komme schonmal her. Du hast doch sicherlich ganz schreckliche Sehnsucht nach mir, wo wir uns ein paar Tage nicht gesehen haben.", lachte er mir entgegen und fuhr sich dabei durch die blonden Haare. Ich sah ihm dabei so gebannt zu, dass ich fast vergaß, ihm zu antworten. Zum Glück bekam ich noch rechtzeitig die Kurve.

"Oh ja, es war furchtbar ohne dich. Um ehrlich zu sein, weiß ich garnicht wie ich überlebt habe ohne deine hässliche Visage 24/7 ertragen zu müssen.", antwortete ich scherzend, als ich zur Seite trat, damit er hereinkommen konnte.

"Hässliche Visage, dass ich nicht lache, meine Liebe. Wir sprechen uns in ein paar Jahren, wenn alle Klatschzeitschriften mich als heißesten Spieler der Nationalmannschaft kühren.", meinte Jonas empört.

"Da ist jemand aber ganz schön von sich überzeugt. Komm' du erstmal in die Nationalmannschaft und dann sehen wir weiter.", entgegnete ich belustigt, während ich zurück in die Küche lief und Jonas mir folgte, der seine Sachen im Flur abgelegt hatte.

"Du wirst dich noch wundern, Mia. Ganz Deutschland wird auf mich stehen. Die Mütter werden sich mich als Schwiegersohn wünschen und die Töchter erst... Blond, groß, schlank.", Jonas wurde jäh unterbrochen, als ich ein Geschirrhandtuch nach ihm warf: "Hör auf zu träumen und schneid lieber die Paprika! Du kannst dich ruhig mal nützlich machen."

"Ach Miachen, kein Grund eifersüchtig zu werden. Du weißt doch, dass du immer meine Nummer 1 sein wirst.", er zwinkerte mir zu und ich schüttelte ungläubig den Kopf.

"Jaja, ganz sicher weiß ich das und jetzt nimm' dieses blöde Messer und kümmer' dich um das Gemüse, sonst sind die anderen gleich da und nichts ist fertig, weil du von blonden, großen und schlanken Mädchen geträumt hast.", lachte ich, bevor er sich endlich an die Arbeit machte.

Der letzte SommerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt